Thomas Müller 710: Tiefpunkt gegen Atlético

Maurice Trenner 04.09.2024

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Nach dem schmeichelhaften Weiterkommen gegen Benfica im Viertelfinale, erwartete die Bayern-Delegation in Nyon die Auslosung der Vorschlussrunde des Europapokals mit großer Spannung. Im Lostopf lagen die beiden absoluten Hammerlose Real Madrid und Manchester City, sowie der vermeintlich leichteste Gegner, das „ekelhaft“ zu bespielende Atlético Madrid von Diego Simeone.

Für Trainer Pep Guardiola stand viel auf dem Spiel. In seiner letzten Saison an der Isar wollte es der Coach seinen Kritikern beweisen und endlich auch auf internationalem Parkett einen Erfolg feiern. Schließlich hatte man ihn dafür vor drei Jahren in die bayerische Landeshauptstadt geholt.

Am Ende fiel das Los mit Atlético auf die Mannschaft, die den Titelverteidiger Barcelona im Halbfinale ausgeschalten hatte. Doch während man offiziell Zurückhaltung mahnte, dürfte sich die Führungsriege innerlich gefreut haben den beiden Schwergewichten aus dem Weg gegangen zu sein. Vor allem auch, weil man das Rückspiel in der heimischen Arena bestreiten durfte.

Das Hinspiel in Madrid war der erwartet harte Kampf. Angetrieben von einer fast frenetischen Menge, zusätzlich angestachelt von einem nicht minder feurigen Diego Simeone, wurden die neunzig Minuten im Vincente Kalderon zur intensiven Partie. Und dann trat der Worst-Case ein: Nach elf Minuten traf Saul Niguez zum Führungstreffer. Doch wer in der Folge einen Zusammenbruch der Gäste befürchtete, konnte erleichtert aufatmen. Bayern dominierte die Partie, doch die gefährlichen Angriffe gehörten den Hausherren. Am Ende ging es ohne das erhoffte Auswärtstor mit einem 0:1-Rückstand in das Rückspiel.

Kleine Seitennotiz: Das von van Gaal proklamierte „Müller spielt immer“ galt unter Guardiola nicht, der sich teilweise schwertat den Freigeist in sein System einzubinden. Auch in Madrid saß der heutige Rekordmann nur auf der Bank und wurde erst nach 70 Minuten eingewechselt.

Im Rückspiel allerdings durfte Thomas Müller von Beginn an auflaufen. Die Mannschaft an seiner Seite präsentiert fast den Höhepunkt der Pep-Zeit in München, und die Partie sollte ebenso den spielerischen Gipfel der Guardiola-Ära darstellen. Von Beginn an spielten die Münchner wie entfesselt, aber strukturiert nach vorne. Eine frühe Führung schien überfällig, mal um mal scheiterte man aber am überragend aufgelegten Jan Oblak im Tor der Gäste. Erst ein ruhender Ball nach einer knappen halben Stunde sorgte für den Treffer der Münchner. Der im Spiel überragende Maestro Xabi Alonso zielte einen Freistoß ins rechte Eck, der von der Mauer jedoch unhaltbar abgefälscht wurde.

Die Allianz-Arena bebte. In den Highlights sieht man wie Arturo Vidal die Menge auffordert: „Vamos!“ Genau jetzt soll diese Partie kippen. Und dann kam der Moment des Spiels, denn nur drei Minuten später hielt Gimenez im Sechzehner Javi Martinez nach einer Ecke fest und Schiedsrichter Cakir zeigte auf den Punkt. Im Stadion gab es zu diesem Zeitpunkt kein Halten mehr. Dieser Elfmeter würde die Münchner fast direkt ins Finale schießen – so zumindest die Erwartungshaltung im Rund.

Nun war Thomas Müller in der Saison 2015/16 der etablierte Elfmeterschütze, wobei auch Vidal, Lewandowski und Robben bereits Elfmeter erfolgreich verwandelten. In der Vorsaison wurde Müller mit seiner speziellen Technik, die in den Worten „der hat den Torwart ausgeschaut“ zu beschreiben ist, und dank perfekter Quote zum Stammschützen. In der aktuellen Saison hatte Müller hingegen sowohl im Europapokal gegen Zagreb als auch im Pokal gegen Bochum und in der Liga gegen Mainz verschossen. Die spezielle Verzögerungstaktik im Anlauf des Nationalspielers hatten die Torhüter mittlerweile auf dem Schirm. So war seine Quote in der Saison nur bei sieben aus zehn erfolgreichen Strafstößen.

Doch Thomas Müller wäre nicht der Spieler der er ist, wenn er nicht Verantwortung übernehmen würde. Er legt den Ball sorgsam auf den Punkt, geht ein paar Schritte zurück und läuft dann in typischer Müller-Manier an. In dem Moment, in dem er verzögert und der Torwart eigentlich in eine Ecke springt, bleibt Oblak aber… er bleibt einfach stehen. Der Schuss von Müller, der eigentlich nur noch ins leere Eck schießen wollte, kommt halbhoch, viel zu langsam und deutlich zu mittig. Ein Traum für jeden Keeper. Oblak hält. Müller zuckt zusammen. Die Arena verstummt für eine Sekunde.

Müller tritt an und die Arena hält den Atem an.
(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Die Stimmung und der Glaube an das Finale waren verflogen. Zwar stürmten die Münchner weiterhin mit allen Mitteln an, doch es war Atlético das zu Beginn der zweiten Halbzeit traf. Der 2:1-Siegtreffer von Lewandowski kam zu spät. Am Ende standen die Münchner bei 33 Torschüssen, 10 Chancen und über 70% Ballbesitz. Das größte Feuerwerk, das eine Bayern-Mannschaft unter Guardiola auf diesem Niveau je abgebrannt hatte, war am Bollwerk von Simeone und seinem Torwächter Oblak abgeprallt. Die Vergoldung der Zeit unter dem katalanischen Trainer in Form eines Henkelpotts fiel aus.

Für Thomas Müller markierte dieser Elfmeter auch einen Einschnitt. Lewandowski löste ihn als Elfmeterschütze ab und Müller trat nur noch zu fünf weiteren Strafstößen im Dress der Münchner an. Von diesen verwandelte er vier. Den letzten bis heute am 01. Dezember 2020 – gegen Jan Oblak.

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