Schmidteinander – endlich alles Roger in Leverkusen?

Christopher Trenner 22.08.2014

Transfers & Personal

Bayer 04 Leverkusen hat in dieser Saison über 30 Millionen Euro für Neuzugänge ausgegeben und ist damit (noch) die Nummer 2 hinter dem BVB. Die 14,5 Mio. Euro für Hakan Calhanoglu sind Vereinsrekord. Der Jungspieler wechselte nach nur einer Saison beim HSV zu Leverkusen, um sich der Herausforderung Champions League zu stellen. Mit 11 Toren und 5 Vorlagen sicherte er den Hamburgern den Klassenerhalt und soll den Leverkusenern nun mehr Flexibilität und Kreativität in der Offensive verleihen. Zudem wurde mit Drmic eine Alternative für Kießling verpflichtet und die defensive Außenbahn mit dem Nachwuchsspieler Wendell verstärkt. Beide stehen mit je 6,5 Mio. Euro in den Büchern.

Auf der Einnahmeseite konnte der Klub den Verkauf von Emre Can verbuchen. Dieser ging für 12 Mio. Euro nach Liverpool. Ein Abgang, der wohl verkraftbar ist, wobei einiges an Variabilität verloren gegangen ist, schließlich spielte Can in Leverkusen mal Linksverteidiger, mal im Mittelfeld und gegen den FC Bayern sogar als Flügelstürmer. Bitter ist der Verlust von Sidney Sam. Ein Spieler, der gerade in der Hinrunde mit sieben Toren in den ersten neun Spielen auf sich aufmerksam machen konnte. Er ging für 2,5 Mio. Euro zu Schalke 04 und somit deutlich unter Marktwert, auch wenn er ab Mitte der Saison oft von Muskelverletzungen zurückgeworfen wurde.

System

Das System ist Chaos. Roger Schmidt setzt auf ein 4-4-2 System mit Calhanoglu als hängender Spitze und zwei defensiven Mittelfeldspielern. Dabei sind die Flügelspieler Son und Bellarabi sehr weit ins Mittelfeld verschoben. Ziel ist es bei eigenem Ballbesitz immer möglichst viele Spieler vor den Ball zu bekommen und so viele Anspielstationen zu kreieren. Bei Ballverlust soll der Ball mit einem totalen Pressing schnellstmöglich zurückerobert werden. Dieses System erfordert von jedem Spieler in jeder Situation ein sehr vorausschauendes Auge – Fehler müssen schon antizipiert werden, bevor sie passieren. Ansonsten läuft die Mannschaft Gefahr, dass das Pressing scheitert und der Gegner mit ein/zwei Pässen mehr als die Hälfte der Leverkusener Spieler aus der Verteidigung nehmen kann. In der Champions League Qualifikation gegen Kopenhagen konnte dies sehr gut beobachtet werden. Allzu oft durchbrach Kopenhagen das Pressing und konnte so gute bis sehr gute Abschlussaktionen generieren, ohne selbst großen Aufwand zu betreiben.

Greift allerdings die Entwicklung, für die Roger Schmidt in Salzburg ca. 1 1/2 Jahre gebraucht hat, dann verfügt die Elf von Bayer 04 Leverkusen über eine taktische Variante, die nicht zu leicht zu schlagen ist. Der FC Bayern hat dies bereits leidvoll erfahren. Im Winter 13/14 endete ein Testspiel (übrigens mit FCB-Dreierkette) gegen Salzburg mit 3:0 für die Elf von Roger Schmidt. Der FC Bayern wurde in der ersten Halbzeit vorgeführt. Die Dreierkette wurde bis zum Pokalfinale wieder in die Ideenkiste vergraben. Im Nachgang der Partie lobte Pep Guardiola das Pressing von Salzburg, als das Beste was er jemals gesehen hätte.

Das gewisse Etwas

Ist Roger Schmidt. Wie bereits erwähnt erhofft sich Leverkusen viel von seinem Trainer. Er soll die Unberechenbarkeit bringen, die Leverkusen in den letzten Jahren abgegangen ist. Allzuoft war das taktische System zu durchschaubar. Waren dann noch Schlüsselspieler wie Kießling nicht in Form, dann blieb Bayern 04 harm- und ideenlos. Eine lange Durststrecke nach der Winterpause mit fünf Spielen ohne Sieg war die Folge. Mit Roger Schmidt soll dies besser werden und die Mannschaft weniger ausrechenbar werden.

Prognose

Vieles wird davon abhängen, wie Roger Schmidt einschlägt. Sein System ist unkonventionell und daher für Spieler nicht so leicht zu erlernen. Schon die Zeit von Schmidt in Salzburg hat gezeigt, dass ‚Lernen‘ Zeit braucht. Die Frage wird sein, ob die Verantwortlichen in Leverkusen geduldig genug sind. Schmidt behauptet zwar, dass jeder Spieler sein System verinnerlichen kann. Die Frage wird aber sein, wie gut die Spieler sein System dauerhaft umsetzen können.

Darüber hinaus wird auch die Frage sein, ob Altstars wie Simon Rolfes und Stefan Kießling im neuen System dauerhaft funktionieren. Gerade Erstgenannter ist sicherlich nicht die Idealbesetzung im Mittelfeld. Für Schmidts Ideen bedarf es einen Spieler, der fast „Box-to-Box“ agieren kann und vor allem mit vertikalen Pässen das Spiel immer wieder schnell macht und so Räume öffnet.

Sollte Leverkusen die schwere Anfangsphase mit Auswärtsspielen in Dortmund und Wolfsburg schadlos überstehen, dann kann dies einer Initialzündung gleichkommen und Bayer unter die Top 3 der Liga bringen. Sollte die taktische Umstellung und die Dreifachbelastung den Kader zu sehr belasten und infolgedessen zu Punktverlusten führen, reicht es für Leverkusen „nur“ für die Europa League.