James Rodríguez wechselt zum FC Bayern München
Als Uli Hoeneß sich vor einigen Wochen optimistisch gab, dass ein hochkarätiger Spieler kommen würde, spekulierten die Medien hauptsächlich auf Alexis Sanchez. Doch der FC Bayern meldete Dienstagnachmittag Vollzug bei James Rodríguez.
Zu alter Stärke unter bekanntem Trainer?
Bei der Weltmeisterschaft 2014 wusste der Mittelfeldspieler mit dynamischen Dribblings und schönen Toren zu überzeugen. Dabei agierte er häufig als Zehner, aber auch immer wieder mal in den Halbräumen. Für eine Ablöse von rund 75 Millionen Euro wechselte er anschließend zu Real Madrid, wo er zunächst herausragende Werte liefern konnte.
Trainer der Königlichen war zu der Zeit der heutige Bayern-Trainer Carlo Ancelotti. Unter dem Italiener startete James in 46 Partien 44 Mal. Dabei gelangen ihm 17 Treffer und 18 Torvorlagen. Meist wurde der 25-Jährige im Zentrum eingesetzt, doch immer mal wieder bespielte er auch die Flügelpositionen, auf denen er ebenso konstant ablieferte.
Danach ging es minimal bergab. Sowohl mit Benítez als auch mit Zidane hatte James seine Probleme. Im zweiten Real-Jahr bekam er nur noch 32 Einsätze und auch in der vergangenen Saison waren es mit 33 Spielen 11 weniger als unter Ancelotti. In den insgesamt 3.682 Minuten in 2 Jahren konnte er aber immerhin 42 Torbeteiligungen vorweisen (19 Tore und 23 Assists).
Allein diese Konstanz in der Quote zeigt, dass der Kolumbianer eine unfassbare Torgefährlichkeit mit sich bringt, die vor allem Douglas Costa zuletzt fehlte. Nicht umsonst hat sich der FC Bayern um Alternativen bemüht, um den Brasilianer voraussichtlich nach Turin ziehen zu lassen.
Das Fähigkeitenprofil ist vielversprechend
Doch James bringt nicht nur den nötigen Zug zum Tor mit. Er ist vielleicht nicht so schnell wie viele andere Flügelspieler, weshalb er auch oftmals im Zentrum agierte, doch seine Spielintelligenz ragt heraus. Er weiß genau, wo er sich wann zu positionieren hat und wann er ein Dribbling riskieren kann.
Neben seinem Spielverständnis verfügt er jedoch auch über ein starkes Passspiel. Unter seinen Vorlagen für Real Madrid lassen sich Pässe finden, die nicht viele Spieler auf der Welt hinbekommen. Doch auch seine technischen Fähigkeiten im Dribbling ragen heraus.
James ist da mit dem frühen Götze zu vergleichen, der speziell auf den ersten Metern sehr explosiv war und sich so einen Vorteil herausarbeitete. Der Kolumbianer ist deshalb nicht der typische Flügelspieler, den die Bayern in den vergangenen Jahren stellten. Doch im Ancelotti-System kann er diese Position durchaus bekleiden. Zumal es sowieso an der Zeit wäre, den Flügelfokus etwas zu lösen.
Als der Italiener bereits Trainer des Neuzugangs war, stellte er ein sehr flexibles und asymmetrisches 4-3-3 auf, in dem ein Flügelspieler sehr eingerückt agierte. Ansätze zu einrückenden Außen waren auch in der Frühphase beim FC Bayern zu erkennen. Es ist durchaus denkbar, dass James deshalb eher jemand für die Halbräume sein wird.
Darüber hinaus ist auch klar, dass Robben und Ribéry bereits auf ihrer Ehrenrunde sind. Beide werden nicht mehr lange ihr Niveau halten können und waren immer wieder längere Zeit verletzt. Dann einen James Rodríguez in der Hinterhand zu haben, ist natürlich purer Luxus.
Für den Kolumbianer kommen viele Rollen in Frage. Möglich ist auch die Zehner-Position im 4-2-3-1, wodurch Thiago wieder etwas tiefer agieren könnte. Eine weitere Option ist eine Doppel-Acht mit den beiden vor einem Sechser, der je nach Gegner Vidal oder Tolisso heißen könnte. Vidal kann genauso neben James in einer offensiveren Position spielen, die ihm beim Confed-Cup sehr entgegen kam. Thiago wäre mit seinem Gesamtpaket ein durchaus legitimer Nachfolger für eine spielerisch starke Lösung auf der Sechs.
Die Folgen der Verpflichtung
Wie diese Spekulationen zeigen, erweitert James die Breite des Mittelfelds enorm. Für jeden Gegner hat Carlo Ancelotti einen oder mehrere Spieler im Kader, um perfekt aufgestellt zu sein. Auch Verletzungen dürften dann nur noch im Extremfall eine Ausrede sein.
Doch natürlich hat dieser Transfer auch Auswirkungen auf die etablierten Spieler. Je nachdem wo der Kolumbianer zum Einsatz kommt, wird ein Spieler um seine Einsatzzeiten kämpfen müssen. Und dabei ist nicht mal die Rede von jungen Spielern wie Coman oder Sanches, für den eine Leihe ebenso im Raum steht wie für Gnabry, sondern von beispielsweise Thomas Müller.
Der Nationalspieler hatte letzte Saison große Probleme, die nicht nur mit individueller Form zu erklären waren. Ancelotti fand für seinen Angreifer nicht die perfekte Einbindung und Rolle. Im 4-3-3 gab es ebenso wenig einen Platz für Müller wie im späteren 4-2-3-1, weil der Trainer eine spielerisch starke Lösung bevorzugte.
Müllers Qualitäten sind einzigartig und die Lösung wäre eine bessere Rotation als in der vergangenen Spielzeit. Die Spieler von der Bank müssen zum Höhepunkt in der Lage sein, der vermeintlichen Stammelf richtig Druck zu machen. Für Müller bedeutet dies, dass er vor einem wichtigen Jahr steht.
Entweder wird das Eigengewächs ordentlich Spielzeit einbüßen oder sich wieder zeigen können. Dann dürfte der Konkurrenzkampf zwischen Ribéry, Robben, Coman, James, Thiago und eben Müller sehr spannend werden.
Ein Transfer, der den Bayern-Weg unterstreicht
Die Verpflichtung erweitert aber nicht nur die Optionen des Trainers, sondern zeigt auch, dass der Rekordmeister seinem Weg treu bleibt. Am besten lässt sich dies am Beispiel des Champions-League-Triumphs 2013 erklären.
Der Kader bestand damals aus einer Kombination zwischen Eigengewächsen und früh gescouteten Talenten (Schweinsteiger, Lahm, Müller, Alaba, Kroos, Badstuber…) sowie aus klugen Transfers, die sich ebenfalls noch differenzieren lassen. Da waren zum einen die herausragenden Spieler von der Bundesliga-Konkurrenz, die den nächsten Schritt national suchten (Neuer, Mandzukic, Gomez, Dante…).
Zum anderen gab es aber auch Spieler, die bei großen Klubs bereits als gescheitert galten oder zumindest Probleme hatten. Hierzu zählen Arjen Robben und Jérôme Boateng. Abschließend wären da noch die herausragenden Transfers von Javi Martínez und Franck Ribéry zu nennen, die zu ihrer Zeit sehr viel Geld kosteten und sofort funktionierten. Die ganz großen und vermeintlich fertigen Spieler wird der FC Bayern im Kampf mit Real Madrid und Barcelona nur selten bis gar nicht bekommen.
Der Mix aus genannten Spielern schaffte es dennoch, sich kontinuierlich zu entwickeln und schließlich 2013 das Triple zu holen. Die Bayern haben ihre aktuellen Leistungsträger bis mindestens 2021 gebunden, was bedeutet, dass es das Ziel sein sollte, mit einer ähnlichen Entwicklung bis dahin erneut den großen Wurf zu schaffen.
Jeder Transfer der aktuellen Periode lässt sich in den Bayern-Weg eingliedern und auch die jüngsten Erfolge im Jugendbereich lassen hoffen. Bei James Rodríguez dürfte am ehesten ein Vergleich mit Robbens damaliger Situation angebracht sein. Der Kolumbianer hatte zuletzt Probleme, sich in der Stammelf zu etablieren und sucht bei den Bayern die Möglichkeit, seine ganze Klasse dauerhaft zeigen zu können.
Für die Münchner ist dies mit wenig Risiko belegt, da sie die Kaufoption, die laut verschiedenen Medienberichten irgendwo zwischen 35 und 60 Millionen Euro liegt, in zwei Jahren nicht zwingend zahlen müssen. Deswegen und, weil die Leihgebühr mit den Costa-Millionen verrechnet werden kann, ist das Geschäft ein Gewinn für alle Parteien.