Miasanrot-Awards 2021/2022: FC Bayern – Moment der Saison

Maurice Trenner 23.06.2022

Der späte Konter der Gäste aus Spanien besiegelte das Ausscheiden der Münchner aus dem Kampf um Europas Krone und bedeutete das informelle Saisonende für das bayerische Team rund um Trainer Julian Nagelsmann in dessen erster Spielzeit an der Isar.

How we got here

The bigger picture

Die Vorgeschichte zu diesem Moment beginnt beliebig früh: Mit der verpassten Vertragsverlängerung von Thiago und Alaba, dem verpatzten Transfersommer oder der kurzen Saisonvorbereitung in Folge der Europameisterschaft. In Summe spielte der FC Bayern nach einem furiosen Herbst eine eher enttäuschende Saison.

Der mit großen Vorschusslorbeeren, und einer ordentlichen Geldbörse, verpflichtete Wunschtrainer Nagelsmann tat sich schwer der Mannschaft die unter Flick verlorene defensive Stabilität zurückzugeben und gleichzeitig den offensiven Output des tollkühnen Angriffsfußballs seines Vorgängers zu erhalten. Durch den langen Verlust von Leistungsträgern wie Mittelfeld-Lenker Josh Kimmich und Dauerrenner Leon Goretzka fehlte ihm spätestens ab der Covid-Infektion Kimmichs das zentrale Fundament.

Immer wieder brachten sich die Münchner durch hohe Ballverluste mit mangelnder Absicherung in haarsträubende Kontersituationen bei denen die Restverteidigung in Unterzahl agieren musste. Gerade die Schnelligkeit in der letzten Defensivreihe wurde schmerzlich vermisste, besonders da Alphonso Davies zunächst lange ausfiel und nach seiner Rückkehr noch nicht an seine vergangene Bestform anknüpfen konnte. Verschiedene Ideen von Nagelsmann, um diese Schwäche zu kaschieren, scheiterten.

Gleichzeitig verloren die Münchner im Saisonverlauf immer mehr von ihrer offensiven Firepower. In den ersten beiden Saisonvierteln spielten die Bayern ihre Gegner reihenweise an die Wand und erzielte herausragende, und nicht nachhaltige, 3,6 bzw. 3,0 Tore pro Spiel. Im dritten Viertel der Bundesliga-Saison erzielten die Münchner nur noch 2,3 Tore im Spiel bei etwa gleich hohen 2,9 expected Goals. Im vierten Viertel sank dann zudem noch die Anzahl der expected Goals auf 2,4 pro Spiel.

Zumindest statistisch bestätigt das den Trend: Zunächst verlor die Mannschaft ihren Touch vor dem gegnerischen Tor und schließlich tat sie sich auch noch schwer Chancen herauszuarbeiten.

The smaller picture

Das bringt uns zum 06. April an dem die Münchner im Viertelfinal-Hinspiel bei Villarreal antraten. Nach der Auslosung, auch von Sport-Vorstand Salihamidzic, noch als machbarer Gegner tituliert, zeigten die Spanier ihre Krallen. Bereits nach acht Minuten führt Villarreal durch Danjuma. Ein klug herausgespielter Angriff, der nichtmal Bayerns größte Schwäche – den Konter – angreift. Zunächst entscheidet sich Musiala dazu den Passweg zuzustellen anstatt an seinem Gegenspieler zu bleiben und nach dessen flacher Hereingabe ist Upamecano zunächst zu weit von Parejo weg, bevor Danjuma, von Pavard enteilt, den Fuß hinhebt.

Der frühe Schock im La Cermica, das nun zum Hexenkessel wird. Zwar steigern sich die Münchner in der zweiten Halbzeit und verbuchen am Ende sogar 22 Schüsse, doch die wenigsten davon strahlen Gefahr aus. Auf der Gegenseite wackelt Bayern bei jedem Ballvortrag der Gelb-Blauen gewaltig. Am Ende muss der Rekordmeister zufrieden sein an diesem Abend nur 0:1 zu verlieren.

What happened

Im Rückspiel dann parkte Villarreal das gelb-blauen U-Boot auf dem Rasen der Allianz-Arena. Die Bayern rannten an, erspielten sich jedoch meist nur Halbchancen. Erst mit dem Rücken zur Wand nach der Halbzeitpause spielten die Münchner mutiger und attackierten die Spanier im Spielaufbau. Aus so einem erzwungenen Fehler konnte Coman profitieren und einen schnellen Gegenangriff einleiten, den Lewandowski schlussendlich verwandelte.

In diesem Augenblick hätte die Saison in zwei Richtungen gehen können. Andere Gegner der Münchner wurden in der Vergangenheit nach einer solchen gelungenen Aktion regelrecht überrollt. Doch dieser Abend hatte andere Pläne. Anstatt angestachelt von dem Führungstreffer die Entscheidung zu suchen, fehlte den Münchnern in der Folge die Konsequenz. Umschaltsituationen gab es keine mehr und obwohl man weiterhin spielbestimmend war, hatte nur noch Müller eine echte Torchance. Villarreal hatte die schlimmste Phase überstanden und die Münchner dazu gebracht, dass das Spiel nun in Richtung Verlängerung trudelte.

Es folgt unser Moment der Saison, der dann doch symbolisch für die Spielzeit ist. Parejo spielt im Mittelfeld unter Druck von drei Münchnern einen raumöffnenden Pass. Schlagartig ist Villarreal in einer Umschaltsituation mit Überzahl. Lo Celso setzt sich stark gegen den zurückgeeilten Coman durch und steckt durch auf Moreno, der nach einem Rausrücken von Kimmich plötzlich alleine gegen Upamecano steht. Der Franzose kann Moreno nicht genug abdrängen, so dass dieser einen Pass in den Lauf von Chukwueze spielen kann, der komplett frei steht, da Davies weder Pass noch Gegenspieler verteidigt. Ein Schuss, ein Tor.

Totenstille in der Arena. Totenstille bei mir daheim auf der Couch vor dem Fernseher. Das Spiel ist gelaufen. Die Champions-League-Saison 2021/22 ist vorbei.

Where we go from here

Das Fazit der ersten Nagelsmann-Saison ist gemischt. Die Hoffnungen seiner Fans auf einen Fußball a la Guardiola wurden erstmal enttäuscht und dennoch war im Rückblick nicht alles so schlecht, wie es von reißerischen Medienvertretern gemacht wurde.

Dennoch sind die Aufgaben für Nagelsmann in seiner zweiten Saison klar umrissen. Zunächst bedarf es einer Stabilisierung der Defensive, vor allem bei Umschaltsituationen. Weiterhin muss die Mannschaft im Gegenpressing wieder griffiger werden, um hohe Ballverluste effektiver zu bekämpfen. Und abschließend müssen Lösungen gegen tiefstehende Gegner wie Villarreal im Rückspiel gefunden werden.

Allerdings hängt auch nicht alles nur am Trainer. Gleich mehrere Spieler müssen ihre Leistung erheblich steigern: Upamecano, der in seiner Rolle als Abwehrchef bisher eher ein Chefchen ist; Kimmich, der den Anspruch haben muss, immer der beste Mann auf dem Platz zu sein; Sané, Coman und Gnabry, denen es allesamt an Konstanz fehlt.