Eine schöne Einordnung eines bemerkenswerten Interviews von Philipp Lahm in der Freitags-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung bei den Kollegen von Miasanrot.de, der ich wenig hinzuzufügen habe. Lahm zerpflückt die Grundsatzkritik an Guardiolas System und verweist auf genau das, was auch hier nach dem Sieg gegen Real Madrid häufiger geschrieben wurde. Nicht das System ist das Problem, sondern die mangelnde oder fehlerhafte Umsetzung. Lahm bestätigt dabei unter anderem die Einschätzung Guardiolas, dass gerade im Rückspiel sogar eher zu stark vom eigenen System abgerückt wurde. Dem faktischen 4-2-4 der Bayern fehlte die Balance und die Überzahl im Mittelfeldzentrum. Rundum ein gelungenes, aufschlussreiches Interview, das den Kauf der SZ am heutigen Freitag definitiv bezahlt macht. Online gibt es hier eine Zusammenfassung.
Also normalerweise haben Interviews mit Philipp Lahm ja wenig bis gar keine Aussagekraft. Vor allem solche direkt nach einem Spiel. Da wird sich von einer Phrase zur nächsten gehangelt.
Diesmal ist aber genau das Gegenteil der Fall. Erfrischend ehrliche und konkrete Aussagen von ihm. Bei den meisten liege ich auch mit ihm auf einer Wellenlänge.
Auch ich habe heute morgen mit großem Interesse dieses Interview gelesen. Ich wünsche mir, dass der Tenor des Gespräches auch in den Köpfen seiner Mannschaftskameraden widerhallt!
Was soll er auch anderes sagen, wenn er unter Pep weiterspielen will? Natürlich war die Systemauslegung gegen RM falsch (Eingeständnis von Pep), aber die Umsetzung des Systems liegt immer an den Spelern. Dies erklärt aber noch nicht die erschreckend harmlose Ausnutzung von Standards – ganz im Gegensatz zu Real.
Eine sehr wichtige Aussage Lahms ist wohl, dass Peps System wirklich nur bei 100% Leistung und Konzentration funktionieren kann. Mit der letztjährigen Variante konnte man ökonomisch spielen und trotzdem erfolgreich sein, in diesem Jahr zeigen sich Nachlässigkeiten sofort. Dieser Umstand und Aussagen wie “Die Bundesliga ist vorbei” sind eine sehr gefährliche Kombination.
Dass Lahm Peps System verteidigt ist logisch, aber gänzlich damit anfreunden kann ich mich nicht. In seiner gegenwärtigen Ausprägung (!) hat das System durch den sehr hohen Ballbesitz mMn ein entscheidendes Grundproblem: Das Spiel wird extrem verengt – was vor Allem der eigenen Mannschaft schadet. Eine gute defensive Staffelung ist für den Gegner auch mit wenig Platz gut hinzubekommen, während offensive Aktionen umso häufiger scheitern, je enger der Raum ist. Bei Barca löste Messi dieses Problem, den gibt es jedoch nur einmal. Für effektives, torgefährliches Offensivspiel benötigt man in der Regel ein Minimum an Platz, um Tempo aufzunehmen aufzunehmen, vertikal zu kombinieren und den Gegner auszuspielen. Mit tieferem Ballbesitz (wie im letzten Jahr) ist es leichter, die Spielstärke der Akteure auf den Platz zu bekommen, da der Gegner seine Formation strecken muss und nicht mehr so dicht gestaffelt stehen kann (Und nein, der Gegner könnte nicht einfach hinten stehenbleiben, dann könnten die Bayernspieler nämlich Tempo aufnehmen und ihn überrollen).
Steht man so dermaßen hoch wie momentan, müsste man die frühen Ballgewinne in sofortige Schnellangriffe in BVB- oder Atletico-Manier ummünzen, denn mit Kombinationen ist gegen eine halbwegs wache Abwehr auf so engem Raum wenig zu gewinnen.
Dieses Problem kann man natürlich NICHT durch die Aufgabe des etablierten Systems lösen, aber eben auch nicht dadurch, dass man noch höher kombiniert, noch risikoreicher presst und noch mehr kurze Pässe spielt. Dies würde nur zu einer Verschärfung des Dilemmas führen. Wie oben bereits geschrieben kann die Lösung mMn eigentlich nur in einer weniger extremen Interpretation des Ballbesitzspiels liegen…so kann man auch defensiv besser absichern und bewahrt sich unter Umständen auch eine höhere Flexibilität.
Nachtrag: “zu hoher Ballbesitz” bedeutet nicht “zu viel Ballbesitz”, sondern “Ballbesitz zu weit in der gegnerischen Hälfte”!
Kannst Du genauer erklären, was Dein Lösungsvorschlag konkret bedeutet? Wie würde eine “weniger extreme Interpretation des Ballbesitzspiels” denn aussehen?
Vor Allem etwas tieferes Ballbesitzspiel (Fokus auf das mittlere statt aufs letzte Drittel) und passivere, eher absichernde Rolle der Innenverteidiger. Der Rest dürfte sich von Selbst ergeben, wenn man diese beiden Grundsätze beachtet.
Wie gesagt, der extreme Ballbesitz im letzten Drittel momentan engt die offensiven Möglichkeiten ein (zu wenig Platz) und das hohe, risikoreiche Spiel sorgt für Konteranfälligkeit. Insgesamt sollte man sich wieder etwas mehr an 12/13 orientieren.
Beim Fussball-Portal abseits.at gibt es eine Einschätzung der aktuellen Lage beim FC Bayern
Teil 1: Die grundlegende Spielweise und die strategischen Anpassungen
Teil 2: Der Wendepunkt und die taktischen Ursachen
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Bist du heute wieder Live im Stadion? Beim Bundesligaspiel in Berlin hat es ja Glück gebracht um die Meisterschaft zu gewinnen…