Rot-Weißes Round-Up: Mehmet Scholl
Vom Karlsruher SC kam Scholl 1992 für ca. 6 Millionen Mark zum FC Bayern, zwei Jahre vor seinem langjährigen Mannschaftskollegen und Kabinennachbarn Oliver Kahn. Der damals 22-Jährige galt als eines der vielversprechendsten Talente auf der Spielmacherposition und hatte sein unheimliches Potential bereits in 58 Bundesligaspielen für die Badener gezeigt. Scholl hatte einen schweren Start in München, kam häufig von der Bank und wollte bereits im Winter der Saison 1992/1993 wieder weg. Uli Hoeneß überzeugte Scholl zu bleiben und trieb ihn an sich durchzubeißen. Mit Erfolg. Mitte der 90er, erlebte der FCB abwechselnd erfolgreiche und enttäuschende Saisons – mit einer Konstante: Mehmet Scholl. Vor allem in den ersten 5 Jahren nach seinem Wechsel blieb er von Verletzungen weitestgehend verschont und brachte es fast in jeder Saison auf über 35 Pflichtspiele. 1994 feierte er seine erste Meisterschaft und 1996 war er maßgeblich am UEFA-Cup Sieg beteiligt. Auf der Bühne Champions League erarbeitete sich Scholl den Ruf als einer der europaweit besten Techniker und Spielgestalter. Zwei seiner 70 Einsätze in der Königsklasse prägten seine Karriere jedoch besonders. Zum einen die denkwürdige Niederlage gegen Manchester 1999, als er nur 19 Minuten zum Einsatz kam, zum anderen das Finale 2001, als Scholl im Finale einen Elfmeter verschoss und so das dramatische Spiel einleitete. Scholl war trotz einer schweren Sprunggelenksverletzung aufgelaufen und verfolgte das entscheidende Elfmeterschießen nur von der Bank. Die Saison 2000/01 ist durchaus als Scholls beste zu sehen: Fast alle Bundesligaspiele bestritt er über 90 Minuten, erzielte 7 Tore und war eminent wichtig für den Gewinn der Meisterschaft. Vor allem aber in der Champions League trumpfte er auf und gehörte mit 5 Treffern zu den besten Torschützen. Das Double aus Meisterschaft und Champions League war der sportliche Höhepunkt seiner Karriere.
Nicht unerwähnt bleiben sollen seine weiteren Erfolge, die ihn, zusammen mit Kahn, zum erfolgreichsten Vereinsspieler Deutschlands machten: 8 Meisterschaften, 5 Pokalsiege, 5 Ligapokalsiege – eine Bilanz, die kaum ein anderer Spieler weltweit vorweisen kann. Genauso lang wie die Liste seiner Titel ist jedoch auch die seiner Verletzungen. Egal ob Knie oder Sprunggelenk, Scholls Ausfallzeiten waren, vor allem nach der Jahrtausendwende, lang. 392 Bundesligaspiele in 15 Jahren ergeben im Durchschnitt lediglich 26 Einsätze pro Saison. Wohl auch deshalb sprach Scholl einmal davon, dass in seiner Karriere „die Tiefen tiefer waren als die Höhen hoch.“
Nach vielen dieser sportlichen und privaten Höhen und Tiefen und einer Neuerfindung als Edeljoker in den letzten Jahren seiner Laufbahn, beendete er 2007 seine aktive Karriere. Zu seinem Abschiedsspiel gegen den FC Barcelona jubelten ihm noch einmal 69.000 Zuschauer in der Allianz Arena zu, feierlich übergab er sein Trikot mit der Nummer 7 an seinen legitimen Nachfolger Franck Ribery. Während Scholl beim FC Bayern stets große Anerkennung genoss, hatte er in der Nationalmannschaft, hier vor allem unter Berti Vogts, ein schlechtes Standing. Zwar wurde er 1996 Europameister, zur WM 1998 wurde er allerdings nicht berufen. 2000 scheiterte er mit Deutschland sang- und klanglos und kurz vor der WM 2002 beendete er verletzungsbedingt seine Länderspiel-Karriere. Er bleibt damit einer der besten Fußballer, der nie an einer WM-Endrunde teilgenommen hat.
Nach seiner aktiven Zeit begann Mehmet Scholl als Trainer zu arbeiten und bleibt als Vorgänger von Erik ten Hag bei den Bayern Amateuren in Erinnerung. Sein Abschied ist umstritten, da er den weiteren Weg im öffentlich-rechtlichen Fernsehen einschlug und der Verein einen neuen Trainer, der als Sammers ausdrücklicher Wunsch gilt, installierte. Dennoch wurden die Grundlagen für die Meisterschaft in der Regionalliga und das anschließende Relegationsspiel bereits durch Scholl gelegt. Er formte die Truppe um Alessandro Schöpf, Vladimir Rankovic und Pierre-Emile Højbjerg. Später wurde ihr Spiel verfeinert, sodass es bis knapp vor den möglichen Aufstieg reichte.
Scholl ist nicht nur im Fußball- sondern auch im Musikgeschäft bekannt. Er pflegt dabei ausgezeichnete Kenntnisse im Indie-Bereich, gründete 2011 gemeinsam mit Gerd Baumann und Till Hofmann das Münchener Plattenlabel Millaphon und ist monatlich Sonntagnacht gemeinsam mit Achim 60 unter dem Motto »Mehmets Schollplatten« auf Bayern 2 zu hören, wo er seine Musikfavoriten spielt und an interessanten Münchener Plätzen aufnimmt.
Mehmet Scholl feierte gestern seinen 44. Geburtstag. Alles Gute!
Miasanrot.de stellt regelmäßig am Dienstag und Freitag in einem Round-Up lesenswerte Texte und Fundstücke rund um den FC Bayern zusammen. Gewidmet wird jedes Round-Up einem ehemaligen Bayern-Spieler, der am jeweiligen Tag (oder kurz zuvor/danach) Geburtstag hat.
Presseschau
„Abseits.at“: So läuft eine Guardiolasche Systemumstellung
Einen wirklich beeindruckend guten Einblick in die Seitenlinienarbeit von Pep Guardiola präsentiert das österreichische Taktikportal „Abseits.at“. In einem mit aufschlussreichen Bildern unterlegten Beitrag wird anhand eines Beispiels aus dem Spiel gegen Manchester City erklärt, wie eine Systemumstellung unter dem Trainer funktioniert und welche Gefahren sie birgt. Versteht nämlich der Spieler (in diesem Fall Götze) die Anweisungen nicht umgehend, ist das Pressing ungeordnet und es können situativ sehr gefährliche Lücken entstehen.
Watzke in der „TZ“ über Reus
Noch zwei Wochen bis zum deutschen Clasico gegen Borussia Dortmund – Zeit für erneute Sticheleien. Diesmal wieder von HJ Watzke, der eine Freundschaft mit Karl-Heinz Rummenigge erneut ausschließt und bei einer Sky-Podiumsdiskussion, die die „TZ“ zusammenfasst, auch über die Klausel von Marco Reus sprach. „Die Bayern wollen eh jeden Spieler von uns“, mag vielleicht nicht ganz korrekt sein – dass Reus im nächsten Sommer ein Thema wird, ist allerdings wahrscheinlich. Oft genug haben wir im Blog betont, dass die Nachfolge von Ribery und Robben bald geklärt werden sollte – und wenn Reus tatsächlich mit solch einer bezahlbaren Klausel auf den Markt kommen sollte, muss sich der FCB auch damit beschäftigen. Liga-Gerechtigkeit hin oder her.
„SPOX“ widmet sich der Datenanalyse
Auf vier Seiten analysiert das Onlineportal die Ausgangslage vor dem erneuten Start in den Ligabetrieb nach der Länderspielpause, Passspiel, Ballbesitz, Variabilität, Schlüsselspieler und die Defensivarbeit. SPOX greift dabei auf Daten von Opta zurück und verbaut Widgets im Artikel.
Besondere Erwähnung findet Xabi Alonso, der vermutlich als Mann der bisherigen Saison und sofort eingeschlagener Transfer bezeichnet werden kann:
Mit 216 Ballaktionen im Spiel gegen Köln trug er sich schon in seinem fünften Ligaspiel in die Geschichtsbücher ein und pulverisierte den erst im Februar aufgestellten Rekord von Landsmann Thiago (187 gegen Frankfurt). Wie sehr der Spanier den Takt vorgibt, zeigt auch ein Blick auf die Gesamtstatistik: Mit 822 Ballaktionen in der Liga steht der Bayern-Akteur einsam an der Spitze des Rankings.
»Der königliche Schlüsselspieler«, SPOX am 15.10.2014
»Pep Guardiola shoulders blame for Bayern’s nightmare vs. Real Madrid«
Auch ESPN widmet sich ebenfalls Martí Perarnaus Buch »Herr Guardiola«, welches wir bereits mit einer Rezension vorgestellt haben, und lässt die Ereignisse Rund um das Champions League aus gegen Real Madrid Revue passieren. Der Text bietet eine durchaus spannende Einordnung des Spiels und lässt in die Erzählweise des Buches blicken.
[…] they are there to review the match together, but in reality his assistants are trying to boost the boss’s morale. They can see that tonight, Pep is a broken man.
Martí Perarnau für ESPN am 16.10.2014
FC Bayern darf zum Papst
Im Rahmen des Champions-League-Spiels in Rom wird der FC Bayern eine Audienz beim Papst erhalten. Die „Süddeutsche Zeitung“ widmet sich dem göttlichen Beistand für die Münchner in einem Online-Artikel.