Kroos sagt »Servus«? – Eine vielschichtige Transferdiskussion

Jan Trenner 22.05.2014

So viel zu den »offiziellen« Statements. Spannend ist diese Transferdiskussion, wenn man weg von den Spielchen in der Presse geht und wieder auf dem Fußballplatz ankommt.

Toni Kroos, der als Heynckes Liebling das Trikot des FC Bayern überstreifte, ist vor allem eines: ball- und passsicherer Kombinationsspieler. Quoten von stabil über 90% erreicht er auf der Position des Sechser oder weiter vorn im zentralen Mittelfeld. Mit der Sicherheit am Ball und spielöffnenden wie -verlagernden Flanken, ist er wohl aber der perfekte Zehner, der die Möglichkeiten ausnutzt zwischen Linien zu pendeln, also Bälle aus der Tiefe aufnehmen oder im Kombinationsspiel vor dem gegnerischen Strafraum verteidigen kann. Michael Cox, der unter anderem für ESPN und Zonal Marking schreibt, ehrte ihn im November 2012 als möglichen »Schlüsselspieler« für den FC Bayern – speziell unter Pep Guardiola. Zu diesem Zeitpunkt prägte Kroos Auftritt beim 3:1 gegen Manchester City die öffentliche Wahrnehmung.

Guardiola’s emphasis upon ball retention is obvious, but honestly, Pep, Kroos is one of the few players in Europe who can simultaneously be incisive and reliable with the ball. Above all others, he should be Bayern’s key player.
Michael Cox: »Toni Kroos has earned right to be Bayern’s key«, ESPN, 21.11.2013

Präzise und Zuverlässig – andere Attribute könnten Toni Kroos kaum besser beschreiben. Unter Pep Guardiola entwickelte er sich auf der Achter- und Sechserposition weiter, aber auf dem Platz erreicht er trotz seiner Fähigkeiten ein entscheidendes Attribut nicht: Dominanz. Partien mit überragenden, von Kroos bestimmten Auftritten kann man wohl an einer Hand abzählen. Ihm fehlt dafür auf dem Platz die notwendige Zweikampfstärke. Dieses Auftreten entwickelt er zu oft nur in Interviews. Natürlich hat ein ballsicherer Spieler nicht die öffentliche Wahrnehmung eines Torjägers, aber Auftritte wie gegen Manchester City wiederholten sich nicht so oft, dass sein Anspruch auch auf Leistungsbasis ein entsprechendes Fundament erhält. Er ist ein Spieler mit Schlüsselfaktoren, aber niemand, der damit über die letzte Saison hinweg auch als Persönlichkeit eine Schlüsselrolle eingenommen hat. Toni Kroos wirkt trotz seiner Fähigkeiten ersetzbar und hat selten gezeigt, dass er über diese Einschätzung hinaus kommen will.

Betrachtet man andere Umstände und ordnet die Bemühungen um eine Vertragsverlängerung ein, wird deutlich, dass weitere Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. Schlussendlich muss sich der FC Bayern die Frage stellen, ob Bastian Schweinsteiger in den nächsten Spielzeiten die tragende Rolle im Mittelfeld übernehmen kann. Verletzungen und mangelnde Fitness sind hierbei entscheidend, da er die gleichen Fähigkeiten wie Kroos besitzt, eine ähnliche Spielweise in die Mannschaft bringt, aber zusätzlich auch das Team in kritischen Phasen tragen kann. Wenn der FC Bayern die Situation um Schweinsteiger positiv bewertet, wird der Platz für Toni Kroos eng, weil das geforderte Gehaltsniveau für den 24-Jährigen nicht gerechtfertigt ist. Möchte man ein Standing bei den Fans oder Sponsoren in die Betrachtung einbeziehen, bleibt das auch so.

Der FC Bayern ist gut beraten, wenn er sein Vertragsangebot an Toni Kroos unter Gesichtspunkten der Leistung erstellt und eine klare Rollenverteilung im Spielsystem vor Augen hat. Kroos hat zu selten gezeigt, dass er ein »Difference Maker« sein kann. Das geforderte Gehalt hat selten gute Argumente bekommen.