Bayer 04 Leverkusen – FC Bayern 1:1 (1:1)

Steffen Trenner 06.10.2013

3 Dinge, die auffielen:

1. Kein Grund für Sinnkrisen

Nach dem Spiel wurden einige Stimmen laut, die die Ineffektivität der Münchener kritisierten. Vom „Sterben in Schönheit“ war da die Rede. „Ballbesitz schießt keine Tore“ war eine weitere gern verwendete Plattitüde. Natürlich ist das Ergebnis ein Witz. Aufwand und Ertrag standen in diesem Spiel auf beiden Seiten in keinem Verhältnis. Es waren am Ende zwei verschenkte Punkte. Trotzdem darf dieses Spiel kein Grund sein, Spielweise und Philosophie in Frage zu stellen. Im Gegenteil.

Es geht nicht darum, dass das Bayern-Spiel schön anzusehen ist. Es geht auch nicht darum Ballbesitz-Rekorde runterzubeten. Das entscheidende ist, dass Bayern zur Zeit in der Lage ist, die Balldominanz auch in Torchancen umzumünzen. Es gab zum Beispiel auch unter van Gaal oder Hitzfeld Spiele, in denen Bayern über 70 Prozent Ballbesitz hatte. Trotzdem hatte das Spiel gegen Leverkusen nur wenig mit dem häufig unkreativen Ballgeschiebe und Verlegenheitsfußball früherer Tage zu tun. Bayerns Passstaffetten sind hoch effektiv. Schließlich dürfen sie nie Selbstzweck sein, sondern dienen der Kreierung von Torchancen und Abschlussoptionen.

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Gegen Leverkusen ging Bayerns Plan im Prinzip hervorragend auf. Schweinsteiger, Lahm und Kroos agierten zwar weniger fluide als zuletzt, dominierten das Mittelfeldzentrum aber trotzdem nach Belieben. Auf den Außen überluden Alaba und diesmal auch vermehrt Rafinha gemeinsam mit Ribéry und Shaqiri den Flügel. Alabas 92 intensive Läufe dürften sehr nah der absoluten Bestmarke in der Fußball-Bundesliga sein. Bayern spielte 242 erfolgreiche Pässe im Schlussdrittel. Bayern gelang es, 19 Torchancen aus dem offenen Spiel heraus zu kreieren. Alle 4 Minuten ein gefährlicher Torabschluss aus dem Spiel heraus. 5 Chancen aus Ecken und Freistößen kommen oben drauf. Das muss für Guardiola und Co. die entscheidende Lehre aus diesem Spiel sein. Nicht Ausrichtung und Stil des Bayern-Spiels sind ineffektiv, sondern allein die Ausnutzung der Torabschlüsse. Guardiola wird hier mehr Präzision und Konzentration einfordern. Das sind keine unlösbaren Probleme und ein Grund für Sinnkrisen ohnehin nicht.

2. Leverkusen wird dem eigenen Anspruch nicht gerecht

Ich gebe zu, ich habe mich im Nachgang des Spiels am Samstag-Abend ziemlich über das Gerede von der Zwei Klassen-Liga aufgeregt. Von einer langweiligen Liga mit alles dominierenden Bayern war da die Rede. Mich ärgert dabei die fehlende Wertschätzung für die Entwicklung des FC Bayern und auch von Borussia Dortmund in den vergangenen Jahren. Klar kann man immer wieder auf die wirtschaftlichen Vorteile dieser beiden Teams hinweisen. Aber die Top-Transfers der Bayern aus den vergangenen zwei Jahren mit Götze, Thiago oder Martínez standen gegen Leverkusen alle nicht auf dem Platz. Der Kern dieser Mannschaft besteht noch immer aus den Spielern, die vor gerade einmal zwei Jahren 7 Spiele in einer Saison verloren. Bayern hat sich spielerisch und taktisch weiterentwickelt. Wer diese Mannschaft schlagen will, sollte sich nicht über eine angebliche bayerische Dominanz beklagen, sondern einen eigenen Plan entwickeln. Mannschaften wie Wolfsburg oder Freiburg zeigten in dieser Saison wie das aussehen kann. Der Tabellendritte Leverkusen zeigte das nicht.

Die Elf von Sami Hyypiä zeigte ein sehr zurückhaltendes Pressing und begnügte sich damit, die Räume ab 30 Metern vor dem eigenen Tor zu verengen. Der Plan, den Ball dadurch zu gewinnen oder frühzeitig auf die Außenpositionen zu zwingen, schlug kolossal fehl. Weil Lahm, Kroos und vor allem Schweinsteiger den fehlenden Druck nutzten, um mit geschickten Kurzpässen und Laufwegen immer wieder in den Rücken des Leverkusener Mittelfeld zu kommen, und Alaba oder Rafinha gleichzeitig auf den Außen weit auf- oder einrückten, gelang es Bayern mehrfach im ganz normalen Spielaufbau 4 gegen 4 oder 3 gegen 4-Situationen gegen die Leverkusener Viererkette zu erzeugen. Im Verlauf des Spiels zog Leverkusen auch die zentralen Mittelfeldspieler immer weiter zurück, um den Abstand zur Viererkette zu verringern. Der Tabellendritte wirkte in dieser Phase im eigenen Haus eher wie ein Abstiegskandidat in der Allianz Arena.

Auch offensiv ließ sich Leverkusen wenig einfallen. Der Versuch, nach Ballgewinn schnell umzuschalten und über Kießling und Sam Konter einzuleiten, scheiterte an zu wenigen Ballgewinnen und häufig unpräzisen weiten Pässen. Eine weitere Idee war es offensichtlich, den robusten Can gegen Rafinha zu stellen und mit teilweise hohen Diagonalbällen hier für ein Missmatch zu sorgen. Can spielte 12 Fehlpässe (42 Prozent Passquote) und lief die wenigsten Kilometer aller Feldspieler. Durchschlagskraft entwickelte er über seine Seite nie.

Dass Bernd Leno am Ende die meisten Ballkontakte (49) hatte, passt ins Bild einer überforderten Leverkusener Mannschaft, die ihrem Anspruch als nationale Spitzenmannschaft zu keinem Zeitpunkt gerecht wurde. Dass so eine Vorstellung am Ende mit einem Punkt belohnt wird, gehört zu den Ungerechtigkeiten dieses Sports.

3. Guardiola hat seine Rotation gefunden

Nach den teilweise harten Umbrüchen in den Aufstellungen des FC Bayern zu Saisonbeginn, scheint Guardiola in dieser Phase  seine Rotation weitgehend gefunden zu haben. Lahm wird im Zentrum mindestens bis zur Rückkehr von Thiago zur Dauerlösung und Boateng und Dante haben sich in der Innenverteidigung festgespielt. Mir gefällt auch, wie Guardiola die Spielzeit von Robben managt. Der Niederländer spielte erst ein Mal in dieser Saison über 80 Minuten. Nach den Startelf-Einsätzen gegen Wolfsburg und Manchester City, gab Guardiola gegen Leverkusen Shaqiri den Vorzug und behielt Robben als frische Option in der Hinterhand. Shaqiri zeigte eine sehr gute Leistung, wirkte vor dem Tor aber genau wie Müller häufig überhastet und dadurch unpräzise. Er zeigte dennoch, dass ihm Guardiola auch in solchen Spielen vertrauen kann. Konfliktpotenzial könnte sich im Sturmzentrum entwickeln. Müller tat dem Bayern-Spiel auf dieser Position gegen Leverkusen wie schon gegen Manchester City gut. Trotzdem wurde Mandzukics Wucht und Durchschlagskraft in manchen Situationen vermisst. Der Kroate wirkte schon zu Saisonbeginn unzufrieden mit einer Rolle als Einwechselspieler und meldet nach vier Saisontoren berechtigte Ansprüche an. 

Für Mario Götze wird es ein langsamer Weg zurück in die Startelf. Auch er ist eine Option für ganz vorne, wird jedoch vorerst in einer Joker-Rolle verbleiben. Wie sich Javi Martínez, der in dieser Woche Lauftraining absolvierte, in die Mannschaft einfinden soll, bleibt mir momentan noch ein Rätsel. Er könnte durch die Boateng-Sperre in der Champions League zunächst auf hohem Niveau als Innenverteidiger getestet werden. Ob er in der momentanen Ausrichtung auf der 6 eine bessere Option wäre als Lahm, wage ich zur Zeit zu bezweifeln. Hier wird Guardiola Lösungen finden und Spielzeiten sinnvoll verteilen müssen. Fragezeichen gibt es auch noch in der Rolle des Ergebnis-Stabilisators. Im Vorjahr war es Luiz Gustavo vorbehalten, in engen Spielen ab der 75. Minuten für zusätzliche Stabilität zu sorgen. Guardiola setzte in dieser Rolle bisher auf Jan Kirchhoff, der jedoch gegen Manchester City mit dieser Aufgabe überfordert wirkte. Martínez wäre für diese Rolle sicher eine Luxus-Lösung. Für van Buyten, Pizarro und Contento bleibt zur Zeit nur eine Rolle als Gelegenheits-Lückenfüller

Bayer 04 Leverkusen Leno – Donati, Toprak, Spahic, Boenisch – Bender, Reinartz, Rolfes – Sam (82. Kruse), Kießling (83. Hegeler), Can (68. Son)
Ersatz Palop, Wollscheid, Hilbert, Castro
FC Bayern Neuer – Rafinha, Boateng, Dante, Alaba – Lahm – Shaqiri (71. Robben), Kroos (85. Götze), Schweinsteiger, Ribéry – Müller (80. Mandzukic)
Ersatz Starke, Van Buyten, Pizarro, Contento
Schiedsrichter Kircher (Rottenburg)
Zuschauer 30.210 (ausverkauft)
Tore 0:1 Kroos (30.), 1:1 Sam (31.)
Gelbe Karten Boenisch / Boateng