Korea Republic v Germany: Group F - 2018 FIFA World Cup Russia

Hoeneß hat es nicht verstanden

Justin Trenner 23.07.2018

Als Uli Hoeneß am Montag mit einigen Medienvertretern sprach, war das Thema ausnahmsweise nicht sein FC Bayern. Vielleicht wäre es – wie so oft in letzter Zeit – besser gewesen, wenn der Präsident der Münchner nichts gesagt hätte.

Doch er äußerte sich zu Özils Rücktritt und der harten Kritik, die der Weltmeister anbrachte. Er tat das in einer Art und Weise, die schlicht inakzeptabel war und die aufzeigte, dass er kein Wort von Özils Bekanntmachung verstanden hatte.

Hoeneß reagierte mit Populismus auf eine sensible Debatte, die viel mehr Feingefühl abverlangt hätte. Feingefühl, das er nicht hat. Stattdessen polterte er lauthals.

Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen. […] Man muss es mal wieder auf das reduzieren, was es ist: Sport. Und sportlich hat Özil seit Jahren nichts in der Nationalmannschaft verloren.
Uli Hoeneß gegenüber Sport Bild und Bild, via sueddeutsche.de

Spiegelbild der Gesellschaft

Damit ist er aber nicht allein. Es ist schon sehr viel Ironie dabei, dass ausgerechnet Grindel, der lauthals ein Statement Özils forderte, nun zum Hauptziel des Nationalspielers wurde. Inkompetenz und Rassismus sind nur zwei der vielen Vorwürfe, die Özil dem DFB-Präsidenten machte. Die Entwicklung des Verbands gibt ihm dabei recht.

Schon vor dem Statement sollte klar gewesen sein, dass der DFB auf ganzer Linie versagt hatte. Im Umgang mit den Fotos, die Gündogan und Özil mit Erdogan machen ließen, fand der Verband keine klare Position und keinen Weg in eine sachliche Debatte.

Stattdessen sprach man von Werten, für die angeblich eingestanden werde. Doch welche Werte sollen das sein? Letztendlich waren das nur leere Phrasen, an denen klare Doppelstandards zu erkennen sind.

Matthäus mit Putin, Mercedes Benz, Grindels Vergangenheit – Özil pickte gleich mehrere gammelige Kirschen aus der leckeren Torte, die der DFB gerne wäre. Dieser Schritt erforderte viel Mut, aber er sollte im Idealfall etwas lostreten.

Für viele war es naheliegend, dass Özils lange Pausen zwischen den Statements reine PR-Strategie waren. So war es auch. Allerdings aus einem guten Grund. Vermutlich wollten der Nationalspieler und sein Manager, dass zwischen den Statements darüber geredet wird. Andernfalls wären die Kritikpunkte mit seiner Rücktrittsverkündung untergegangen.

Der DFB hatte versucht, Özil komplett herauszunehmen, um sich selbst zu schützen. Glaubt man den Vorwürfen des Spielers, so ging es kein bisschen darum, sich vor Özil zu stellen.

Man wollte das Thema totschweigen. Die fehlende Positionierung wurde ihnen schließlich zum Verhängnis. Der Spieler fühlte sich schlecht behandelt und auch die Medienvertreter rund um den DFB wurden ausgegrenzt. An Naivität und Arroganz kaum zu überbieten.

Noch schlimmer wurde es, als der Verband sich halbherzig für Mesut Özil entschieden hatte und dieser öffentlich rassistisch angegangen wurde. Mit den schwachen Leistungen des Teams bei der WM wurde Özil zum Spielball der Öffentlichkeit. Basler, die AfD, BILD – das sind nur drei von vielen Beispielen.

Der Verband und seine fehlende Selbstreflexion

Der DFB hätte sich auch hier wieder klar positionieren, sich vor den Spieler stellen müssen. Gegen den Rassismus und gegen den Populismus. Doch es passierte das Gegenteil. Der Verband in Form von Bierhoff und Grindel ließen Özil fallen und stellten ihn an den Pranger.

Für alle zugänglich. Jeder durfte mal draufhauen. Der Sündenbock war gefunden.

Özils Statement verschärft diesen Eindruck noch einmal. Er inszeniert sich damit nicht. Er versucht auch nicht, sich jetzt in eine Opferrolle zu zwängen. Nein, er hält der Öffentlichkeit in Deutschland einen Spiegel vor, der den Rassismus im Land klar offenbart.

Vielerorts ist dieser Rassismus erschreckend offen. Noch erschreckender ist aber der latente und unterschwellige Rassismus, den man alltäglich auf den Straßen sieht, wenn man die Augen nur weit genug aufmacht. Özil war und ist ein Spielball dieser Rassisten.

Für den DFB kann es in Zukunft nur eine Konsequenz geben: Sie müssen sich neu aufstellen. Grindel ist als Präsident nicht mehr tragbar. Auch Bierhoff kann nach seinen Fehlern und Äußerungen nicht mehr unangefochten bleiben.

Der Verband, der 2010 noch als eine Verbindung zwischen Kulturen galt, sorgt 2018 für Spaltung. Er gibt Rassismus eine Bühne und das ist viel trauriger als jede sportliche Niederlage.

Dass Mesut Özil mit seinem Statement wenig Selbstreflexion gezeigt hat und er seine Fotoaktion scheinbar nicht hinterfragt hat, steht auf einem anderen Blatt Papier. Er handelte mindestens naiv und seine Rechtfertigung untermauerte, dass die berechtigte Kritik komplett an ihm vorbeiging. Vielleicht auch deshalb, weil sie im Lärm des Populismus unterging.

Sein Rücktritt ist für Deutschland aber ein herber Schlag. Weil er Menschen wie Uli Hoeneß die Möglichkeit gibt, ihren populistischen Müll auf Özils Schultern abzuladen. Weil er der AfD ermöglicht, sich auf Özils Kosten zu profilieren.

Obwohl ich Steuern in Deutschland bezahle, Einrichtungen für deutsche Schulen spende und die Weltmeisterschaft 2014 mit Deutschland gewonnen habe, bin ich noch immer nicht in der Gesellschaft akzeptiert. Ich werde behandelt, als wäre ich ‚anders‘.
Mesut Özil via Instagram

Weil er Nazis ein Megafon in die Hand drückt, durch das sie viele Fußball-Fans erreichen, die mit Özil schon länger ein Problem hatten.

Weil bis jetzt keine Debatte entstand, die nicht nur der DFB, sondern das Land dringend gebrauchen könnte. Der wir uns gemeinsam stellen müssen.

Und Uli Hoeneß ist nicht der Einzige, der das immer noch nicht verstanden hat.