Quo vadis, Juan Bernat?
So leise er kam, so leise ging er auch. Kurz vor Schließung des berüchtigten Transferfensters hatten sich der FC Bayern und Bernat entschlossen, das gemeinsame Abenteuer nach vier Jahren zu beenden. Wirklich überraschen konnte dies nicht, schließlich hatte es schon seit längerer Zeit in den Medien hierzu Berichte gegeben.
Probleme mit Kaltstarts
Zu durchwachsen war insbesondere die Rückrunde der vergangenen Saison für den Spanier. Nach einem missglückten Auftritt im Champions-League-Viertelfinale in Sevilla, den Jupp Heynckes nach 45 Minuten vorzeitig beendete, wurde er für den Rest der Spielzeit zum Linksverteidiger Nummer 3 degradiert. Im Halbfinal-Hinspiel gegen Real Madrid agierte – wenn auch nicht weniger unglücklich – mit Rafinha ein gelernter Rechtsverteidiger auf dieser Position.
Immer wieder fiel auf, dass Bernat insbesondere mit Kaltstarts und Rotation Probleme hat. In unerwarteten Auftritten agierte der 25-Jährige zumeist zaghaft und wie ein Fremdkörper. Offensiv verschleppend, defensiv anfällig – praktisch der genaue Gegenentwurf vom erfahrenen Rafinha, dessen Leistungsgrenze ebenso klar definiert wie schnell erreicht ist. Dass Heynckes im April den Brasilianer präferierte, war verständlich.
Dennoch sollte die Bewertung der Ära Bernat nicht negativ ausfallen. So war er speziell bei längerfristigen Verletzungen von David Alaba ein mehr als zuverlässiger Ersatz. Über lange Phasen der Saison 2016/17 trat er sogar kreativer und spielstärker auf als der Österreicher, der unter Ancelotti nie eine Hochform erreichte.
Schon sein Einstieg in die Bayernkarriere war anspruchsvoll. Bernat war unter dem ständig fordernden Guardiola keine sanfte Lernphase vergönnt, stattdessen erfolgte der Wurf ins kalte Wasser. So absolvierte der Spanier in seinem ersten Jahr in München 49 von möglichen 52 Pflichtspielen, 90% davon sogar in der Startelf. Dass dem noch unerfahrenen 22-Jährigen vehement vorgeworfen wurde, auf allerhöchstem Niveau im Camp Nou einen Fehler gemacht zu haben, beweist eher die verschobenen Ansprüche der Bayern-Fans als fehlende Klasse des Linksverteidigers.
Leider hatte es Bernat aber in den Folgejahren nie geschafft, die fraglos vorhandenen Grundlagen im Spiel mit dem Ball auf das nächste Level zu heben. So ist er zwar agil, dribbelstark und mit einem sehr guten Bewegungsradius ausgestattet, doch die erhoffte Entwicklung dieser Fähigkeiten trat nie so recht ein. Er blieb dadurch ein nützlicher, an guten Tagen überqualifizierter Backup zu Alaba, anstatt schrittweise in die Riege der erweiterten Weltklasse einzudringen und nachhaltig am Thron des Österreichers zu rütteln.
Juan Bernat als einen Fehleinkauf zu bezeichnen, wäre ein völlig übertriebenes Urteil. Denn nicht nur war die Ablösesumme von ca. 10 Mio. € im internationalen Vergleich gemäßigt, er war auch ein nicht unerheblicher Teil der Bayern-Teams der letzten Jahre. Schließlich betrat Bernat in den vier Jahren beim FCB in knapp 57% der möglichen Pflichtspiele den Rasen. Blendet man die Verletzungen aus, wobei gerade der langwierige Syndesmosebandriss in der Hinrunde der letzten Saison in Erinnerung bleibt, so spielte der Spanier in über 70% der Partien, in denen er dem Trainer zur Verfügung stand.
In Paris zum Glück?
Nun zog es den 25-Jährigen also nach Paris. Ob dies für beide Parteien der richtige Schritt zur richtigen Zeit war? Aus Sicht des Spielers ist dieser Wechsel erstmal kein offensichtlicher Fortschritt. Auch wenn PSG mit Yuri Berchiche einen Linksverteidiger abgegeben hat, so wartet mit Layvin Kurzawa noch ein bereits im Verein etablierter Konkurrent auf der Position. Mittelfristig könnte sogar der 19-jährige Stanley N’Soki zum hartnäckigen Konkurrenten werden.
Der Vorteil für Bernat besteht hauptsächlich in der erhöhten Erfolgswahrscheinlichkeit bei PSG. An David Alaba wäre er aus Leistungs- wie Standinggründen nur schwer vorbeigekommen. Kurzawa hingegen, der nicht völlig unumstritten ist und es auch nicht in den WM-Kader Frankreichs geschafft hatte, ist eine realistischere Herausforderung für den Spanier. Dennoch bleibt der Gedanke, dass es Bernat vielleicht etwas besser getan hätte, bei einem weniger ambitionierten Verein zum Stammspieler zu werden.
Auch aus Sicht des Vereins ist die Entscheidung zu hinterfragen. Offensichtlich kam der FC Bayern zum Schluss, dass man in der Causa Bernat zum Stillstand gekommen und eine weitere Entwicklung nicht zu erwarten ist – ein immerhin verständliches Urteil. Dass man dem nicht zufriedenen Spieler keine Steine in den Weg legen will, ist ehrbar. Doch die beidseitigen Zweifel an der Zukunft sind seit Monaten bekannt.
Reagiert hat man nicht. Auch wenn eines der Ziele der Kaderplanung ein Personalabbau ist, so ist das ersatzlose Streichen eines Backups eine mutige Entscheidung, die jederzeit zum Fehler werden könnte. Nun ist Rafinha der Vertreter auf links wie rechts. Sollte im Laufe der Saison der unglückliche Fall eintreten, dass Alaba und Kimmich ausfallen, so wäre eine der beiden Positionen blank – zumal mit Sebastian Rudy die offensichtlichste Notlösung auf der Rechtsverteidigerposition auch abgegeben wurde.
Servus, Juan!
Somit klafft in der Planung von Niko Kovač eine Lücke. Sollte der oben genannte Fall eintreten, so müsste er entweder sein System umstellen (bisher noch nicht getestet) oder auf der Außenverteidiger-Position einen gewaltigen Kompromiss eingehen. Ob Süle, Tolisso, Goretzka oder ein unerfahrener Jugendspieler – Bauchschmerzen würden wohl all diese Lösungen bereiten.
Die lange bekannten Wechselwünsche des Juan Bernat erlaubten es der Vereinsführung, ohne Zeitdruck nach einem geeigneten Ersatz für diese Rolle zu suchen. Da man bis zuletzt nicht handelte, kam der Abgang von Bernat in dieser Transferperiode dann doch überraschend. Jetzt steht der Verein, vielleicht sogar beabsichtigt, auf einer Position ohne Alternative da. Eine Situation, die man seit 2012 mit aller Macht zu verhindern versuchte, und 2014 mit einem überraschend stillen Transfer Bernats zu verhindern wusste. Nur vier Jahre später sagt der Spanier leise „Servus“ und wir bedanken uns für eine tolle Zeit!