Miasanrot-Awards: Leihspieler der Saison 2020/2021
Top (Gelungene Leihen oder eingelöste Versprechen)
Lukas Mai – Die Konstante
Der junge, hoch veranlagte Innenverteidiger war unter Markus Anfang von Beginn an Stammkraft in der zweiten Bundesliga. Benötigte er anfangs noch eine gewisse Eingewöhnungszeit, kam er doch relativ gut rein und wusste vor allem in der Rückrunde zu überzeugen. Vor allem die Antizipation um gegnerische Angriffe abzufangen und sein Passspiel stachen heraus. Letzteres war schon seit Jugendzeiten ein herausragendes Merkmal bei Mai, der vor allem bei Deutschlands U17 bemerkenswerte Leistungen zeigte und so damals einem breiteren Publikum bekannt wurde. Auch körperlich schlug er sich in dieser intensiven Liga wacker und ließ sich sein Alter nur selten anmerken. Drei Verbesserungspotenziale sehe ich noch beim jungen Innenverteidiger: Erstens, das Timing beim Tacklingversuch, was teilweise noch etwas fehlerhaft ist und effizienter werden muss. Zweitens, Mais Kopfballspiel. Er ist ein groß gewachsener Innenverteidiger und sollte meiner Meinung nach noch dominanter in Luftduellen auftreten. Das dritte und wohl größte Manko ist seine Endgeschwindigkeit bzw. Beweglichkeit. Gegen kleine und wendige Spieler hatte der Spieler hier und da doch arge Probleme. Die zwei erstgenannten Punkte würden sich wohl durch Spielpraxis und gutes Coaching ausbügeln lassen.
Alles in allem war es eine gute Saison vom jungen Verteidiger, in der er konstant viele Minuten spielte und reichlich Erfahrung sammeln konnte. Es war seine erste Station außerhalb des FC Bayern und dafür schlug sich das Talent wirklich wacker. Durch sein ausgewogenes Skillset kann ich mir Mai auch bei einem Verein vorstellen, der primär eine Dreierkette spielen lässt. Eine weitere Leihe in die 2. Bundesliga zu einem der ambitionierten Vereine wäre eine gute Idee. Betrachten wir die Spielphilosophie einiger Vereine, empfinde ich einen Klub wie Holstein Kiel als ideale Station für die weitere Entwicklung. Auch hier wäre aber der Knackpunkt: Spielzeit, Spielzeit, Spielzeit.
Chris Richards – Die Überraschung
Nun kommen wir wohl zur einer der erfolgreicheren Leihen in diesem Artikel. Chris Richards wechselte im Winter leihweise zur TSG Hoffenheim und war dort mit seinem vorherigen Trainer Sebastian Hoeneß wieder vereint. Der US-Amerikaner war auf Anhieb Stammkraft in der Mannschaft und zeigte zumeist gute Leistungen in der Dreierkette.
Richards feierte letzte Saison sein Bundesligadebüt am 33. Spieltag gegen den SC Freiburg. Auch anfangs der jetzt vergangenen Saison gehörte er zum Kader der ersten Mannschaft und war am 3. Spieltag Teil der Startelf gegen Hertha BSC als Rechtsverteidiger. Er steuerte eine Vorlage in dieser Partie bei, in der Lewandowski ein Viererpack gelang. Danach kehrte Benjamin Pavard zurück und Richards fand auf der Bank oder bei den Amateuren seinen Platz wieder. In seinen wenigen Einsätzen zeigte der Verteidiger dennoch, dass er auf diesem Niveau mithalten kann. Bei der TSG verletzten sich mehrere Innenverteidiger und deshalb brauchte Hoeneß einen Neuzugang für die Defensive. Anfang Februar wurde dann Chris Richards per Leihe bis zum Sommer verpflichtet und der US-Nationalspieler fand sich direkt in der Startelf in seinem ersten Spiel im neuen Trikot der Kraichgauer. Zwar fiel er im darauffolgenden Wochenende gegen den BVB mit einer Blessur aus, jedoch absolvierte Richards danach bis Ende April jedes Spiel von Beginn an und überzeugte bei der TSG so sehr, dass Alexander Rosen laut “Sport1” Berichten sich bei den Münchnern Verantwortlichen wegen eines permanenten Transfers meldete. Am 31. Spieltag verletzte sich die Bayern-Leihgabe am Oberschenkel und fiel für die restlichen drei Ligaspiele aus.
Chris Richards spielte seinen Part in der Hoffenheimer Abwehr gut und war auch im Pressing als Halbverteidiger sehr aktiv. Er war gegen viele Spielertypen stabil im Zweikampf und verbesserte Technik beim Tackling. Richards war selten ungeduldig oder unnötig aggressiv gegen den Ball. Auch im Passspiel war eine stetige Entwicklung zu erkennen mit zunehmendem Selbstvertrauen. Bei Standardsituation verlor er mehr als nur einmal seinen Mann und zudem muss er im defensiven Drittel seine Räume etwas besser abdecken, wenn der linke Flügelverteidiger hoch spielt. Letzteres kann aber auch auf das für ihn neue System zurückzuführen sein, da Richards zuvor meistens in einer Viererkette agierte.
Durch das große Interesse einer festen Verpflichtung oder Verlängerung der Leihe, scheint ein Verbleib von Chris Richards bei der TSG Hoffenheim als realistisch. Womöglich kehrt der Verteidiger auch zum FC Bayern zurück und wird fester Teil des Kaders unter dem neuen Trainer Julian Nagelsmann, der wie Hoeneß, eine Dreierkette präferiert. Der Verteidiger würde sicherlich um seine Chance in München kämpfen, falls dies möglich ist. Wenn nicht, hätte er in Hoffenheim wohl wieder eine Option, die ihm gute Chancen auf viel Spielzeit bieten würde.
Fragezeichen (unklar oder Urteil unsicher)
Joshua Zirkzee – Der Pechvogel
Im Winter verließ das Stürmertalent den Verein leihweise Richtung Italien zu Parma Calcio. Der Leihvertrag war bis zum Sommer 2021 gültig und wurde mit einer 15 Millionen Euro teuren Kaufoption ausgestattet. Zirkzee konnte dem Verein im Abstiegskampf aber nur wenig helfen.
Der Junioren-Nationalspieler der Niederlande machte letzte Saison bei der ersten Mannschaft auf sich aufmerksam, als er gegen Freiburg nur wenige Momente nach seiner Einwechslung den erneuten Führungstreffer für die Bayern markierte. Im darauffolgenden Spiel gegen Wolfsburg schoss er kurz vor Ende der Partie ebenfalls das wichtige 1:0. Zirkzee benötigte für beide Tore nur knapp acht Minuten. Ende Februar verletzte sich Robert Lewandowski und verhalf Zirzkee somit indirekt zu seinem Startelfdebüt gegen die TSG Hoffenheim in dem er eine gutes Spiel zeigte und sich mit einem Tor belohnte. Insgesamt spielte der Stürmer 269 Minuten in der Bundesliga in denen ihm vier Tore gelangen.
Diese Leistungen, sowie die bei den Amateuren, weckten das Interesse von anderen Bundesligavereinen wie z. B. dem 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt für ein Leihgeschäft. Letztendlich blieb der Spieler vorerst in München und kam bis zur Winterpause auf 91 Minuten in der Bundesliga. Dies ruf den Parma Calcio auf den Plan, die zu diesem Zeitpunkt auf dem vorletzten Tabellenplatz in der Serie A standen und dringend neue Impulse benötigten. Im Abstiegskampf konnte der junge Niederländer sich jedoch leider nicht durchsetzen und zog gegenüber Andreas Cornelius und dem Routiniers Graziano Pellé den Kürzeren. Er kam bis März auf vier Einwechslung (insgesamt 108 Minuten) ohne Torbeteiligung und musste zwischendurch wegen einem Hexenschuss mehrere Wochen pausieren. Das Pech verfolgte ihn leider weiter und so zog sich Zirkzee Mitte März eine Bänderverletzung im Training zu und fiel somit für den Rest der Saison aus. Der Parma Calcio stieg aus der Serie A ab. Durch die hohen Ausgaben zuvor ist eine Festverpflichtung des Niederländers so gut wie ausgeschlossen.
Das Stürmertalent wird also höchstwahrscheinlich zum FC Bayern zurückkehren und muss zuerst seine Verletzung auskurieren. Dann ist es Zeit für die Verantwortlichen sich zusammen zu setzen und die weiteren Schritte von Zirkzee zu planen. Er ist ein schneller, dynamischer und großer Stürmer, der für einige Bundesligavereine eine Hilfe sein könnte. Auch über eine Leihe zu Feyenoord Rotterdam war letzte Saison schon zu lesen. Joshua Zirkzee ist erst 20 Jahre alt und benötigt konstante Spielpraxis, da diese in seinem Alter natürlich elementar wichtig ist für die Entwicklung. Von einem Robert Lewandowski kann man wohl im Training allein viel lernen, doch dieser verpasst normalerweise so gut wie keine Minute und somit müsste er größtenteils auf der Bank wieder Platz nehmen.
Mickaël Cuisance – Das (un)erwartbare Chaos
Nach einem durchwachsenen Jahr beim FC Bayern zog Cuisance per Leihe zu Olympique Marseille weiter. Bei den Münchnern konnte er sein unbestrittenes Potential nie wirklich zeigen und versuchte sich bei einem Champions-League-Verein in seiner französischen Heimat. Einstellung und Konstanz wurden aber auch hier zu den großen Stolpersteinen des Spielers.
Cuisance kam 2017 vom AS Nancy zu Borussia Mönchengladbach und wusste mit seiner Pressingresistenz und Kreativität am Ball sofort zu begeistern. Er wurde von Fans deshalb in seiner ersten Saison zum Spieler der Saison gewählt. In der darauffolgenden Spielzeit kam der ehemalige französische Jugendnationalspieler aber nur noch auf 268 Einsatzminuten in der 1. Bundesliga. Als logische Konsequenz drängte Cuisance nach der Saison 2018/2019 auf einen Abgang auf fragwürdige Art und Weise. Letztlich landete er beim deutschen Rekordmeister, da seine Fähigkeiten, trotz all der Bedenken, bekannt waren. In einem Kader, der zu dem Zeitpunkt Spieler wie z. B. Thiago, Kimmich und Goretzka im
Mittelfeld hatte, war sich das Talent bewusst, dass er wenig Spielzeit erhalten würde aber über das Training mit diesen Spielern sehr viel mitnehmen könnte. In einem Interview mit „Eurosport“ sagte der junge Franzose: „Ich bin gekommen, um zu beobachten. Wenn meine Zeit kommt, werde ich bereit sein und meine Qualitäten zeigen. Alles hat seine Zeit.“ Nach einem Jahr auf der Bank verlieh der FC Bayern den Mittelfeldspieler zu Olympique Marseille, inklusive Kaufoption von bis zu 18 Millionen Euro. Zuvor waren mit Leeds United schon alle Details geklärt, u. a. eine Ablöse von 20 Millionen Euro, jedoch scheiterte der Transfer am Medizincheck. Unter Villas-Boas konnte er anfangs mit guten Leistungen überzeugen, doch schnell setzte die Attitüde wieder ein und Cuisance fand sich vermehrt auf der Bank wieder. Als Anfang März Jorge Sampaoli neuer Trainer wurde, meinte Cuisance es habe endlich „Klick“ gemacht und äußerte seinen Wunsch bei OM zu bleiben. Kaum sechs Wochen später, war er Teil einer Gruppe von Spielern, die aus dem Training der ersten Mannschaft verbannt wurden. Dass Marseille die Kaufoption zieht, gilt daher als unwahrscheinlich.
Für Cuisance wäre es zu wünschen, dass er sich auf das Arbeiten auf dem Platz konzentriert und es wirklich „Klick“ macht. Die Saison bei Gladbach kam nicht von ungefähr und auch bei Jugendturnieren mit Frankreich stach er mit seiner tollen Technik und instinktiven Spielweise heraus. Man kann nur mutmaßen, wie es für ihn weitergeht, nach mittlerweile drei suboptimalen Jahren in Folge. Schafft es Julian Nagelsmann die Fähigkeiten aus Cuisance rauszukitzeln oder stehen die Zeichen auf Abgang? Vieles wird von ihm selbst abhängen und falls er wieder in alte Muster verfällt, würde mich ein permanenter Abgang spätestens 2022 wenig überraschen.
Flop (Nicht gelungen oder nicht eingelöstes Versprechen)
Adrian Fein – Die Ergänzung
Nach einem guten Jahr beim Hamburger SV sollte Fein den nächsten Schritt machen. Dieser führte ihn zum PSV Eindhoven in den Niederlanden, wo Roger Schmidt als Trainer zum Start der neuen Saison anheuerte. Auf dem Papier schien dies vom Fußball-Stil der Liga ein gutes Match zu sein, da in der Eredivisie oftmals technisch versierte und passstarke Mittelfeldspieler zu glänzen wissen. Leider ging die Rechnung für Adrian Fein aber nicht auf.
Er kam in der Liga nur selten zum Einsatz (404 Minuten) und auch in der Europa League stand er nur zwei Mal in der Startelf. Im Pokal kam er zu einem 25-minütigen Kurzeinsatz in der 2. Runde, sowie einer Einwechslung im Achtelfinale für knapp 12 Minuten. Seinen letzten Einsatz hatte der ehemalige U-Nationalspieler Anfang Mai, als er gut 20 Minuten gegen Willem II auf dem Platz stand. Fein schaffte es über keinen Zeitraum der Saison, an Neuzugang Ibrahim Sangaré und Eigengewächs Pablo Rosario vorbeizukommen.
Wie geht es für Fein nach einem verlorenen Jahr nun weiter? Ich halte ihn immer noch für einen talentierten Mittelfeldspieler, der eine solide Bundesligakarriere hinlegen kann. Ich gehe davon aus, dass es zu einer weiteren Leihe kommen wird und diese von beiden Parteien gewissenhaft gewählt werden sollte. Adrian wurde im März erst 22 Jahre alt, ihm stehen also noch alle Türen offen, jedoch ist er in einem Alter in dem Spielpraxis für die Entwicklung extrem wichtig ist. Eine Leihe zu einer ambitionierten Mannschaft aus der 2. Bundesliga klingt sinnvoll, da er dort deutlich höhere Chancen hätte auf viel Einsatzzeit.
Christian Früchtl – Der Zuschauer
Zum Abschluss blicken wir nochmal in die zweithöchsten Spielklasse des Landes und richten unseren Blick auf Nürnberg. Leider ist die Saison von Früchtl jedoch schnell skizziert.
Mit Robert Klauß trat ein junger Trainer im vergangenen Sommer den neuen Posten an und suchte einen starken Konkurrenten für den erfahrenen aber etwas schwächelnden Christian Mathenia. Die beiden Vereine verständigten sich somit auf eine Leihe bis zum Saisonende und Früchtl erhielt einige Vorschusslorbeeren von Nürnbergs Sportvorstand Dieter Hecking. Dieser sagte bei der Verpflichtung: „Christian ist der talentierteste und beste deutsche Torwart in seiner Alterklasse.“ Der Torhüter kam also mit großen Hoffnungen zum Club. Ende der Vorbereitung wurde aber klar, dass Routinier Mathenia das Rennen gewonnen hatte. So begann eine Saison zum Vergessen für Christian Früchtl. Er stand in keinem einzigen Pflichtspiel auf dem Platz. Die Leihe verlief denkbar schlecht und es ist klar, dass alle drei Parteien sich diese komplett anders vorgestellt hatten. Für die Nürnberger schlugen der Torhüter sogar Angebote aus, bei denen er international hätte spielen können, inklusive einer Garantie die Nummer eins im Tor gewesen zu sein, wie sein Berater „Goal“ berichtete.
Wie es mit Früchtl nun weitergeht ist schwierig zu sagen. Falls die Zeichen bei Nübel auf Abschied stehen, könnte er bei den Bayern im Torwartteam aufrücken, jedoch wird er auch hier eher kaum Minuten auf dem Platz erhalten. Eine weitere Leihe, bei der er wirklich garantiert die Nummer Eins zwischen den Pfosten ist, wäre sinnvoll. Mit 21 Jahren ist Christian Früchtl natürlich noch sehr jung für einen Torhüter, trotzdem sind Spielminuten das A und O für die Weiterentwicklung.
And the winner is…
Der US-Nationalspieler mag vielleicht auf höherem Niveau gute Leistung gezeigt haben, jedoch spielte er nur knapp 10 Spieler im deutschen Oberhaus über die volle Distanz (insgesamt 1.035 Minuten). Lasse Mai bestritt fast 30 Spiele über die vollen 90 Minuten (2.470 Minuten) in der 2. Bundesliga und ist, meiner Meinung nach, der verdiente Sieger dieses Awards. Der U21-Nationalspieler kam mit Verlauf der Saison immer besser rein und war wichtiger Bestandteil einer starken Rückrunde der Lilien.
Fazit
Für die zahlreichen Leihgaben lief es mal besser, mal schlechter. Beim Großteil hatten alle Parteien andere Vorstellungen, nur bei Lars Lukas Mai und Chris Richards kann man wohl von einer erfolgreichen Leihe sprechen. Zirkzee hatte zudem enormes Verletzungspech und konnte alleine deshalb wenig zeigen.
Es ist natürlich immer schwierig irgendwelche Prognosen für die nächste Saison anzustellen, jedoch kann ich mir gut vorstellen, dass es bei den meisten Spielern in dieser Liste mit einer sorgfältig gewählten Leihstation weiter nach vorne geht. So einfach ist es jedoch natürlich nie. Man weiß nicht, ob der Spieler fit bleibt oder es zu einem Trainerwechsel kommt, der nicht mehr auf die Bayern Leihgabe zählt. Nur bei Mickaël Cuisance habe ich Bedenken, ob er wirklich seine Einstellung geändert hat, wie er meinte. und sich nicht selbst im Weg steht. Das Talent hat der junge Franzose allemal. Es wird weiterhin spannend zu verfolgen sein, wie sich Talente aus den Akademien von einem Topklub wie dem FC Bayern entwickeln. Mal sehen, wo die genannten Spieler nächstes Jahr stehen…