Jamal Musiala in der Analyse: Was macht ihn zum Unterschiedspieler für den FC Bayern?

Louisa Trenner 07.02.2023

Nicht umsonst wurde er von der Miasanrot-Redaktion zum Spieler des Monats August und November gekürt und war in allen anderen Monaten in der engeren Auswahl. Weltstar, hochbegabt, Wunderknabe – dass Musiala außergewöhnliche Fähigkeiten hat, wurde in den vergangenen Monaten medial und auch bei uns im Blog häufig thematisiert. Wir reihen uns in die Versuche einer Analyse seiner Fähigkeiten ein haben uns mit der Frage auseinandergesetzt:

Was macht Jamal Musiala zu einem Unterschiedspieler?

Welche Fähigkeiten und Eigenschaften bringt er mit, die ihn auf dem Spielfeld bereits im Altern von 19 Jahren so außergewöhnlich erscheinen lassen?

Gegen den Strom

Constantin Eckner hat in seinem Gastbeitrag sehr schön herausgearbeitet, dass Musiala ein „disruptives Element“ darstellt. Er sorgt für Überraschungsmomente, indem er Situationen sucht, die zunächst unergiebig erscheinen – z. B., indem er in Verteidigungsformationen mit mehreren Gegenspielern eindringt und sich selbst den Raum dadurch verengt. Das haben wir zuletzt wieder bei seinem Traumsolo am 19. Spieltag der Saison 22/23 gegen den VfL Wolfsburg gesehen.

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Da Musiala es jedoch wie aktuell kaum ein anderer Spieler versteht, den Ball auf engstem Raum zu behaupten, zwischen Gegenspielern durchzugleiten und sich in den unmöglichsten Situationen in günstige Abschlusspositionen zu bringen, ist das „Schwimmen gegen den Strom“ in seinem Fall häufig eine sinnvolle Option. Warum aber gelingt es ihm vergleichsweise so gut, sich selbst oder andere Mitspieler auf engstem Raum in gute Ausgangspositionen zu bringen?

Schlangenartige Bewegungen

Eine der auffälligsten Fähigkeiten Musialas, die ihn von anderen Spielern abgrenzt, sind wohl seine „schlangenartigen Bewegungen“, wie Nagelsmann sie nennt. Er ist sehr leichtfüßig und arbeitet mit ganz kurzen, schnellen und feinen Bewegungen. Häufig streichelt er den Ball nur in eine Richtung und gibt ihm den entscheidenden Drall für seine geplante Anschlussaktion, verschafft sich dadurch aber gleichzeitig die Möglichkeit, den Ball so eng am Fuß zu behalten, dass er ihn jederzeit kontrollieren kann – auch, wenn er aus dem Gleichgewicht gebracht wird oder die Spielsituation sich verändert.

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Standhaftigkeit

Musiala bringt 1,84 m Körpergröße und 72 kg Gewicht mit. Im Vergleich zur vergangenen Saison hat er zwar ordentlich an Muskelmasse zugelegt (Goretzka scheint seine selbstauferlegte Aufgabe erfolgreich angenommen zu haben), dennoch gehört Musiala immer noch zu den eher schmächtigeren Fußball-Profis. Was ihn aber auszeichnet, ist seine Standhaftigkeit trotz seiner schmächtigen Statur. Es stimmt wohl, dass er häufig ins Straucheln gerät, doch davon lässt er sich selten aus der Ruhe bringen. Er scheint in jeder Situation weiterlaufen und seine geplante Aktion zu Ende spielen zu wollen – selbst, wenn er sich schon im Fallen befindet. Eine Beispielszene hierfür stammt aus dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg am 2. Spieltag der Saison 22/23, als er sich vor seinem Treffer zum 1:0 durchsetzt, obwohl er bereits zu Fall gebracht wurde. Auch sein Tor zum 5:1 im Rückspiel gegen die Wolfsburger zeigt diese Qualität deutlich.

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Torriecher

Auch, wenn Musiala kein klassischer Stürmer ist, bringt er eine absolut überragende Stürmerqualität mit: Er weiß, wo das Tor steht. Musialas Torgefahr entsteht unter anderem aufgrund seines sehr guten Abschlusses. Er bringt sowohl Wucht als auch Überlegtheit mit und kann gut differenzieren, welche Art des Abschlusses in welcher Situation angebracht ist. Er hat die technischen Qualitäten, verschiedene Abschlussarten (Schlenzer, Vollspann, Heber, Flatterball) technisch sauber und präzise umzusetzen und an die Position des Torhüters anzupassen.

Freilaufbewegung und erster Kontakt

Musiala versteht es sehr gut, sich selbst durch vorgeschaltete Aktionen ohne Ball in gute und gefährliche Ausgangssituationen zu bringen. Auffällig ist, dass er sich sehr gut zwischen den Linien bewegt. Zudem ist sein erster Kontakt häufig sehr gut gesetzt und er weiß genau, in welche Richtung er sich aufdrehen muss.

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Im Freilaufverhalten selbst ist bei Musiala auffällig, dass er auch da ein gutes Timing hat. Er weiß, wann er einen Gegenspieler locken muss und wann er wieder abstoppen muss, um sich den nötigen Platz zu verschaffen. Ähnlich wie Sané erkennt er gefährliche Räume extrem gut und weiß, wo er sich positionieren muss, um entweder sich selbst oder einen Mitspieler in eine gute Ausgangsposition zu bringen.

Planvolle Aktionen

Musialas kurze, schnelle und feine Bewegungen haben wir bereits thematisiert. Es ist an dieser Stelle noch wichtig, hervorzuheben, dass er seine Körpertäuschungen immer mit Ziel einsetzt. Er hat die jeweilige Anschlussaktion bereits vor Augen und nutzt Körpertäuschungen gezielt, um in die gewünschte Ausgangspositionen für einen Abschluss oder Pass zu kommen. Diese Fähigkeit haben wir bereits im Artikel zum Spieler des Monats August 2022 unter dem Begriff „Rationalität“ zusammengefasst und ausführlich beschrieben. Die Kurzfassung ist, dass Musiala pragmatisch an seine Aktionen herangeht. Er scheint diese mechanisch zu kalkulieren und setzt „Zirkus-Nummern“ nur ein, wenn sie ihm in der jeweiligen Situation dahingehend zielführend erscheinen, dass ein Torerfolg wahrscheinlicher wird.

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Gespür für Entscheidungen

Auch mit Blick auf die Deutschland-Spiele bei der WM in Katar wurde Musiala zuletzt immer wieder vorgeworfen, ihm fehle der Blick für die Mitspieler und er sei teilweise zu egoistisch, da er so häufig selbst ins Dribbling geht. Constantin Eckner hat in seinem Gastbeitrag herausgearbeitet, warum Musialas Dribblings häufig sinnvoll sind und von Egoismus nicht die Rede sein kann. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und Musiala auf Basis der Hinrunde der Saison 22/23 ein Gespür für Entscheidungen als Kernqualität attestieren. Die Fähigkeit, zu erkennen, wann er selbst und wann ein Mitspieler besser positioniert ist, ist bei Musiala durch seine Uneigennützigkeit extrem ausgeprägt. Er trifft situationsabhängig sehr gute Entscheidungen, wer in der besseren Ausgangsposition ist.

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Vielleicht ist Musialas Bodenständigkeit, die auch von Nagelsmann oft gelobt wird, hier ein wichtiger Faktor. Vielleicht spielt es eine Rolle, dass er kein „Ego“ ist und dadurch seine Aufmerksamkeit anders lenken kann. Für ihn steht nicht im Mittelpunkt, dass er ein Tor erzielt, sondern dass sein Team ein Tor erzielt. Dadurch hat er einen überragenden Blick für den am besten positionierten Mitspieler.

Geschwindigkeit

Musiala bringt eine extreme Geschwindigkeit in verschiedenen Bereichen mit – mit dem Ball am Fuß, im Antritt und in der Spitzengeschwindigkeit (um 34 km/h) aber auch „im Kopf“ was seine Wahrnehmung und Entscheidung und damit die Informationsverarbeitung betrifft. Er ist auf allen Ebenen schnell. Auch seine Mit- und Gegenspieler sind Profis und sehr schnell – viele aber nicht auf allen Ebenen und vor allem nicht auf allen Ebenen gleichzeitig. Dadurch ist Musiala ihnen häufig an einer entscheidenden Stelle voraus – entweder auf den Füßen oder im Kopf.

Fazit

Musialas Kernqualität liegt aktuell darin, dass er situationsbedingt oft richtige Entscheidungen trifft. Durch seinen klaren Fokus auf das Ziel, als Team ein Tor zu erzielen, scheint seine Aufmerksamkeit extrem darauf ausgerichtet zu sein, wann welche Aktion sinnvoller ist, um diesem Ziel näher zu kommen. Mal ist es ein Dribbling, mal ein überlegter Pass, mal eine Freilaufbewegung, um Raum für sich oder für andere freizuziehen, mal ein eigener Abschluss. Technisch kann er so gut wie alles in höchster Qualität umsetzen.