No Schale, no Party

Felix Trenner 29.04.2017

Wer am Samstagnachmittag in München unterwegs war, wird nichts wirklich Besonderes festgestellt haben. Der Bayern-Schal konnte nach einigen kühlen Tagen bei sonnigem Wetter im Schrank bleiben. Die U- und Trambahnen fuhren im normalen Wochenend-Takt. Die Leopoldstraße blieb ebenfalls frei von irgendwelchen Polizei-Absperrungen und die leicht vergilbte Bayern-Fahne, die in der Widenmayerstraße am Isarufer tagein, tagaus ein Wohnhaus ziert, war auch an diesem Tag das einzige hausschmückende Bekenntnis eines Bayern-Fans zu seinem Verein.

Man musste am Samstag, den 29. April, an dem der FC Bayern seine historische fünfte Meisterschaft holte, schon genau hinblicken, um wahrzunehmen, dass sich darüber doch mehr Menschen freuen, als man gemeinhin denken würde. Beim ATP-Tennisturnier etwa, das gerade in der Stadt gastiert, leerten sich gegen 17 Uhr doch merklich die Ränge und immer mehr Menschen drängten sich vor dem Fernseher im Clubhaus, um die letzten Minuten des Leipzig-Spiels zu verfolgen.

Die Meisterschafts-Formel

„Jetz’ kenna ma Meister wer’n“, hieß es, nachdem das 0:0 beim letzten verbliebenen Verfolger feststand. Und ja, in diesem Moment, unter der Münchner Mitt-Fünfziger-Tennis-Klientel, merkte man, dass in all der Frustration über Champions-League- und Pokalausscheiden, die Meisterschaft doch noch wahnsinnig viel bedeutet. Dass Karl-Heinz Rummenigges Zitat „Die Meisterschaft ist der ehrlichste Titel“ keine leeren Worte sind. Und dass es in München eine Logik gibt, auf der der Erfolg dieses Vereins basiert.

Die Grundformel aller Erfolge ist, entgegen der Meinung all derer, die in den frühen Meisterschaften der letzten Jahre eine Problematik sahen, dass es nur mit der Meisterschale eine großartige Saison geben kann. Den Beweis für diese These liefern die Jahre 2012 und 2013: Die Niederlage im Finale Dahoam war eine bittere Erfahrung, aber sie war nur der Gipfel des Frustrations-Eisbergs, dessen Fundament die an Dortmund verlorene Meisterschaft war. Der umgekehrte Fall 2013: Hätten die Münchner das Finale in Wembley nicht aus dem Bewusstsein heraus gespielt, dass Dortmund in der Liga klar geschlagen wurde, es wäre eine komplett andere Situation gewesen. Eine Saison mit Meisterschaft muss keine historisch erfolgreiche sein, aber eine historisch erfolgreiche Saison gibt es nicht ohne Meisterschaft.

Im Schatten der Schalen

Selbstverständlich würde jeder Bayern-Fan lügen, wenn er behaupten würde, dass sich die Meisterschaft 2013, nach zwei erfolglosen Jahren, nicht euphorischer angefühlt hat als die Meisterschaft 2017. Aber es ging in München ohnehin nur in sehr speziellen Situationen der Vereinsgeschichte (siehe 2013) darum, die Meisterschaft zu gewinnen. Vielmehr verschaffte man sich innerhalb der letzten 50 Jahre so häufig einen so großen Vorsprung, dass zweite, dritte oder vierte Plätze sowohl in der öffentlichen als auch in der eigenen Wahrnehmung als Niederlagen zählten.

Ohne Meisterschaft wäre die Saison 2016/17, wie so manche vor ihr, als Niederlage in die Geschichte eingegangen. Doch dank einer Saison, in der die Mannschaft zwar manchmal taumelte, aber nie kurz davor war zu fallen, wird man die 2010er-Jahre als die erfolgreichsten in der Vereinsgeschichte im Kopf behalten. Der Blick zurück wird zeigen, dass fünf (oder mehr) Meisterschaften in Folge eine herausragende und vielleicht unübertreffbare Leistung sind.

Und die vergilbte Fahne in der Widenmayerstraße wird auch in der nächsten Saison wieder tagein, tagaus vor sich hin wehen. Die Meisterschaft 2017 wird den Besitzer wohl kaum genug in Euphorie zu versetzen, um sich eine neue anzuschaffen. Für die ganz großen Investitionen wird es weiterhin die ganz großen Würfe und die ganz großen Trophäen brauchen. Aber diese werden, historisch gesehen, immer im Schatten der Meisterschalen stehen.

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  1. Danke dafür, auf den Punkt.

  2. Mir aus der Seele gesprochen!! :-)

  3. Danke für diesen Kommentar!!

  4. Wisst ihr wo heute auch kein Autokorso war? Auf dem Borsigplatz! Wenn andere Leute nicht mehr anders feiern können, als sich über fehlenden Enthusiasmus der Bayernfans lustig zu machen. Dann ist die Welt in Ordnung. Dann ist das gut so.

    Auf die nächsten 5 Jahre Meisterschaft. Auf die nächsten 5 Jahre Tristesse in der Bundesliga.

    Gönn ich mir.

    Antwortsymbol5 AntwortenKommentarantworten schließen
    1. Als in Dortmund lebender Bayern Fan ich das bestätigen. Es war auch niemand auf den Straßen um zu jubeln.

      Ich würde mich über ein wenig mehr Konkurrenz freuen. Sonst werden wir zwar immer Meister, aber haben auch nur zwei spannende Spiele pro Jahr in der Buli. Und wahrscheinlich fliegen wir dann wieder in der CL gegen ein spanisches Team raus weil wir nicht oft genug auf höchstem Niveau geprüft werden.

      1. @Fabian: Das Argument höre ich häufiger! Dann erkläre mir bitte, warum es plötzlich mit dem CL-Sieg klappen soll, wenn es statt 2 spannenden Spielen im Jahr 4 oder 6 Spiele gibt, die auf Augenhöhe stattfinden würden.
        Ich halte das Argument für Augenwischerei und für überheblich, es ignoriert den enormen Aufwand, den unser FCB jetzt bereits in jeder Saison auf’s Neue leisten muss, um nach 34 Spieltagen ganz oben zu stehen.
        Klar ist die BL nicht mit den KO-Runden zu vergleichen, aber wir haben es mit der Situation zu tun, dass in der BL gegen uns jeder Gegner an seine Leistungsgrenzen und noch darüber hinaus geht, unterschiedliche Taktiken versucht werden, und noch höhere Anforderungen an Motivation und Mannschaftsführung zu stellen sind, als in der CL. Wenn ich in dieser Situation nicht jedes Spiel ernst nehme, werde ich auch in der CL nicht weit kommen. Unabhängig davon, ob ich in der Liga es mit 1, 2 oder 5 gleichwertigen Gegnern zu tun habe!

      2. Erst durch das Messen mit gleich guten oder besseren Mannschaften steigert man seine eigene Leistung. Spiele ich immer mit Amateuren (bildhaft), dann werde ich nie gefordert und bleibe auf dem Level stehen. Das Training ist kein Ersatz für den Wettkampf. Darum kann eine starke Bundesliga nur der Weiterentwicklung der eigenen Klasse dienen. Typisches Beispiel für diese These sind die Niederländischen Eisschnellläufer. In ihren Leistungszentren konzentrierten sie die besten Sportler und trieben sich so gegenseitig zu Spitzenleistungen.

      3. @KM: Ich weiss, Du hast es bildhaft gemeint, aber die Konkurrenz in der BL mit Amateuren zu vergleichen, ist für mich wie der Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Bestenfalls unglücklich. Und eine Einzelsportart, bei der es auch noch auf eine einzige Fähigkeit ankommt, zum Vergleich heranzuziehen, hinkt gewaltig, wie ich finde. Das überzeugt mich nicht! Einzig lasse ich gelten, das man bei starker Konkurrenz in der Liga noch wachsamer sein muss, um keine Punkte zu verschenken.

        Sich aber in den Spielen gegen DO, Leverkusen oder ein starkes RB oder Schalke die CL-Stärke antrainieren zu wollen, klappt sicher nicht! Das muss alles da sein, und zwar aus den zahlreichen Spielen gegen die anderen 14, 15 Mannschaften, die auf ihre Art eben auch eine Herausforderung darstellen.
        Sicher stellen die Top-Mannschaften der BL eine Art Gradmesser da, aber die Spiele gegen sie können bestenfalls ein Fingerzeig sein…in der CL in den KO-Spielen muss auf den Rasen gebracht werden, was sich in der Liga als Grundlage erarbeitet wird. Ein Sieg oder eine Niederlage gegen DO ändert daran nichts; und konzentriert sollte ich als FCB auch in die Spiele gegen die vermeintlich schwächeren Gegner gehen, die nur allzuoft Stolpersteine darstellen und viel eher ein Grund für Titelverluste sind, als ein verlorenes Match gegen einen der Vereine auf Augenhöhe.

      4. @ Osrig: Was Fabian, glaube ich, gemeint hat – und dem stimme ich zu – ist, dass sich z.B. Real in der spanischen Liga (und meistens auch im spanischen Pokal) jede Saison mit zwei anderen Mannschaften messen muss, die Dauergäste im CL-Halbfinale sind: Barca und Atléti. Dazu kommt meistens noch ein Team, das eine besonders gute Saison spielt (dieses Jahr Sevilla, in anderen Jahren Valencia). Dass die kleineren Mannschaften gegen Real alles geben, ist ohnehin klar.
        Wir hingegen haben in den letzten Jahren keinen nationalen Konkurrenten auf CL-Halbfinal-Niveau. In dieser Saison war durch den Umbruch in Dortmund ein Aufsteiger, der noch nie international gespielt hat, der härteste Wettbewerber.
        Das schmälert nicht unsere Leistung, die Meisterschale geholt zu haben. Aber es ist ein Nachteil in den entscheidenden Spielen in der CL, weil wir Wettbewerbssituationen auf diesem Niveau zu selten ausgesetzt sind.

  5. Also im Audi Dome bei Uli wurde die Meisterschaft sehr enthusiastisch gefeiert inklusive Polonaise vom Präsidenten selbst angeführt!
    und wer sich fragt was das war: bei der JHV durften damals net alle Mitglieder rein und als Wiedergutmachung gabs den perfekten Abend gestern inklusive kostenlosem Meistershirt :)

  6. @Osrig

    So ist es. Und über mangelnde Konkurrenz können sich die englischen Teams ja auch nicht beschweren. Wie die jedes Jahr abschneiden, sieht man.

    Antwortsymbol1 AntwortKommentarantworten schließen
    1. Der Vergleich mit der Premier League ist nicht so glücklich.
      Erstens ist es so, dass man in England ganz einfach viel mehr Spiele zu bestreiten hat als in Deutschland (größere Liga, Ligapokal und Pokal). Da ist es nachvollziehbar, dass es in den europäischen Bewerben mal an Kraft fehlt.
      Zweitens haben die Premier League-Teams erst in den letzten Jahren begonnen, den Taktik-Rückstand, den sie durch das Trainer=Manager-System hatten, aufzuholen. Man hat das Geld in letzter Zeit nicht nur in teure Spieler gesteckt, sondern auch in gute (wahrscheinlich die besten) Trainer (Conte, Mou, Guardiola, Klopp, …). Die brauchen natürlich eine Weile, bis sie die schlecht zusammengestellten Kader umgebaut haben.
      Es ist meiner Ansicht nach nur eine Frage der Zeit, bis die Premier League-Teams in der Champions League eine deutlich bessere Rolle spielen als derzeit. Das wird – leider – auch auf unsere Kosten gehen.

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