Leon Goretzka (FC Bayern)
Bild: Alex Grimm/Getty Images

Leon Goretzka überrascht beim FC Bayern: Guess Who’s Back

Justin Trenner 14.03.2025



Will the real Leon Goretzka please stand up? Aber sowas von! Der 30-Jährige wurde von vielen bereits in Richtung Karriereende abgesungen.

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Der Mittelfeldspieler des FC Bayern München hat seine Kritiker*innen nach und nach abgestraft. Ohne Panik, ohne Hektik, ohne sich negativ beeinflussen zu lassen, vor allem ohne große Ansagen – immer mit dem Vertrauen in sich selbst, dass er einer der besten Fußballer in Deutschland ist.

Jetzt hat sich Goretzka dafür belohnt. Er hat seine Situation angenommen wie ein Profi und ist mit etwas Glück und sehr viel Können zurück in der Startelf des deutschen Rekordmeisters.

Leon Goretzka spielte beim FC Bayern keine Rolle mehr

Das ist auch Julian Nagelsmann nicht entgangen. Der Bundestrainer hat Goretzka nämlich für die Spiele gegen Italien in der Nations League nominiert und ihn auf der Pressekonferenz am Donnerstag dafür gelobt, dass er sich „in einigen Punkten nochmal weiterentwickelt“ habe. Er passe zudem gut ins System.

Ein Satz, der in München schon lange nicht mehr selbstverständlich war. Ballbesitzorientierter Fußball schien ihm nicht zu liegen. Goretzka ist kein besonders feiner Techniker und er ist auch nicht in der Lage, ein Spiel mit dem Ball am Fuß zu dominieren. Sein Freilaufverhalten in Drucksituation war bestenfalls ausbaufähig und auch bei der Handlungsschnelligkeit gab es immer Spieler im Kader des FC Bayern, die einfach besser geeignet sind für eine derart wichtige Position.

Goretzka war perfekt für das pressingintensive System von Hansi Flick. Er kam gut zurecht mit Julian Nagelsmann, der ebenfalls einen hohen Wert auf das Gegenpressing legt. Doch unter Vincent Kompany, so schien es, fehlte ihm das notwendige Profil für einen derart dominanten Ansatz. Auch deshalb hätten die Münchner ihn im vergangenen Sommer gern verkauft.

Aber entspricht das noch der Realität?

Leon Goretzka: Statistiken untermauern seine starke Rückkehr

Interessant: Die Zahlen unterstreichen eine Weiterentwicklung unter Kompany. Laut FBref spielt Goretzka pro 90 Minuten 83,7 Pässe und kommt dabei auf eine progressive Distanz von 272,5 Metern. Das macht 3,25 progressive Meter pro Pass. Zum Vergleich: Aleksandar Pavlović, sein vermutlich größter Konkurrent im Bayern-Kader, kommt auf 98,5 Pässe pro 90 Minuten, 322 progressive Meter und somit auf 3,27 progressive Meter pro Pass. Ein allenfalls marginaler Unterschied.

Joshua Kimmich (116,6 Pässe, 479,9 Meter) steht mit 4,11 progressiven Metern pro Zuspiel deutlich vorn. João Palhinha (69,8 Pässe, 200,7 Meter) kommt nur auf 2,87 progressive Meter pro Pass. Die Statistik allein kann etwas irreführend sein, weil auch leicht diagonale Querpässe bereits als progressiver Raumgewinn verstanden werden können. Das bedarf einer Einordnung.

Pavlović spielt beispielsweise elf Pässe pro 90 Minuten in das gegnerische Angriffsdrittel. Goretzkas 8,35 sind im Vergleich zu Palhinhas 6,55 und Kimmichs 13,2 dennoch ordentlich. Mit 0,83 Torschussvorlagen pro 90 Minuten hat er sogar einen besseren Wert als Pavlović (0,43) und Palhinha (0,52). Kimmich kommt auf 2,7 – auch dank seiner Standards.

Interessant ist zudem, wie gut Goretzka bei Steckpässen ist. 0,46 erfolgreiche Pässe spielt er pro 90 Minuten, die zwischen zwei Verteidigern hinter die Abwehrkette gelangen. Kimmich steht bei starken 0,75 (nur Olise hat mit 0,8 mehr), Pavlović bei 0,17 und Palhinha bei 0.

Man könnte mit weiteren Statistiken unterstreichen, dass Goretzka nicht mehr so unbeteiligt am Ballvortrag ist, wie er es noch in den letzten Jahren war. Er hat sich klar verbessert. Auch wenn der Vergleich mit Pavlović hinkt, weil der eine ganz andere Spielweise hat und sich deutlich mehr auf die ersten beiden Drittel konzentriert, ist es interessant, die Werte nebeneinander zu sehen.

Leon Goretzka: Besser denn je?

Noch eindrucksvoller ist aber der Vergleich mit sich selbst. In einem Vergleich mit all seinen Spielzeiten beim FC Bayern seit der Saison 2019/20 liefert er einige Topwerte. Er spielt die mit Abstand meisten Pässe pro 90 Minuten: 83,7 im Vergleich zu 70,4 letzte Saison und Werten in den 50ern in den Jahren davor. Auch bei den Pässen ins letzte Drittel hat er klare Fortschritte gemacht. Bis zur Saison 23/24 waren 5,45 sein Topwert. Unter Tuchel waren es dann 7,07 und nun eben 8,35.

Goretzka hat erstmals überhaupt beim FC Bayern eine Passquote von über 90 Prozent (90,2) und die oben erwähnten Steckpässe pro 90 Minuten sind ebenfalls klarer Bestwert. 93,3 Ballberührungen pro 90 Minuten? Ebenfalls sehr klarer Topwert. Unter Tuchel waren es bereits gute 81 und ein Fortschritt zu den meist 65 bis 67 zuvor.

Natürlich sind die Werte auch deshalb so hoch, weil die Bayern deutlich mehr Ballbesitz haben unter Kompany. Aber auch relativ gesehen lassen sich bei Goretzka viele Fortschritte festmachen. Es scheint, als habe Kompany für ihn eine sehr gute Rolle im System gefunden.

FC Bayern: Kompany bindet Goretzka gut ein

Das zeigt sich auch an den sogenannten „Passmaps“ von BetweenThePosts. Ein paar Beispiele:

Was man in diesen drei Partien sieht, ist, dass Goretzka mehr Verantwortung übernimmt als früher. Gegen Leverkusen (Hinspiel) entlastete er Kimmich, so gut es ging. Außerdem war er verlässlich bei der Dreiecksbildung mit Michael Olise und Konrad Laimer. Die anderen beiden Beispiele zeigen gut, dass Goretzka sich nicht versteckt, wenn er neben einem Spieler wie Palhinha auflaufen muss.

Selbstverständlich ist es für die Bayern ein klarer Qualitätsunterschied zu Kimmich oder Pavlović, aber der Nationalspieler versteckt sich anders als früher nicht vor dieser Aufgabe. Gegen Bochum funktionierte die Einbindung mit dem spielstarken Raphaël Guerreiro vor ihm gut, in Stuttgart hatte Goretzka großen Anteil daran, dass die rechte Seite so stark war.

Interessant ist auch die „Passmap“ aus dem Auswärtsspiel bei Celtic Glasgow:

Auch hier lässt sich gut ablesen, dass er nicht mehr einfach nur nebenher läuft und sich möglichst aus den entscheidenden Aufbauszenen heraushält. In einem durchaus komplizierten Auswärtsspiel bei Celtic entlastete er Kimmich nach Kräften. Interessant ist zudem, dass der ehemalige Schalker mal auf der halblinken und mal auf der halbrechten Seite agiert. Das könnte auch damit zusammenhängen, wo das Trainerteam beim Gegner Schwächen im Aufbau oder bei der Verteidigung von Tiefenläufen sieht.

Sollte der FC Bayern Leon Goretzka behalten?

Was zur Frage führt, ob die Bayern Goretzka behalten sollten. Klar ist: Aus ihm wird kein Spielgestalter mehr und auch kein großer Taktgeber. Er hat auch in starken Spielen oft noch Momente, in denen ihm die Handlungsschnelligkeit fehlt. Aber er ist deutlich besser geworden im vergangenen Jahr, was durchaus bemerkenswert ist.

Er ist ein komplett anderer Spielertyp als Pavlović und Kimmich, aber seine Qualitäten im Pressing waren gegen Leverkusen beispielsweise eine wichtige Komponente. Generell ist Goretzka in dieser Saison längst über den Status des „Lückenfüllers“ hinaus. Er ist wieder ein gleichberechtigter Konkurrent um die Startelfplätze geworden.

Eine Rolle, die er sich mit harter Arbeit an sich verdient hat. Es wird sicher auch auf wirtschaftliche Aspekte ankommen, ob die Bayern bereit sind ihn zu halten. Das große Problem ist sein hohes Gehalt. Rund 17 Millionen Euro soll der Rechtsfuß pro Jahr verdienen (brutto). Mit dem Ziel der Gehaltseinsparung wäre das nur vereinbar, wenn man mit Goretzka zu geringeren Bezügen verlängern kann.

Das würde auch die Möglichkeit eröffnen, ihn nicht in diesem Sommer verkaufen zu müssen und ihn anschließend auch nicht ablösefrei im Sommer 2026 zu verlieren. Aber ob das im Interesse des Spielers liegt? Rein sportlich betrachtet wäre Palhinha wohl der sinnvollere Transfer. Und darauf wird es letztlich auch hinauslaufen: Palhinha oder Goretzka.

Aber in München schaut man auf mehr als sportliche Aspekte. Und trotzdem kann man sagen, dass sich Goretzka zurückgemeldet und ins Rampenlicht gespielt hat. Oder im Stile des eingangs zitierten Rappers: Guess Who’s Back.

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