HAMBURG, GERMANY - OCTOBER 21: Kingsley Coman of Bayern Muenchen (l) is challenged by Gideon Jung of Hamburg, which results in a red card for Jung during the Bundesliga match between Hamburger SV and FC Bayern Muenchen at Volksparkstadion on October 21, 2017 in Hamburg, Germany. (Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Hamburger SV – FC Bayern München 0:1 (0:0)

Maurice Trenner 21.10.2017

Falls ihr es verpasst habt

Zum ersten Mal tauschte Heynckes in der Startelf etwas durch und brachte im Vergleich zum Champions-League-Sieg gegen Celtic Glasgow am vergangenen Mittwoch gleich fünf Neue. Der bisherige Dauerbrenner Kimmich bekam eine wohlverdiente Pause und wurde durch Rafinha ersetzt. Neben Hummels vertrat Süle in der Innenverteidigung Boateng.

HSV-FCB, GrundformationenHSV-FCB, Grundformationen

Im Mittelfeld vertraute Jupp auf eine komplett neue Besetzung und ließ den wiedererstarkten Müller sowie Rudy und Thiago auf der Bank. Für die drei durften erstmals in dieser Saison Vidal, Tolisso und James gemeinsam ran. Offensiv gaben wie schon zuletzt Coman, Lewandowski und Aushilfs-Kapitän Robben die Dreierreihe.

Auch Markus Gisdol brachte beim HSV einige Neue. Wie bereits unter der Woche trainiert, stellte der HSV-Coach eine Fünferkette auf, wodurch Papadopolus, van Drongelen und Douglas Santos in die Mannschaft rückten. Kapitän Sakai und Jung, die gegen Mainz noch in der Viererkette agierten rückten auf ins defensive Mittelfeld. Für die Durchschlagskraft nach vorne sollten Hunt, Hahn und Wood sorgen.

Durch das Unentschieden der Dortmunder in Frankfurt am frühen Nachmittag war klar, dass die Münchner durch einen Sieg zum Tabellenführer aufschließen, bei einem hohen Sieg sogar den Spitzenplatz zurückerobern können würden. Dementsprechend motiviert sollten die Bayern in die Partie gehen.

Doch das hohe Anlaufen der Hamburger verunsicherte die Bayern am Anfang sichtlich. Gerade das neu formierte Mittelfeld tat sich zu Beginn schwer und verlor den einen oder anderen Ball im Aufbau. So hatte auch Hahn in der dritten Minute den ersten Torschuss der Partie, den Ulreich jedoch ohne Probleme entschärfte.

In der Folgezeit versuchte Bayern das Spiel mehr in die Hand zu nehmen, tat sich aufgrund vieler kleiner Fehler und Ungenauigkeiten im Aufbau aber schwer, sich in der Hälfte der Hamburger festzuspielen. Auch daher waren Chancen in der ersten Viertelstunde Mangelware. Eine strukturierende Hand im Aufbau, die zudem etwas Kreativität in das Offensivspiel gegen die kompakt verteidigenden Hamburger verpackte, fehlte hier.

Die erste vielversprechende Offensivaktion der Bayern gab es nach knapp 20 Minuten. Nach einem Ballgewinn machte Coman das Spiel schnell und passte auf Robben in die Schnittstelle der Abwehr, der dann jedoch abgedrängt nur das Außennetz traf.

Über die erste halbe Stunde hinweg konnte Bayern weder durch Passstafetten noch durch Einschnüren des Gegners Chancen erzwingen. Die wenigen Halbchancen, die die Münchner kreierten, waren ausschließlich Einzelaktionen. Das hohe Pressing der Hanseaten setzte München sichtlich zu, da die Anspielstationen im Mittelfeld kontinuierlich fehlten. Richtig gefährlich wurde es für die Hintermannschaft des HSV nicht. Vielmehr nutzte Hamburg die Überforderung der Bayern aus und setzte die Hintermannschaft der Roten etwas unter Druck, wobei auch hier keine zwingenden Tormöglichkeiten entstanden.

Ab der 39. Minute musste Hamburg dann in Unterzahl spielen. Nach einer erfolglosen HSV-Ecke leitete Coman den Konter ein und wurde von Jung von hinten ohne Chance auf den Ball umgegrätscht. Schiedsrichter Fritz schickte den defensiven Mittelfeldspieler vorzeitig duschen. Eine harte, aber korrekte Entscheidung. Der Platzverweis erhitzte die Gemüter im Stadion und auf dem Rasen sichtlich.

Zur Halbzeit war Heynckes gezwungen zu handeln und brachte Müller für einen wenig eingebunden und mit Gelb vorbelasteten James. Die Hamburger blieben ohne Wechsel. Hunt rückte auf die nach dem Platzverweis vakante Stelle im defensiven Mittelfeld.

Die Hamburger spielten zu zehnt nun deutlich abwartender und platzierten sich tiefer, was den Münchnern den Zugriff etwas erleichterte. Ein Schuss von Vidal aus zwanzig Metern verstrahlte zumindest einen Hauch von Torgefahr (48.).

Nach 52 Minuten fiel dann das 0:1 durch Tolisso. Vidal verlagerte auf links zu Alaba der in die Mitte flankte. Dort trat Mavraj über den Ball, wodurch Müller den Ball fünf Meter vor dem Tor quer zu Tolisso legen konnte. Der Franzose vollendete ins kurze Eck, ohne Mathenia eine Chance zu lassen.

Quasi im Gegenzug erspielte sich der HSV die beste Chance. Sakai durfte von rechts ungestört an drei Münchnern vorbeidribbeln, bevor Süle im Strafraum zu einer Grätsche greifen musste. Dessen Rettungsaktion landete bei Hahn, der Ulreich per Schuss aus sechzehn Metern zu einer schönen Parade zwang (53.).

Keine Minute später musste bei Bayern ausgerechnet der kurz zuvor eingewechselte Müller mit einer Verletzung im rechten Oberschenkel vom Feld. Für ihn brachte Heynckes Thiago (54.). Zur vollen Stunde wechselte auch Hamburg erstmals und Holtby betrat das Feld für Hunt.

In der Folge verstanden die Bayern es zwar, Hamburg am eigenen Sechzehner einzuschnüren, aber man verpasste es, sich zwingende Möglichkeiten zu erspielen. Allzu oft griff man auf das Patentrezept der letzten Woche – die Flanke – zurück, die keine Abnehmer in der Mitte fanden. Die gestaffelte Strafraumbesetzung mit nachrückenden Mittelfeldspielern, die gegen Glasgow noch eine große Stärke war, wurde in Hamburg vernachlässigt.

Das Spiel plätscherte von Bayern gefühlt vor sich hin. Tolisso zeigte sich gegen zehn Hamburger verbessert und wusste sich durch kleine Positionswechsel mit Thiago immer wieder des Hamburger Zugriffs zu entziehen. Gefährlich wurden die Münchner jedoch nur aus der Distanz. Nach einer Ecke konnte Thiago per Fernschuss einen Pfostentreffer verbuchen (70.). Kurz darauf strich ein Gewaltschuss von Süle rechts am Tor vorbei (72.).

Mit einer viertel Stunde Zeit auf der Uhr warf Gisdol sein Konzept über den Haufen und brachte mit Ito und Kostić zwei Neue, wodurch die Fünferkette aufgelöst wurde. Der HSV wollte hier doch noch einen Punkt mitnehmen.

Doch direkt danach bekam Hummels die Chance zur Entscheidung, verfehlte per Kopfball nach der Ecke jedoch das Tor knapp (77.).

Die Wechsel bei Hamburg machten das Spiel offener, auch weil den Hanseaten die Struktur in der Verteidigung nun fehlte. Robben scheiterte nach einem schön durchgesteckten Pass von Lewandowski an Mathenia (81.). Die anschließende Ecke köpfte Tolisso an den Pfosten (82.). Auch Hamburg verstand es, speziell über Ito, die Bayern-Defensive auf Trab zu halten.

In dieser Phase versäumte Bayern es, die zunehmend größer werdenden Lücken in der HSV-Defensive zu bestrafen. Gleich mehrmals verpassten Thiago, Vidal und Robben die Entscheidung bei besten Chancen im Sechzehner. In der Nachspielzeit scheiterte Lewandowski per Hacke daran, eine flache Hereingabe von Coman zu vollenden.

Letztendlich gewannen die Bayern verdient aber glanzlos das Auswärtsspiel in Hamburg. Besonders in der ersten Hälfte zeigte man besorgniserregende Rückfälle in vergessen gedachte Ancelotti-Zeiten. Nach dem Platzverweis konnte man die 1:0-Führung durch Tolisso meist souverän über die Zeit bringen, wobei man es verpasste den Sack frühzeitig zuzumachen. Gegen Leipzig und Dortmund wird in den nächsten Wochen eine ordentliche Leistungssteigerung notwendig sein.

Drei Dinge, die auffielen

1. Überfordert gegen hohes Pressing

Bereits nach nichtmal einer Minute wurde der Matchplan von Gisdol deutlich. Mit seinen Hamburgern wollte er sich nicht im eigenen Sechzehner verschanzen, sondern die Bayern mit extrem hohen Pressing überraschen. Dies funktionierte aufgrund der sich aufdeckenden strukturellen Probleme der Bayern sehr gut.

Symbolisch für diese Probleme der Bayern war eine Aktion in der 33. Minute, als Vidal am eigenen Sechzehner angelaufen wurde und hektisch zu Hummels in die Mitte passte, der selbst ebenfalls angelaufen wurde. Ein kleiner Stockfehler bei der Annahme führte zu einer undurchsichtigen Aktion im Bayern-Strafraum, bei der Ulreich, Süle und Hummels gleich mehrfach retten mussten.

Vidal präsentierte sich immer wieder in seiner besten Alonso-Imitation und versuchte durch ein Abkippen zwischen die Innenverteidiger dem Pressing zu entkommen. Das Überspielen des Pressings, das gegen Freiburg aufgrund der Staffelung von Martinez und Thiago noch lobenswert war, funktioniert gar nicht mehr. Dies lag auch, aber nicht nur an Vidal, der in einem solchen Spiel dennoch mehr in die Verantwortung rücken und versuchen muss, eigenständig Lösungen zu finden.

Während Martinez in der Vorwoche noch seinen Mittelfeldpartner Thiago und die hoch aufgerückten Außenspieler als Anspielstationen hatte, wurden die Verteidiger und Vidal durch das Hamburger Pressing isoliert. Speziell Tolisso verstand es zu selten, sich hier als Anspielstation aufzudrängen. Auch die Option auf Außen wusste der HSV zu verhindern.

Generell zeigte sich Tolisso mit dem hohen Pressing überfordert. Nicht nur, dass er sich zu häufig in den Deckungsschatten fallen ließ, auch wenn er am Ball war, traf er zu häufig falsche Entscheidungen. So brachte er zur Halbzeit nur 18 Pässe an den Mann, wobei er bis zum Platzverweis eine Passquote von mageren 63% aufweisen konnte.

Hier zeigten sich die Bedenken, die bereits vor der Saison gegenüber Tolisso geäußert wurden. Eine solche Art von Pressing ist der junge Franzose aus der heimischen Liga nicht gewohnt. Umso wichtiger ist es daher, dass er durch ein taktisches Konzept und einen passsicheren Partner auf der Doppelsechs unterstützt wird. Gegen Hamburg war heute beides scheinbar nicht vorhanden.

Das Verhalten gegen das Pressing war ein Rückschritt. Gerade mit Blick auf die kommenden Partien gegen starke Leipziger sollte Heynckes seinen Fokus auf die Bewältigung dieser Situationen legen.

2. Ohne Zugriff gegen elf Hamburger

Bedingt durch die Probleme, sich aus dem Pressing des Hamburger SV zu lösen, konnte auch kein strukturierter Aufbau nach vorne erfolgen. Die Abstände zwischen Abwehr und Angriff waren zum Beispiel durch das Abkippen von Vidal zu groß. Eine strukturelle Herausforderung, welche die Bayern bereits unter Ancelotti verfolgte.

Wenn die Bayern es doch mal schafften, die erste Pressingwelle zu überspielen, fehlte im nächsten Schritt die Kreativität. Weder Tolisso noch Vidal schafften es, durch kluge Pässe einen oder mehrere Hamburger aus dem Spiel zu nehmen. Ein Spielaufbau mit mehr als fünf, sechs Pässen in Folge war selten.

Dadurch hing auch James in der Luft. Der Neuzugang durfte zuletzt unter Heynckes nur kurz ran und war daher umso mehr im Blickpunkt des heutigen Spiels. Der Kolumbianer hatte hiermit jedoch sichtlich Schwierigkeiten, da Hamburg ihn immer wieder konsequent nach Ballannahmen anging. Im Zusammenspiel mit seinen Offensivpartnern fehlten zudem die Automatismen. Auch daher erreichten seine Pässe Robben und Coman oft nicht in der Vorwärtsbewegung sondern leicht im Rücken.

Ein Teamkonzept war über große Strecken ebenfalls nicht erkennbar. Das Hinterlaufen des Rechtsverteidigers auf der Seite von Robben mit anschließendem Überladen des Halbraums durch den Zehnerspieler, das gegen Glasgow großartig funktionierte, war nicht zu sehen. Das Wechselspiel zwischen Coman und Alaba auf der linken Seite ebenso wenig. Auch weil Bayern kaum in die jeweilige Position kam.

Noch mehr als James hing Lewandowski in der Luft. Der Pole wurde fast nur mit langen Bällen gesucht. Wenn er den Ball mal behaupten konnte, war jedoch nur selten ein Roter in der Nähe, den Lewandowski hätte anspielen können. Das Nachrücken der zentralen Mittelfeldspieler war hier mangelhaft. Selbstverständlich machte sich auch die noch mangelnde Vertrautheit mit James hier bemerkbar. Am Ende standen 23 Ballaktionen für Lewandowski zu Buche.

Wenn es mal gefährlich wurde, dann nur, als Bayern aus der Abwehr heraus mit langen Bällen das Pressing der Hamburger überspielte und die schnellen Außen Coman und Robben lang schickte. Jedoch wurden diese zu selten über nachrückende Spieler unterstützt und mussten sich in direkte Duelle mit mindestens einem Abwehrspieler verstricken lassen.

3. Unglückliche und unerwartete Heynckes-Rotation

Die Aufstellung der Münchner mit fünf Änderung kam für viele überraschend, hatte Heynckes doch angekündigt ohne größere Verletzungen erstmal der Mannschaft zu vertrauen, die gegen Freiburg und Glasgow erfolgreich war.

Die Entscheidung ist zwar aus stimmungstechnischen Gründen in der Mannschaft sicherlich vertretbar, erwies sich allerdings als mindestens unglücklich. Die Doppelsechs von Tolisso und Vidal war wie beschrieben mit dem Hamburger Pressing überfordert. Für einen gemeinsamen Einsatz ähneln sich die Spielertypen des Chilenen und Franzosen zu sehr. Hier sollte Heynckes für die Zukunft versuchen mindestens einen passstarken zentralen Mittelfeldspieler wie Thiago oder Rudy mit Tolisso, Vidal oder Martinez zu paaren, um die Balance im Mittelfeld aufrecht zu halten.

Die Hereinnahme von Rafinha gegen den in den letzten Monaten stark belasteten Kimmich beeinflusste das Offensivspiel ebenso wie die Aufstellung von James, dem sichtlich die Unterstützung aus dem Mittelfeld fehlte.

Entsprechend kann die heutige Aufstellung als erster kleiner Schnitzer von Heynckes gesehen werden. Sein Versuch der Rotation ist im ersten Anlauf gescheitert. Das aktuelle Konstrukt der Münchner ist noch zu fragil und abhängig von der Klasse gewisser Einzelspieler, um einen großen Austausch zu verkraften.

Nach der heutigen Leistung ist davon auszugehen, dass Heynckes in den anstehenden wichtigen Spielen wieder mit seiner Elf aus den ersten beiden Spielen auf den Platz gehen wird. Wie es Heynckes schafft, dass sich dies nicht negativ auf die Stimmung der Spieler niederschlägt, die dadurch außen vor gelassen sind, wird spannend zu sehen sein. Bereits letzte Woche verkündete er, dass hierfür viele Einzelgespräche notwendig sind.

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Mehr Informationen

Hamburger SV – FC Bayern München
Hamburg Mathenia – Van Drongelen (76. Ito), Mavraj, Papadopoulos – Santos, Sakai, Jung, Diekmeier – Hunt ( 62. Holtby), Hahn (76. Kostić) – Wood
Bank Pollersbeck, Walace, Schipplock, Waldschmidt
Bayern Ulreich – Alaba, Hummels, Süle, Rafinha – Vidal, Tolisso – Coman (90+3. Kimmich), James (46. Müller, 55. Thiago), Robben – Lewandowski
Bank Starke, Boateng, Rudy, Wriedt
Tore 0:1 Tolisso (52.)
Karten Gelb: Sakai (73.) – / James (45.), Tolisso (75.); Rot: Jung (39.) / –
Schiedsrichter­ Marco Fritz (Korb),Dominik Schaal (Tübingen), Marcel Pelgrim (Hamminkeln-Loikum), Robert Schröder (Hannover), Manuel Gräfe (Berlin)
Zuschauer 57.000 ausverkauft

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