Miasanrot Stats Corner: Wirkung eines Trainerwechsels

Lukas Trenner 01.04.2023

Lohnen sich Trainerwechsel – ein Blick auf die Top-5-Ligen

Die Hälfte aller Trainer in den großen 5 europäischen Ligen ist nicht mehr als 25 Spiele im Amt. Selbst ohne klare Interimslösungen mitzuzählen, steigt diese Zahl nur auf etwas über 30 Spiele pro Trainer. Auch in der Bundesliga mit ihren nur 34 Spieltagen würde sich ein Trainer im Schnitt also nicht einmal für eine ganze Saison beim selben Verein halten können.

Während manche Verträge schlicht zum Ablaufdatum nicht verlängert werden oder man sich im gegenseitigen Einvernehmen zum Saisonende auf eine Auflösung der Arbeitspapiere einigt, werden ca. 44% der Trainer noch während der laufenden Saison ausgetauscht. Dies geschieht zumeist in viel zitierten Ergebniskrisen, um die gesteckten Ziele der Saison doch noch erreichen zu können. Aber kann eine Veränderung auf der Trainerposition unmittelbar Auswirkungen auf den Erfolg einer Mannschaft haben?

Messen der Wirkung eines Trainerwechsels

Um diese Frage beantworten zu können, haben wir sämtliche Trainerwechsel in den großen fünf europäischen Ligen über einen Zeitraum von 30 Jahren unter die Lupe genommen.

Zu Beginn oder zum Ende einer Saison gibt es viele weitere Einflussfaktoren und vertragliche Überlegungen, außerdem ist alleine durch die Sommerpause bereits eine große Auswirkung auf die Leistung einer Mannschaft zu erwarten. Daher ignorieren wir in dieser Analyse Trainerwechsel an den ersten und letzten drei Spieltagen einer Saison. Des weiteren interessieren uns nur Trainer, welche bereits mindestens 5 Spiele im Amt sind.

Übrig bleiben nun 1052 Trainerwechsel in den großen fünf Ligen (Premier League, La Liga, Bundesliga, Serie A und Ligue Un). Folgende Grafik zeigt die durchschnittlichen Punkte pro Spiel über ein Fenster von insgesamt 7 Spielen. In den rot abgebildeten Spielen, fand nach dem mittleren Spiel ein Trainerwechsel statt. Blau zeigt den Punkteschnitt, wenn der Trainer nicht gewechselt wurde:

Es zeigt sich zunächst, dass die Ergebnisse vor Trainerwechseln im Schnitt erwartungsgemäß deutlich schlechter ausfallen. Dies betrifft nicht nur das letzte Spiel, sondern häufig auch frühere Ergebnisse. Das letzte Spiel war also häufig nur der sprichwörtlich letzte Tropfen, welcher das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Direkt nach dem Trainerwechsel schnellt der Punkteschnitt jedoch wieder fast bis auf den generellen Durchschnitt nach oben.

Dieses Ergebnis bestätigt sich auch bei der Betrachtung anderer Metriken. Vergleichen wir den Punkteschnitt der 10 Spiele vor einem der erwähnten 1052 Trainerwechsel mit dem der 10 Spiele danach, zeigt sich, dass sich dieser in über 70% der Fälle verbessert.

Trainerwechsel führen kurzfristig zu besseren Ergebnissen

Es wird also deutlich, dass das bloße Austauschen des Cheftrainers direkte positive Auswirkung auf die Ergebnisse der Mannschaft zu haben scheint.

Eine genaue Erklärung für das „warum?“ können uns die Zahlen nicht liefern. Auch ein direkter kausaler Zusammenhang ist nicht bewiesen. Über mögliche Erklärungen wird in der Presse des öfteren spekuliert. So könnten Spieler beispielsweise versuchen, den neuen Trainer zu beeindrucken, um ihren Platz in der Startaufstellung zu verteidigen, und somit mit höherer Motivation als zuvor zu Werke gehen.

Unabhängig von den Gründen ist der Effekt jedoch nicht von der Hand zu weisen und erklärt zumindest teilweise, weshalb der Trainerwechsel weiterhin ein sehr beliebtes Instrument für viele Vereine für die kurzfristige Ergebniskorrektur darstellt.

Trainer beim FC Bayern

Auch beim FC Bayern scheint diese Erkenntnis grundsätzlich angekommen zu sein. Werfen wir einen Blick auf die Trainerhistorie der letzten 30 Jahre, sehen wir hier viel Bewegung. Seit der Saison 1993/94 gab es 16 Trainerphasen (und 13 verschiedene Trainer) beim FC Bayern, welche länger als 5 Spieltage anhielten.

Folgende Grafik zeigt die durchschnittlichen Tore und Gegentore, sowie die Punktzahl in der Bundesliga aufgeschlüsselt nach den jeweiligen Trainern:

Aus dieser Abbildung lassen sich einige spannende Trends erkennen:

  • die sensationellen Leistungen unter Jupp Heynckes von 2011 bis 2013 sowie der rekordverdächtige Punkteschnitt während seiner zweiten Amtszeit zwischen 2017 und 2018;
  • die beeindruckende Defensivleistung unter Jupp Heynckes und Pep Guardiola – sowie auch der Fakt, dass unter den letzten drei Trainern im Schnitt stets mehr als ein Tor pro Spiel zugelassen wurde;
  • die starke Fokus auf die Offensive unter Hansi Flick und Julian Nagelsmann;
  • der relativ starke Rückgang des Punkteschnitts unter Niko Kovač und Julian Nagelsmann im Vergleich zu ihren Vorgängern.

Trainerwechsel beim FC Bayern

Von den 16 Trainerphasen, endeten ganze 7 (und somit fast die Hälfte) unterjährig im Lauf der Saison. Folgendes Schaubild visualisiert diese Phasen und ergänzt sie um Informationen zum Punkteschnitt der letzten 10 Spiele sowie zum Zeitpunkt des Wechsels:

Die eingefärbten Trainerphasen zeigen, dass es den Bayern seit Ottmar Hitzfeld zur Jahrtausendwende nicht mehr gelang, den Trainer für mehr als drei Saisons konstant zu halten. Auch zeigt sich durch den abgetragenen 10-Spiele-Punkteschnitt, dass Trainerwechsel während der laufenden Saison (rote Punkte) wenig überraschend in der Regel nach schwächeren Phasen stattfinden.

Ebenfalls offenbart der Punkteschnitt den rasanten sportliche Aufstieg unter Louis van Gaal und Jupp Heynckes. Auch lässt sich vermutlich ein leichter aber mehr oder weniger konstanter Rückgang seit dem Höhepunkt Ende 2013 erkennen. Vor dem Hintergrund der Julian Nagelsmann vorgeworfenen fehlenden Konstanz ist auch interessant, dass es nur vier Trainer gab, unter welchen die Bayern 10 Spiele in Folge gewinnen konnten: Felix Magath, Jupp Heynckes, Pep Guardiola und Hansi Flick.

Zoom in die letzten unterjährigen Trainerwechsel

Trainerwechsel lassen sich generell grob in drei Kategorien aufteilen:

  • Trainer, welche direkt nach der Sommerpause starten (z.B. Julian Nagelsmann 2021);
  • Trainer, welche interimistisch für einige Spieltage übernehmen (z.B. Willy Sagnol 2017);
  • Trainer, welche noch während der laufenden Saison übernehmen (z.B. Thomas Tuchel 2023).

Für die Beurteilung des aktuellen Trainerwechsels ist die letzte Kategorie sicherlich die interessanteste. Für eine Bewertung der einzelnen Wechsel wiederum lassen sich unterschiedliche Kriterien – je nach betrachtetem Zeithorizont – heranziehen. Als einen kurzfristigen Effekt könnten sich die Vereins-Verantwortlichen eine Steigerung der Punkteausbeute erhoffen. Mittelfristig stehen insbesondere beim FC Bayerns vor allem Titel im Fokus. Für eine Beurteilung der Nachhaltigkeit des Wechsels schließlich, können wir den langfristigen Verbleib des jeweiligen neuen Trainers analysieren.

Im Folgenden haben wir uns die großen Wechsel der letzten Jahre, welche noch im Laufe des Saison stattfanden und somit in die dritte Kategorie fielen, genauer angesehen:

Wechsel von Felix Magath zu Ottmar Hitzfeld (2006/07, Spieltag 19)

Nach Ottmar Hitzfeld (204 Bundesligaspiele) und Pep Guardiola (102 Bundesligaspiele), konnte sich Felix Magath in den letzten 30 Jahren am längsten als Trainer beim FC Bayern halten. Insgesamt kam er auf 87 Spiele in der Bundesliga. Nach zwei sehr erfolgreichen Jahren startete die Mannschaft durchwachsen in Magaths drittes Jahr, was diesen nach einem frühen Ausscheiden aus dem Pokal und dem zwischenzeitlichen 4. Platz in der Liga schließlich den Job kostete. Sein Vorgänger Ottmar Hitzfeld übernahm die Verantwortung, konnte jedoch keinen entscheidenden Einfluss auf die gezeigte Leistung nehmen. Diese Saison markiert die bisher letzte Saison, in welcher sich der FC Bayern nicht für die Champions League qualifizieren konnte. Auch dank Investition einer Rekordsumme in neue Zugänge konnte Hitzfeld in der Folgesaison den souveränen Gewinn der Meisterschaft feiern.

Kurzfristige Wirkung
Punkteschnitt der letzten und folgenden 10 Spiele & Trend
1,8
(⮕)
1,9
(⬈)
Mittelfristige Zielerreichung
Tabellenplatzierung & sonstige Titel
Platz 4
Platz 4
Langfristige Perspektive
Verweildauer des neuen Trainers
17 Monate
49 Spieltage
Wechsel von Felix Magath zu Ottmar Hitzfeld (2006/07, Spieltag 19)

Wechsel von Carlo Ancelotti zu Jupp Heynckes (2017/18, Spieltag 6)

Relativ zu Beginn der Saison 2017/18 trennten sich die Bayern nach einer 0:3 Niederlage gegen Paris SG von Carlo Ancelotti und Jupp Heynckes konnte überzeugt werden, kurzfristig an die Säbener Straße zurückzukehren. Die Leistungen stabilisierten sich und der FC Bayern konnte den sechsten Meistertitel in Folge einstreichen. Das Rückspiel gegen Paris konnte mit 3:1 gewonnen werden und man scheiterte erst im Halbfinale an Real Madrid. Auch wenn der FC Bayern lange auf einen Verbleib von Jupp Heynckes hoffte – so lange, dass Thomas Tuchel letztlich nicht mehr verfügbar war – blieb Heynckes bei seiner Entscheidung, zum Ende der Saison den Trainerstab weiterzugeben. Niko Kovač übernahm die Mannschaft zur folgenden Saison.

Kurzfristige Wirkung
Punkteschnitt der letzten und folgenden 10 Spiele & Trend
2,3
(⬊)
2,7
(⮕)
Mittelfristige Zielerreichung
Tabellenplatzierung & sonstige Titel
Platz 3
Platz 1
Langfristige Perspektive
Verweildauer des neuen Trainers
9 Monate
27 Spieltage
Wechsel von Carlo Ancelotti zu Jupp Heynckes (2017/18, Spieltag 6)

Wechsel von Niko Kovač zu Hansi Flick (2019/20, Spieltag 10)

Nach einer 1:5 Niederlage bei seinem vorherigen Arbeitgeber Eintracht Frankfurt und nur auf Platz 4 liegend, trennte sich der FC Bayern im November 2019 von Niko Kovač. Der langjährige Co-Trainer der Nationalmannschaft Hansi Flick übernahm die Mannschaft und führte sie überraschend zum Gewinn sämtlicher Wettbewerbe und konnte so nach Jupp Heynckes das zweite Triple der Vereinsgeschichte sicherstellen.

Kurzfristige Wirkung
Punkteschnitt der letzten und folgenden 10 Spiele & Trend
1,8
(⬊)
2,4
(⬈)
Mittelfristige Zielerreichung
Tabellenplatzierung & sonstige Titel
Platz 4
Platz 1
UCL + Pokal Sieg
Langfristige Perspektive
Verweildauer des neuen Trainers
20 Monate
58 Spieltage
Wechsel von Niko Kovač zu Hansi Flick (2019/20, Spieltag 10)

Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel (2022/23, Spieltag 25)

Für viele Beobachter überraschend wurde Julian Nagelsmann zum 24. März 2023 freigestellt. Nachdem man sich fünf Jahre zuvor knapp verpasste, konnte Thomas Tuchel als Trainer gewonnen werden. Trotz nur wenig Vorbereitungszeit wird man von ihm erwarten, die Konstanz der Ergebnisse zu steigern, die Meisterserie in der Bundesliga fortzusetzen und idealerweise auch die hohen Investitionen in die Mannschaft in internationalen Erfolg umzumünzen. Ob ihm das gelingen kann, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.

Kurzfristige Wirkung
Punkteschnitt der letzten und folgenden 10 Spiele & Trend
1,8
(⮕)
?
Mittelfristige Zielerreichung
Tabellenplatzierung & sonstige Titel
Platz 2?
Langfristige Perspektive
Verweildauer des neuen Trainers
?

Die kleine Stichprobe, auf deren Grundlage wir unsere Überlegungen angestellt haben, erlaubt keine verallgemeinernde Schlussfolgerung. Unser initiales Ergebnis, nach welchem wir grundsätzlich eher eine positive Veränderung nach einem Trainerwechsel erwarten würden, wird jedoch auch hier nicht widerlegt.

Fazit

Ein reiner Blick auf die Zahlen macht die Entscheidung des FC Bayerns zur Vollziehung der Trennung von Julian Nagelsmann zumindest nachvollziehbar, wenn nicht sogar konsequent. Ob sich die Wahl des Zeitpunkts und Nachfolgers im Nachhinein als glücklich herausstellen wird, werden die kommenden Wochen zeigen. Nimmt man die Entscheidungen der letzten Jahre als erste Indikation, ist ein gewisses Vertrauen in die Verantwortlichen aber denke ich nicht ganz unangebracht. Eines zeigt sich jedoch ziemlich deutlich: beim FC Bayern steht kurzfristiger Erfolg über allem. Hierfür wird im Zweifel auch schnell ein „Langzeitprojekt“ beendet.

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