Miasanrot-Awards 2023/24: FC Bayern – Defensivspieler der Saison: Eric Dier

Sophia Trenner 30.05.2024

Seit der Saison 1982/83 vergibt die NBA, die wohl bekannteste Basketballliga der Welt, die Auszeichnung zum Defensive Player of the Year. Dieses Jahr ziehen wir nach und ernennen zum ersten Mal einen Defensivspieler der Saison.

Während es bei seinen Mitspielern Leistungsausschläge sowohl nach oben als auch nach unten gab, wusste Eric Dier mit seiner Konstanz und Führungsqualitäten zu überzeugen. 

Unter dem 58-jährigen Ange Postecoglou, der zu Beginn der Saison 2023/24 das Traineramt bei Tottenham übernahm, spielte Eric Dier keine nennenswerte Rolle und verlor seinen Stammplatz an eine jüngere Generation. Lediglich vier Einsätze standen bis Ende Dezember auf dem Konto des Engländers, nur einmal absolvierte er die volle Spieldistanz über 90 Minuten (11.11.2023, 2:1 Niederlage gegen Wolverhampton).

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Zehn Mal stand Dier nicht mal im Spieltagskader und fand sich stattdessen zuhause vor dem heimischen Fernseher wieder. Selbst als Verletzungssorgen die Mannschaft aus dem Norden Londons plagten, änderte sich die Situation des langjährigen Leistungsträgers nicht. Angesprochen darauf, ob Tottenham einen Dier Abgang verkraften könnte, antwortete Postecoglou mit einem schlichten und doch eindeutigem „Ja“. 

„Es ist wie mit dem Stuhl im Wohnzimmer, den Sie seit neuneinhalb Jahren haben und den Sie nicht wertschätzen.“, illustrierte Dier seine Situation im Interview mit der englischen Zeitung The Times. Nach fast einem Jahrzehnt im weißen Trikot und 365 absolvierten Partien für die Spurs wurde er mit einer neuen Realität konfrontiert. Eine Zeit, die er im Nachhinein als die herausforderndsten sechs Monate seiner Karriere bezeichnete.

Im Angesicht der Umstände ist es umso beeindruckender, dass Dier weiterhin die Mentalität eines Vollprofis besaß, täglich trainierte und sich fit hielt, obwohl er laut eigener Aussage das Licht am Ende des Tunnels nicht sah, schließlich stand dem jungen Familienvater eine ungewisse Zukunft bevor. 

„Es ist in diesen Situationen ein reiner blinder Glaube. Weil Du nicht weißt, ob Du im Januar irgendwohin gehen kannst, wo es vielleicht nochmal passt.“ Eric Dier

FC Bayern München: Die Verpflichtung von Eric Dier

Es war der 11. Januar im noch jungen Kalenderjahr 2024, als der FC Bayern die Verpflichtung seines ersten Winterneuzugangs bekannt gab. Trotz lobender Worte des Sportdirektors Christoph Freund entstand schnell der Eindruck, dass Eric Dier aufgrund seiner defensiven Variabilität als Notlösung verpflichtet wurde.

Die vermeintliche Wunschlösung Radu Drăgușin wechselte, wie soll es auch anders sein, für 25 Millionen Euro von Genua nach Tottenham. Ein Spieler, der aufgrund seiner Schnelligkeit und Aggressivität perfekt zu dem vorherrschenden „Ange-Ball“ passen sollte, welcher in Retrospektive jedoch kaum zum Zug kam. 

Als Resultat einer kuriosen Verschachtelung aus Leihtransfer und fester Verpflichtung unterschrieb Dier in München ein Arbeitspapier mit Gültigkeit bis Saisonende, das die Option auf ein weiteres Jahr bis 2025 beinhaltete. Aufgrund der geringen finanziellen Belastung wurde Dier vor allem als risikofreie Ergänzung gesehen. Als echte Verstärkung für den FC Bayern wollte ihn niemand bezeichnen, die Skepsis gegenüber dem Bankdrücker war groß.

Eric Dier und Harry Kane: Gute Kumpels

Zudem konnte keiner den großen Elefanten im Raum übersehen: die enge Freundschaft zwischen dem Neuzugang und Harry Kane, der erst wenige Monate zuvor den Weg von London nach München fand. Böse Zungen behaupteten schnell, dass Dier nur verpflichtet wurde, um Starstürmer Kane die Integration zu erleichtern. Doch Dier brachte mehr nach München als nur englischen Tee für sich und seinen langjährigen Wegbegleiter.

Ein wichtiges Argument dürfte Diers wahrgenommene Variabilität gewesen sein. Denn obwohl seine letzten Pflichtspiele auf diesen Positionen bereits eine Zeit lang zurückliegen, beherrscht er neben seiner Stammposition in der Innenverteidigung auch die Rolle als Sechser vor der Abwehrkette und könnte zur Not auch als Außenverteidiger einspringen. Thomas Tuchel jedoch hatte einen klaren Plan vor Augen, denn er bezeichnete Dier auf der Pressekonferenz nach dessen Verpflichtung als „Spezialisten auf der Position des Innenverteidigers“, während Christoph Freund erneut unterstrich, dass Dier aufgrund seiner Erfahrung ein wertvoller Bestandteil der Mannschaft sein werde.

Tuchels Einschätzung sollte schneller geprüft werden, als wahrscheinlich selbst er es ahnte, denn Kim Min-jae spielte von Januar bis Anfang Februar mit der südkoreanischen Nationalmannschaft bei der Asienmannschaft und stand somit nicht zur Verfügung, Matthijs de Ligt kämpfte mit Verletzungsproblemen, die ihn immer wieder zurückwarfen, und Dayot Upamecano ließ die Stabilität in seinem Spiel stellenweise vermissen. Die Dienste des 30-jährigen Engländers wurden also schnell gebraucht.

Heimweh? I wo!

Nach nur wenigen Trainingseinheiten für seinen neuen Verein wurde Eric Dier ins kalte Wasser geworfen. Kein vorsichtiges Herantasten, keine behutsame Integration – die Dienste des Neuzugangs wurden am 24. Januar gegen Union Berlin (1:0 Heimsieg) sofort benötigt, denn der verletzte Dayot Upamecano musste zur Halbzeit ersetzt werden.

Ehrlicherweise wurde Dier im weiteren Spielverlauf nur wenig gefordert, dennoch wurde es ein gelungenes Debüt im Bayern-Trikot. Nicht sonderlich ruhmreich, dafür aber verlässlich. Ein Motto, welches symbolisch für die Rückrunde Diers steht. Cheftrainer Thomas Tuchel würdigte nach Abpfiff die spürbare Präsenz und Selbstvertrauen seines neuen Schützlings und schenkte Dier (gezwungenermaßen aufgrund der ausgedünnten Personalsituation) sein Vertrauen für den nächsten Spieltag.

Auswärts in Augsburg präsentierte Eric Dier sich routiniert und unaufgeregt. Der 49-malige englische Nationalspieler erledigte diszipliniert seinen Job und verteilte obendrein regelmäßig Anweisungen an seine Mitspieler, wovon der vor Dier spielende Youngster Aleksandar Pavlović sichtlich profitierte. Dier gewann all seine Zweikämpfe, acht seiner neun langen Bälle fanden ihrem Empfänger und auch eine Passquote von 95% fungierte als starke Bewerbung für mehr Spielzeit. Diese wurde ihm zuteil mit dem zweiten Startelfeinsatz im dritten Spiel gegen den vermeintlichen Angstgegner Borussia Mönchengladbach. Beim 3:1 Sieg präsentierte sich Dier im Zusammenspiel mit Matthijs de Ligt abermals stabil, strahlte vor allem die lange vermisste Sicherheit aus.

Miasanrot schrieb hierzu im Spielbericht:

„Auch Eric Dier überzeugte als Passgeber. Gerade seine weiten Verlagerungen waren dabei eine echte Augenweide. Überhaupt bestach Dier. Sei es durch punktgenaue Grätschen in höchster Not oder tollen Blocks. Er scheint ein weiteres Paradebeispiel dafür zu sein, wie sehr ein simpler Tapetenwechsel ungeahnte Kräfte in einem Routinier freisetzen kann.“ Miasanrot-Spielbericht

Eric Dier schlägt sofort beim FC Bayern ein

Als erste Anspielstation der Münchner im 2:1 Sieg gegen RB Leipzig Ende Januar konnte Dier nach Abpfiff die meisten Ballkontakte (109) vorweisen, sowie die meisten defensiven Aktionen (insgesamt sieben). Eric Dier bewies seine herausragende Übersicht im Spielaufbau und kurbelte das Spiel des FC Bayern merklich an. Am Mikrofon des Pay-TV-Senders Sky lobte Christoph Freund den Neuzugang und hob Diers Routine und Kommunikation hervor. Zwei Eigenschaften, die „der Mannschaft einfach gut“ täten.

Am 2. März erschien eine Meldung auf der FC Bayern Website, die besagte, dass Diers Vertrag sich automatisch um eine Saison verlängert hatte, aufgrund einer „gemeinsam vereinbarten Klausel“. Im Gespräch mit DAZN bestätigte Sportvorstand Max Eberl kursierende Gerüchte, dass die mysteriöse Klausel sich auf eine gewisse zu erreichende Einsatzzahl für den Rekordmeister bezog. Bezüglich der fälligen Ablöse existieren verschiedene Versionen, dem Vernehmen nach lag diese bei unterhalb von drei Millionen Euro. Genau wissen es nur die Beteiligten des Transfers. Diese reden zwar gerne und auch viel, hüllten sich aber bei dieser Thematik in Stillschweigen. 

Als Resultat seiner guten Leistungen fragte sich rund um den FC Bayern niemand mehr, ob der vor einigen Wochen noch als Platzhalter verschmähte Dier spielte. Stattdessen stand die Frage im Raum, wer den undankbaren Weg auf die Bank antreten müsste. Beim Rückspiel des Champions League Achtelfinales gegen Lazio Rom traf es Min-jae, während Matthijs de Ligt wieder einmal ein harmonisches Gesamtbild mit Dier abgab.

FC Bayern: Dier hat sich festgespielt

Im fulminanten 3:0 Heimsieg zeigten die „Halbbrüder“, wie Joshua Kimmich nach Spielschluss über die optische Ähnlichkeit der beiden witzelte, ein kompromissloses und solides Defensivverhalten. Besonders hervorzuheben ist die wichtige Rettungstat in der 12 Minute, als Eric Dier einen heranfliegenden Chipball in den Strafraum gut antizipierte und vor Ciro Immobile klärte. In der 35 Minute hatte Dier selbst die Möglichkeit, seinen Namen in die Torschützenliste einzutragen, als er nach einer stark ausgeführten Ecke zum Kopfball kam. Das darauf anschließende Machtwort von Thomas Tuchel überraschte somit niemanden: „Eric und Matthijs haben jetzt zwei Heimspiele bestritten und dort abgeliefert. Also bleiben sie in der Startelf.“ 

Aufgrund des Champions-League-Viertelfinales kehrte Dier früher als erwartet zurück nach England. Der Gegner? Der FC Arsenal, über Jahre hinweg ein erbitterter Rivale für den ehemaligen Tottenham Spieler. Im Hinspiel (9.4.2024) noch ausgebuht und mit Schmähgesängen verhöhnt bei jedem Ballkontakt, wendete sich das Blatt im Rückspiel (17.4.2024), als die Bayern Fans im Rücken der Mannschaft eine würdige Atmosphäre für solch ein wichtiges Spiel lieferten.

Beide Kulissen konnten Dier nicht von dessen Job ablenken. Trotz kleinerer Wackler zu Beginn beider Partien war er aufmerksam zur Stelle, sobald es brenzlig wurde, und hatte somit einen wichtigen Anteil am Erreichen des Halbfinales. Dier führte wichtige Zweikämpfe, beispielsweise eine perfekt getimte Grätsche gegen Gabriel Jesus oder eine klärende Strafraumaktion gegen den deutschen Nationalspieler Kai Havertz. Grund genug für Thomas Tuchel, auf der Pressekonferenz vor dem Bundesligaspiel gegen Eintracht Frankfurt einen Lobgesang auf seinen Innenverteidiger anzustimmen: „Er hat die Erwartungen absolut übertroffen!“

Ein unglückliches Saisonende für Dier

Schlussendlich endete die Saison auf einer persönlichen Ebene unbefriedigend für den Engländer. Nach einem Luftduell im Spiel gegen den VfB Stuttgart sackte er mit einer Platzwunde am Kopf zusammen und wurde anschließend behandelt, ehe er in der 28. Minute einen Schuss des Stuttgarter Stürmers Serhou Guirassy blockte und die Wunde erneut aufplatzte.

Mit einem dicken Turban schleppte Dier sich in die Halbzeit, wurde danach ausgewechselt. Tatenlos musste er zusehen, wie die Partie kippte und zwei späte Gegentore die Niederlage der Bayern besiegelte.

Der große Traum vom Champions-League-Finale in Wembley platzte wenig später im Rückspiel gegen Real Madrid wie eine Seifenblase, zudem konnte Dier am letzten Bundesligaspieltag gegen die TSG Hoffenheim bei den Gegentoren kaum etwas ausrichten.

Als Resultat rutschten die Bayern buchstäblich in letzter Sekunde auf den dritten Platz. Dennoch schmälern diese Umstände nicht die Leistung des Engländers. Der Abwehr-Allrounder wusste seine Chance zu nutzen und etablierte sich als großer Gewinner einer wackligen Defensive mit einer beachtlichen Selbstverständlichkeit. 

Die Zahlen von Dier

Zahlen sind in unserem Alltag allgegenwärtig: ob im Supermarkt, auf der Arbeit oder via Statistik-App beim Fußballschauen auf dem heimischen Sofa. Doch vermeintlich handfeste Statistiken sind mit Vorsicht zu genießen. Zahlen geben uns Hinweise, ermöglichen jedoch im Umkehrschluss nicht immer eine evidenzbasierte Bewertung. Beispielsweise sagt die Anzahl der gespielten Pässe nichts über deren Qualität aus oder in welcher Zone des Felds diese getätigt wurden. Dennoch wagen wir uns an dieses heikle Thema und wollen versuchen, Eric Diers Leistungen mit denen seiner Teamkollegen zahlenbasiert zu vergleichen. Die nachfolgenden Statistiken präsentieren eine Reihe von Statistiken sowohl als Gesamtzahlen als auch in Durchschnittswerten.

Abb. 1: Vergleich einiger Standardstatistiken zwischen de Ligt, Min-jae, Dier und Upamecano

Eric Dier verfügt über die wenigsten Einsätze in der Bundesliga, dies muss jedoch in Relation zur Vereinszugehörigkeit gesetzt werden. Zudem wäre die Einsatzzahl von Matthijs de Ligt sicherlich höher gewesen, hätte er nicht im Laufe der Saison 2023/24 insgesamt 20 Spiele für Verein und Nationalmannschaft aufgrund von Verletzung verpasst. Die Einsatzzahlen dienen somit den nachfolgenden Kategorien als Divisor, da sie keinen alleinigen Aussagewert besitzen.

Mit seiner durchschnittlichen Laufleistung pro Spiel ist Dier vereinsintern gut dabei und wird nur übertroffen von Min-jae, welcher spielerisch ganz anders agiert als der Engländer. Während Min-jae durch seinen aggressiven Spielaufbau nach vorne und durch seine Ausdauer punktet, nutzt Dier seine Erfahrung und versucht durch Kommunikation das Spiel zu ordnen, präsentiert sich zudem zweikampfstark.

Eric Dier fordert den Ball

Auch die durchschnittlichen Ballkontakte belegen was die Spiele schon zeigten: Wenn Dier auf dem Platz steht, wird er von seinen Kollegen gesucht. Erneut wird der Engländer hier nur übertroffen von Min-jae, jedoch ist es schwer ein aussagekräftiges Fazit bezüglich einer möglichen Präferenz zu ziehen, da das Duo Dier/Min-jae bisher nur sechs Mal gemeinsam in der Startelf stand. Im Vergleich dazu startete das Duo Dier/de Ligt gleich 13 Mal von Beginn an – mit klar verteilten Rollen zugunsten der individuellen Stärken.

Die Passquote zeigt, dass alle Innenverteidiger des FC Bayern wissen, den Ball an den Mann zu bringen. Obwohl die Erfolgsquote aller Kandidaten sich nur minimal unterschiedet, spielt Dier deutlich mehr Pässe pro Spiel als de Ligt und auch Upamecano. Steht der 30-jährige auf dem Platz, führt aufgrund seiner ruhigen und besonnenen Art im Spielaufbau kein Weg an ihm vorbei. Als erfahrenster Verteidiger des Teams (insgesamt 447 Partien) geht Dier in weniger Zweikämpfe und Luftduelle als seine Mitspieler, jedoch ist seine Erfolgsquote sichtlich größer.

Die Zahlen wirken jedoch akkurater, als sie es eigentlich sind, denn jeder Datenanbieter entscheidet für sich selbst, was genau ein Zweikampf ist, weshalb die Werte sich bei verschiedenen Anbietern teils gravierend unterscheiden können. WhoScored beispielsweise verglich die Daten aller 262 Feldspieler, die in dieser Bundesligasaison mehr als 1.000 Minuten Spielzeit hatten, und kam zur Erkenntnis, dass Eric Dier am seltensten ausgedribbelt wurde (nur ein Mal). All das resultiert in der besten Schulnote der Münchner Innenverteidiger und bestätigt den visuellen Eindruck, dass Eric Dier konstanter spielt als seine Kollegen. In keiner Kategorie ist er überragend, doch fast überall die Benchmark. 

Abb. 2: Diers letzte vier Premier-League-Saisons im Vergleich

Wenden wir uns den persönlichen Werten zu und betrachten die letzten vier Saisons der Premier League, um abschätzen zu können, wie gut die Bundesligarückrunde von Dier wirklich war. Dieser Vergleich ist insofern interessant, als man über die erhobenen Daten eines längeren Zeitraums verfügt und sie somit eine gesteigerte Aussagekraft besitzen.

Rückblick: Dier musste sich oft gegen Widerstände wehren

Die Saison 2019/20 war geprägt von Veränderungen innerhalb des Vereins. Diers langjähriger Förderer Mauricio Pochettino wurde entlassen, es folgte kein geringerer als José Mourinho. Trotz der Rolle als Rotationsspieler kam Dier zu seiner Spielzeit, anschließend erkämpfte er sich seinen Stammplatz zurück. Einzig eine Oberschenkelverletzung bremste ihn aus, weshalb er sieben Spiele verpasste.

Unter Antonio Conte und diversen Interimstrainern spielte Dier vor allem 2022/23 rein auf dem Papier seine beste Saison und wurde dank seiner Übersicht von seinen Mitspielern gesucht, fungierte als Antreiber des Spielaufbaus. Eine Stärke Diers, die sich über die Zeit entwickelt hat und die er beim FC Bayern in leicht abgeschwächter Form fortsetzen konnte.

Gleichzeitig darf man die spielerischen Ansätze und die daraus resultierende individuelle Rolle von Tottenham nicht mit der Situation des FC Bayern vergleichen. Diers Passquote ist über Jahre hinweg konstant – zwar nicht auf dem höchsten Niveau, dennoch zeigen die Zahlen gut, welche Leistung man von ihm erwarten kann. Interessant wird sein, ob Dier seine Quote auch in der kommenden Saison bei über 90 % halten kann oder ob ein kleiner Einbruch stattfinden wird.

Lange Bälle zählen zu seinen Stärken

Besonders lange Bälle sind eine Stärke Eric Diers. Regelmäßig bringt er diese zielgenau an den Mann. Ein Element, welches man auch weiterhin erwarten kann, denn ein Spieler seines Alters krempelt nicht von heute auf morgen seinen Spielstil um, ganz egal, welcher Trainer an der Seitenlinie steht. Konstanz beweist Dier erneut in der Kategorie der Tacklings, während die Anzahl der Interceptions sich stetig erhöht hat. Beides sind Werte, welche elementar wichtig sind für einen Innenverteidiger auf höchstem Niveau.

Oftmals wird Dier im gleichen Atemzug für seine fehlende Geschwindigkeit kritisiert. Der Engländer war noch nie ein wiederauferstandener Usain Bolt und wird es auch nie sein. Aber immerhin lag seine höchste gemessene Geschwindigkeit in dieser Saison bei 33.5 km/h mit durchschnittlich zwölf absolvierten Sprints pro Spiel.

Durch seine Souveränität in der Zweikampfführung gleicht Dier somit ein Defizit aus, auch wenn dieses nicht so gravierend ist, wie häufig dargestellt.

Mutualismus: Beide Parteien profitieren 

In München reifte Eric Dier zum Leistungsträger und ließ die schwierigen Monate aus dem Norden Londons hinter sich. Vor ein paar Monaten in der Hackordnung noch das letzte Glied, hat sich der Engländer nun einen Platz an der Spitze erobert. Obwohl für ihn die Rolle des Ergänzungsspielers vorgesehen war, wurde er zum Abwehrchef und verhalf dem FC Bayern auf seine ganz eigene Weise zu defensiver Stabilität. Eine Entwicklung, die ihn laut eigener Aussage selbst überrascht, war er doch noch im November meilenweit von einem Stammplatz entfernt. In einem Interview mit der Münchner Abendzeitung zeigte selbst Karl-Heinz Rummenigge sich überrascht und lobte den körperlich wuchtigen, taktisch klugen Engländer. 

Auf dem Weg zur Stütze profitierte Dier von diversen Verletzungen und Formschwankungen seiner Abwehrkollegen, doch die Münchner gewannen einige neue Elemente für ihr Spiel, die bisher fehlten. Thomas Tuchel, der laut Dier eine große Rolle beim Wechsel spielte, lobte explizit dessen Qualitäten als Leader. Doch auch sein scharfes Passspiel und die langen, spielverlagernde Schläge trugen zur Zementierung seiner vereinsinternen Position bei.

Wettbewerbsübergreifend stand Eric Dier zwanzig mal für den FC Bayern auf dem Platz und fügte sich zudem abseits des Platzes nahtlos in die neue Heimat ein. Wichtig für diese Entwicklung sei die Wertschätzung, die Dier nun wieder spürt. Thomas Tuchel verlässt bekanntermaßen den Verein, hinterlässt dem FC Bayern jedoch einen alten Wohnzimmerstuhl, der mit einer neuen Polsterung versehen wieder zum Herzstück des Raumes wurde. 

Wie geht es weiter für Eric Dier?

Fortsetzung folgt? Diese Frage ist am heutigen Tage nicht abschließend zu beantworten, schließlich ist ein Erstarken der Konkurrenz in der Mannschaft zu erwarten. Zudem werden unter einem neuen Trainer, der mit anderen Vorstellungen seine Zelte in München aufschlägt, die Karten neu gemischt werden. Dennoch blickt Eric Dier zuversichtlich auf seine Zukunft beim FC Bayern: „Ich bin jetzt 30, ich denke, das ist meine Blütezeit, und ich werde noch eine Weile in der Blüte sein“, sagte er im The-Overlap-Podcast zu seinem Gesprächspartner Gary Neville. Schlussendlich sei „weiter zu gewinnen das beste Argument“ auf Spielzeit, so Dier in einem früheren Interview mit dem Kicker. 

Vielleicht öffnet sich dann noch die ein oder andere Tür, die zur Zeit noch verschlossen ist, beispielsweise zur englischen Nationalmannschaft. Trainer Gareth Southgate bemerkte sehr wohl die überragenden Leistungen seines ehemaligen Schützlings, dennoch reichte es nicht für eine Nominierung in den vorläufigen Kader für die anstehende Europameisterschaft. Erneut herrscht Unverständnis in den sozialen Medien, dieses Mal jedoch aus einem anderen Grund: Es herrscht die Ansicht, dass Eric Dier in seiner jetzigen Verfassung der jungen Mannschaft, vermeintlich prädestiniert für den Titel, helfen hätte können.

Somit bleibt Dier 49-maliger Nationalspieler für das Trikot mit den drei Löwen. Neunundvierzig. Eine Zahl, die Dier unbedingt ändern möchte und dafür sicherlich in der kommenden Saison alles geben wird. Die Chancen dafür werden kommen, ergreifen muss er sie selbst. Doch was auch immer passiert, der Transfer von Eric Dier hat jetzt schon das Potential, zumindest aus finanzieller Sicht, einer der besten der letzten Jahre zu werden.

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