RB Leipzig – FC Bayern München 4:5 (2:1)

Christopher Trenner 13.05.2017

Sportlich gesehen, war es die einzige Partie der Bundesliga, in der es an diesem Samstagnachmittag um nichts mehr ging. Meister und Tabellenzweiter standen bereits fest.

Falls Ihr es verpasst habt:

Carlo Ancelotti entschied sich im Vergleich zum Duell gegen Darmstadt für vier Wechsel. Nominell spielte wohl die Elf, die vielleicht auch in einem Champions-League-Halbfinale unter der Woche gespielt hätten. Bedeutet, dass Thiago wieder auf der Zehn agierte. Dahinter durften Alonso und Kimmich spielen. Ebenfalls im Team waren alle erfahrenen Spieler: Lahm, Ribery und Robben.

Ralf Hasenhüttl beließ es bei seinem bekannten 4-4-2 System und der Aufstellung, die am letzten Spieltag Hertha BSC mit 1:4 geschlagen hatte. Die wichtigsten Spieler der Saison Keita, Forsberg, Sabitzer und Werner waren alle an Board. Es war also angerichtet.

Die Münchner wurden nach 65 Sekunden bereits das erste Mal ausgekontert. Nach einem Abwurf von Leipzig spekulierte Lahm im Mittelfeld. Boateng versuchte die rechte Seite von Lahm zu decken, orientierte sich aber im toten Raum. Dadurch öffnete sich die rechte Seite für Werner und Forsberg. Dessen Flanke fand Sabitzer, der von Bernat nicht mehr am Kopfball gehindert werden konnte. Die frühe Führung für Leipzig.

Die Münchner hatten sichtlich Probleme in der Anfangsphase. Leipzig suchte sich gezielt die rechte Seite aus und versuchte Forsberg oder Werner ins Laufduell gegen Lahm zu schicken. Ein Duell, welches der Bald-Frührentner Lahm nicht mehr gewinnen kann.

In der zehnten Minute ergab sich dadurch die nächste große Chance für die Leipziger. Nach einem Flipperball im Mittelfeld legt Poulsen den Ball auf Werner. Der setzte erneut seine Schnelligkeit auf der rechten Seite ein, zog nach innen und traf aus Sicht der Münchner zum Glück nur den Pfosten.

In der 14. Minute verhinderte Bernado Flanke von Lahm mit dem Ellenbogen bzw. dem Arm. Für Linienrichter Sascha Thielert ein strafbares Handspiel und so entschied Tobias Stielert auf Elfmeter. Lewandowski verwandelte überlegt ins linke untere Torwarteck.

Die Münchner hatten trotz des Ausgleichs immer noch Probleme, die richtige Balance zu zwischen Abwehr und Angriff zu finden. Lahm spielte meist sehr offensiv. Dadurch ergab sich immer wieder ein großer Raum, den Kimmich und Boateng zumeist noch in Unterzahl abdecken mussten. So konnten die Leipziger Werner immer wieder in Abschlussposition bringen. Starke rettete in der 22. Minute gegen den deutschen Nationalspieler in höchster Not.

In der 27. Minute bestraften die Leipziger die Münchner Nachlässigkeit. Forsberg durfte mit Tempo in den Strafraum dribbeln. Alonso blieb nur noch das Foul übrig. Werner trat gegen Starke an, der bisher beide Elfmeter im Dress der Münchner gehalten hatte, aber dieses Mal chancenlos war (28.). Die erneute Führung für Leipzig.

In der 39. Minute foulte Ilsanker Ribery im Mittelfeld. Dabei verletzte sich der Franzose so schwer, dass er nach einer langen Behandlungspause ausgewechselt werden musste. Für ihn kam Costa.

Bis zur Halbzeit tat sich dann wenig. Im Anschluss an den Elfmeter für Leipzig war sichtlich das Tempo und die Dynamik aus der Partie. Das galt an dieser Stelle für beide Seiten, da auch die Gastgeber spürbar Tempo aus der Partie nahmen. Trotz des Abflachens der Partie hat Leipzig in der ersten Halbzeit über vier Kilometer mehr Laufleistung auf den Rasen gelegt. Fast 700 Meter waren dies im deutlich höheren Tempo (17 oder mehr KM/h).

Kurz nach Wiederanpfiff erzielten die Leipziger den dritten Treffer. Abermals wurde Werner mit Tempo auf die bayerische Abwehr losgelassen. Dieser bedient Forsberg am Strafraumrand, vom Schweden ging der Ball weiter zu Poulsen, dessen Schuss aus 16 Metern noch entscheidend von Alonso abgefälscht wurde. Das 3:1 für Leipzig (47.).

Eine Standardsituation brachte die Münchner wieder ran. Ein Eckball wurde von Robben in den Rückraum gelegt. Dort konnte Lahm zur Halbfeldflanke ansetzen. Am langen Pfosten setzte sich Alonso gegen Ilsanker im Kopfballduell durch. Der Ball landete bei Thiago, der ins leere Tor zum Anschluss köpfte (60.). Sein 6. Saisontreffer.

Die Freude über den Anschluss hielt nur kurz. Abermals führte ein langer Ball zu einem Gegentreffer. Lahm, eigentlich in der besseren Position gegenüber Werner, spielte den Ball nur halbherzig auf Boateng. Werner sprintete dazwischen und tunnelte aus maximal spitzem Winkel Starke zum 4:2 (65.).

Im Gegenzug verhinderte der Pfosten den abermaligen Anschluss der Münchner. Lewandowski scheiterte aus kurzer Distanz nach einer Lahm Flanke. Die Partie wurde jetzt wild. Ein zunächst zu schnell ausgeführter Freistoß brachte Thiago eine gelbe Karte ein. Dieser hatte eigentlich schon eine Verwarnung. Erst wesentlich später stellte sich heraus, dass Costa verwarnt wurde. Der anschließende Freistoß brachte ein Tor von Lewandowski, doch der Vorlagengeber Vidal stand im Abseits.

Nach einer Freistoßvariante im Halbfeld, kommt Robben zum Abschluss. Sein Schuss aus 20 Metern wird von Keita abgefälscht und knallt an die Latte. Der Abpraller landet direkt auf dem Kopf von Lewandoski, der sein 30. Saiontreffer erzielte (83.). Zugleich ist er der dritte Spieler innerhalb der europäischen Ligen, der diesen Wert in dieser Spielzeit erreicht.

In der 89. Minute wird Lewandowski gut 25 Meter vor dem Tor gefoult. Alaba tritt an und versenkt den Ball unnachahmlich im Winkel: 4:4.

Und dann kam es, wie es kommen musste: Arjen Robben, der nie verlieren will. Der nicht verlieren kann, setzte sich auf der Außenbahn durch, zog im Robben-Style nach innen und überlupfte überlegt Gulasic.

Der 5:4 Siegtreffer. Die Extase der Münchner Spieler kannte keine Grenzen mehr.

Über 70 Minuten waren die Münchner die klar unterlegene Mannschaft. Zwei Mal lagen sie mit zwei Toren hinten und gewannen die Partie dennoch mit 5:4.

Es war ein Sieg der Moral, der doch aufzeigt, wie fehlerhaft und anfällig die Spielanlage der Münchner ist. Es bedurfte, wie so oft in dieser Saison viele individuelle Einzelleistungen, um den Sieg einzufahren. Leipzig hat über 70. Minuten fast keine Fehler gemacht und verliert am Ende aufgrund zu großer Passivität.

(Bild: Boris Streubel / Bongarts / Getty Images)

3 Dinge, die auffielen:

1. Fehlende Kontrolle im Mittelfeld

Der FC Bayern fand zunächst kein Mittel gegen das 4-4-2-Pressing der Leipziger. Diese machten es geschickt und pressten in manchen Phasen wohl hoch, aber nicht blind, sondern zogen sich abschnittsweise an die eigene Strafraumkante zurück. Dann verdichteten sie ihr 4-4-2 so, dass die Mittelfeldlinie und die Abwehrreihe die Lücken sehr eng werden ließ.

Bei den Münchnern ergab sich so das gefürchtete “U” im Aufbauspiel. Dieses war aber zum Teil sehr fehleranfällig, was im Anschluss zu den überfallartigen Kontern führte.

Die Bayern hatten in allen Mannschaftsteilen, namentlich Thiago (73,1% Passquote), Boateng (72,4%) und Ribery (62,5%), zu viele Abspielfehler. Passquoten von 60 – 70% in der ersten Halbzeit, spielten den Leipziger in die Karten. 9:6 Torschüsse zu Gunsten von Leipzig waren die Folge, wobei die Mannschaft von Hassenhüttl die deutlich hochwertigeren Chancen hatte.

Zu oft wurden die Leipziger mit Tempo auf die letzte Abwehrreihe losgelassen, da die Münchner Rückwärtsbewegungen ungenügend waren bzw. die Ballverluste förmlich zu einem Überfallfußball einluden.

Dies wurde auch in der zweiten Halbzeit nicht besser. Erst als Leipzig ab der 75. Minute in eine zunehmende Passivität verfallen war, bekamen die Münchner mehr Stabilität ins Mittelfeld. Hier half sicherlich auch Vidal, der wesentlich präsenter in den Zweikämpfen agierte, als vorher Xavi Alonso. Ab der 80. Minute hatten die Bayern über 70% Ballbesitz und Leipzig nur noch eine Passquote von 67%.

Die Bayern hatten ab diesem Moment endlich Kontrolle über die Partie.

2. Naivität

Vier Gegentore in der Bundesliga kassierten die Münchner zuletzt beim 1:4 gegen Wolfsburg. Erschreckend sind die Parallelen. Auch damals hatte Pep Guardiola große Probleme die Konter, eingeleitet von DeBruyne, zu unterbinden. In Leipzig zeigte sich ein ähnliches Bild.

Die Münchner liefen in erschreckend viele Konter der Leipziger. Immer wieder reichten einfache lange Bälle auf Werner und Forsberg, um die bayerische Abwehr in Verlegenheit zu bringen. Die Balance zwischen Defensive und Offensive war nicht vorhanden. Dies bestätigte auch Philipp Lahm im Interview, direkt nach Spielende. Der Sieg sollte jetzt nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bayern ein Defensivproblem haben. Drei Gegentore gegen Dortmund, vier in Madrid und vier in Leipzig. Die Balance, die zwischenzeitlich da war, ist abhanden gekommen. Dies gilt es nach der Saison zu analysieren und aufzuarbeiten.

Zumal sich die Münchner auch von den vielen guten, weil taktisch cleveren, Fouls der Leipziger aus dem Konzept haben bringen lassen. 19 Fouls hatte Leipzig am Spielende. Die harte Spielweise trug sicherlich mit dazu bei, dass die Münchner zum Teil naiv agierten und über weite Phasen nicht wirklich in die Partie fanden.

Alaba trifft zum 4:4.
(Foto: Boris Streubel / Bongarts / Getty Images)

3. Moral

Trotz aller Fehler, zeigten die Bayern viel Moral. Bis zur 84. Minute lag die Mannschaft von Carlo Ancelotti mit 4:2 zurück.

In einem Spiel, in dem es sportlich um nichts mehr ging. Aufgepeitscht von der Stimmung und den Emotionen, die ins Spiel getragen wurden, gaben die Bayern aber nicht auf.

Lewandowski markierte den Anschluss, Leipzig wurde zu passiv und ließ den Ausgleich und sogar noch den Siegtreffer der Bayern zu. Das Tor von Arjen Robben ist der neunte Treffer in dieser Saison, der in der 90. Spielminute oder später gefallen ist. Es zeigt auf, wie sehr der FC Bayern von seinen Einzelspielern abhängig ist, die noch in den letzten Spielsekunden Lösungen suchen müssen und finden.

Eine Qualität, die sich der FC Bayern in den letzten Jahren erarbeitet hat. Viele Spiele wurden in den letzten Minuten noch gedreht. Diese sollte aber im Hinblick auf die neue Saison nicht zur Gewohnheit werden.

Auch wenn das Glücksgefühl nach späten Siegen ein schönes ist.

3.1. Wer will es mehr?

Arjen Robben.

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RB Leipzig – FC Bayern 4:5 (2:1)
RB Leipzig Gulacsi – Ilsanker, Upamecano, Compper, Bernardo – Sabitzer (69. Benno Schmitz), Keita, Demme, Forsberg – Werner (80. Khedira), Poulsen (76. Selke)
Bank Müller, Farnke, Burke, Kaiser
FC Bayern Starke – Lahm, Boateng, Alaba, Bernat – Alonso (61. Vidal), Kimmich (67. Müller) – Robben, Thiago, Ribéry (44. Costa) – Lewandowski
Bank Weinkauf, Rafinha, Coman, Sanches
Tore 1:0 Sabitzer (2.); 1:1 Lewandowski (17., Handelfmeter); 2:1 Werner (29., Foulelfmeter); 3:1 Poulsen (47.); 3:2 Thiago (60.); 4:2 Werner (65.); 4:3 Lewandowski (84.); 4:4 Alaba (90.+1); 4:5 Robben (90.+5)
Karten Gelb: – / Alonso, Vidal, Costa, Thiago, Boateng
Schiedsrichter Tobias Stieler (Hamburg)
Zuschauer 42.558 (ausverkauft)