„Das individuelle Talent der Spieler ist sensationell“
Unser Interview-Gast Michael Körner ist einer, der den Basketball im deutschen Fernsehen fast von Anfang an begleitet hat. Bereits in den 90er-Jahren kommentierte er im privaten Fernsehen die amerikanische Profiliga NBA. Danach wechselte er zu DSF/Sport1 und kommentierte fast alle Übertragungen mit dem orangefarbigen Leder. Seit 2014 ist er für MagentaSport als Kommentator, Moderator und auch Podcast-Host tätig und berichtet über die Beko BBL und Euro League.
Miasanrot: Hallo, Herr Körner! Vielen Dank, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben, in einem kurzen Interview die bisherige Saison der Bayern-Basketballer für uns bei Miasanrot Revue passieren zu lassen. Steigen wir direkt ein: Nach der Hauptrunde Tabellenführer, damit Heimvorteil in den Playoffs und zwischenzeitlich sogar auf dem Weg zur perfekten Saison. Wie zufrieden darf man beim FC Bayern mit der Spielzeit bisher sein?
Michael Körner: Abgerechnet wird bekanntlich zum Schluss. Drei Titel kann man erringen vor Beginn einer Saison. Am Ende wird es maximal einer werden. Euroleague war sicherlich eine gute Saison, trotzdem bleibt auch das eine oder andere Spiel in Erinnerung, das man hätte gewinnen können. Man ist nicht schlechter als Kaunas und die waren mal wieder in den Playoffs. Aber Spiele wie gegen Fener oder Barça waren natürlich irre spannend und sehr gut.
Im BBL-Pokal schied man hingegen als Titelverteidiger gegen den Dauerrivalen ALBA Berlin im Viertelfinale aus. Welchen Stellenwert hat der Pokal im Basketball und wie sehr trübt das Aus im Pokal die Saisonbilanz der Bayern?
Da würde ich unterscheiden. Ich persönlich führe seit Jahren eine Diskussion über einen sportlich interessanteren Wettbewerb. Mir fehlt da so ein wenig der Pokal-Charakter. Und auch die Belohnung für den Titelgewinner, z.B. eine Quali für einen internationalen Wettbewerb. Das kann die BBL natürlich nicht alleine einrichten. Für einen Verein ist es eine spannende Herausforderung, da es ein kurzer Weg zum Titel ist. Allerdings hat mich beim neuen Modus auch die Tatsache gestört, dass ein Verein im Finale einfach Heimrecht hat. Und dann auch nur das normale Auswärtskontingent an Karten zur Verfügung stellen muss. Aus Bayern-Sicht war die Pokal-Niederlage gegen ALBA sicherlich die schmerzhafteste Niederlage der Saison. Aber sie hat auch Gutes bewirkt, da man im Anschluss viel mit dem Coach gesprochen hat.
Erstmals durfte der FC Bayern in der “neuen” Euro League – der Champions League des Basketballs – antreten. Dabei bekam München eine der fünf jährlichen Lizenzen im Gegensatz zu den elf festen Mitgliedern. In der Gruppenphase treten alle 16 Mannschaften zwei Mal gegeneinander an. Wie ist ihre Meinung zu dieser Form der Euro League? Wie sehr führt dies zu einer Überlastung des Terminkalenders?
Ich bin kein Freund von diesem Modus. Es dauert einfach viel zu lange, bis es zu den relevanten Spielen kommt. Es ist eine sehr, sehr lange Saison. Sie verläuft in einem ähnlichen Spannungsbogen wie die heimische Liga, was ich schon mal kontraproduktiv finde. Einen Gruppenmodus mit mehreren Gruppen und späteren K.o.-Spielen finde ich attraktiver. Und dazu bin ich auch gegen diese zunehmende geschlossene Gesellschaft. Für mich gehört eine sportliche Qualifikation über nationale Ligen einfach dazu. Ich mag allerdings die Spiele in der Euroleague. Sie sind intensiv und oft hochklassig.
Die Bayern scheiterten als Elfter der Gruppe in dieser Saison knapp am Einzug in die Playoffs, feierten allerdings gerade daheim auch Achtungserfolge gegen Athen, Istanbul und Mailand. Mit welchem Fazit können die Münchner aus dem Wettbewerb gehen?
Wie bereits erwähnt, insgesamt ist es sicher zufriedenstellend. Also als Schulnote die 3. Vom mannschaftlichen Talent wäre auch Platz 8 möglich gewesen.
Blicken wir kurz in die Zukunft. Muss es für die Bayern ein Ziel sein, zukünftig in der Euro League eine größere Rolle zu spielen und ist das realistisch?
Das muss sicherlich ein Ziel sein. In zwei Jahren kommt eine schicke, moderne Halle. Da sollte man sportlich schon in der Lage sein, zu den besten acht Teams in Europa zu gehören. Das ist ja generell der Anspruch des Gesamtvereins. Natürlich ist das alles eine finanzielle Frage. Eine signifikante Erhöhung aus dem Umfeld Basketball über Vermarktung, Ticketing, Merchandising und TV-Lizenzierung ist nicht in Sicht. Daher wird weiteres Wachstum auch nicht leicht.
Zu Beginn der Spielzeit war viel über Derrick Williams zu lesen, der über NBA-Erfahrung verfügt und 2011 immerhin zweiter Pick im Draft war. Wie hat sich der Amerikaner in München eingelebt und welche Rolle hat er im System der Bayern eingenommen?
Derrick Williams hat dem Verein sehr gut getan. Er verfügt über eine starke Ausstrahlung, sportlich eine Eins, dazu noch spektakulär in seinen Aktionen. So macht man sich zum Liebling der Fans. Auch für die Außendarstellung ist ein Strahlemann sehr wichtig. Man hätte ihn im Team vielleicht noch etwas besser in die Spielsysteme einbinden können. Aber ein Top-Sportler, sehr freundlich.
Ich habe das Gefühl, dass sich mit Hoeneß deutlich mehr bewegt. Sowohl im Verein als auch im Ligageschäft. Er ist ein großer Basketball-Fan und das ist logischerweise sehr hilfreich.Michael Körner über die Rolle von Präsident Uli Hoeneß
Den entgegengesetzten Weg von Williams ging ja Maxi Kleber, der in der vergangenen Saison für die Dallas Mavericks teilweise sogar starten durfte. Gibt es im aktuellen Kader Spieler mit Potential und Ambitionen auf die NBA?
Ich traue mich sowas eigentlich kaum zu sagen, weil ich mir natürlich wünsche, dass die großen Kaliber der BBL erhalten bleiben. Maodo Lô hat viel Potenzial, aber in den USA gibt es natürlich viel athletische Konkurrenz auf seiner Position. Barthel hat eine irre Saison gespielt. Die Sache mit der NBA ist ja die: Du musst als Spieler eine gewisse Rolle erfüllen. Abgesehen von den 30 Superstars, die machen was sie wollen. Aber nimm mal einen Daniel Theis. Der füllt seine Rolle aus. Holt Rebounds, versucht Spieler zu blocken. Ist mit wenigen Minuten glücklich. Passt. Aber ist das wirklich etwas, was für jeden Spieler gilt? Danilo kann in jedem Euroleague Verein in den nächsten Jahren eine zentrale Figur spielen und dabei gutes Geld verdienen. Will so einer ein Rollenspieler in der NBA sein? Mit acht Minuten pro Spiel?
Unter den Top-Scorern der Beko BBL sucht man vergeblich einen Bayern-Spieler. Welcher Einzelspieler sticht dennoch aus dem Gefüge heraus?
So richtig keiner, das macht den Kader ja so stark. Lučić hat eine sehr starke erste Hälfte gespielt. Đedović spielte das beste Jahr seiner Karriere. Jović war immer dann super, wenn er gesund war. Barthel und Lô habe ich erwähnt. Komischerweise ist auch selten ein Bayern-Spieler in der näheren Wahl zum MVP der Liga, obwohl es völlig normal wäre, wenn es einer von den genannten würde.
Gibt es im Kader der Münchner einen Spieler, der Sie besonders überrascht hat?
Đedović hat mich schon etwas überrascht. Er war konstant stark, offensiv wie defensiv. Eine sensationelle Saison.
In der NBA wird spätestens seit der aktuellen Saison von allen Teams ein großer Fokus auf das Werfen von Dreipunktwürfen gelegt. Dadurch sind auch die erzielten Punkte stark angestiegen. Ist ein ähnlicher Trend auch in der BBL zu erkennen?
Absolut. Der Trend geht eindeutig zu leichten Punkten über Korbleger oder dem Dreier. Seitdem “bewiesen” ist, dass halbgute Abschlüsse aus der Mitteldistanz nicht effizient sind, wird mehr und mehr in diese Richtung gedacht. Anadolu hat neulich gegen Barca 39 Dreier geworfen. 39!
Wenn Sie das Spiel der Bayern anschauen, wo liegen dort die Stärken und wo die Schwächen?
Das individuelle Talent der Spieler ist sensationell. Sie können – wenn sie wollen – wirklich sehr gut verteidigen. Sie sind eine bockstarke Fastbreak-Mannschaft. Ich finde es auch sehr hilfreich, dass sie mit Jović und Lô zwei Point Guards haben, die unterschiedlich ausgerichtet sind. So kannst du offensiv viel variieren.
Gerade in der Anfangszeit versuchte sich Bayern über viele langjährige Nationalspieler wie Steffen Hamann oder Demond Greene zu etablieren. Sind diese Spieler heute noch im Verein eingebunden, wie dies bei den Fußballern beispielsweise üblich ist?
Darüber bin ich nicht 100%ig informiert. Aber Demond ist als Coach im Jugendbereich aktiv.
Für mich sind die Bayern der Favorit auf den Titel. Momentan sehe ich keine Mannschaft, die in der Lage wäre, die Bayern dreimal zu schlagen. Und es muss natürlich das logische Ziel sein.Michael Körner über die Titelchancen der FC Bayern Basketballer
Im Interview mit der “TZ” meinte Uli Hoeneß unlängst, dass “die Abhängigkeit des Basketballs beim FC Bayern von meiner Person größer als die des Fußballs. Der Basketball hat in der Zeit, in der ich nicht beim Verein sein konnte, ein wenig gelitten.” Wie sehr können Sie diese Aussagen nachvollziehen? Welchen Einfluss hat Hoeneß tatsächlich bei den Basketballern?
Da ich keinen direkten Einblicke ins Innenleben habe, bleibt mir da nur mein subjektiver Eindruck. Ich habe das Gefühl, dass sich mit Hoeneß deutlich mehr bewegt. Sowohl im Verein als auch im Ligageschäft. Er ist ein großer Basketball-Fan und das ist logischerweise sehr hilfreich.
Vor Jahren öffnete Hoeneß im Interview bei “Bild” auch die Tore für eine Berater-Anstellung von Dirk Nowitzki. Nachdem die Mavs-Legende dieses Frühjahr nun endgültig seine Karriere beendete, als wie realistisch ist ein zukünftiges Engagement von Dirk bei den Bayern zu bewerten?
Das halte ich für unrealistisch, da ich glaube, dass Dirk seinen Lebensmittelpunkt in den USA sieht.
Ab der Saison 2021 werden die Münchner ihre Heimspiele im neugebauten SAP Garden ausrichten. Ist dies der notwendige Schritt für München, um die Basketball-Hauptstadt in Deutschland zu werden? Kann man auch davon ausgehen, dass die Arena ausverkauft sein wird?
Absolut notwendig, überhaupt keine Frage. Der Audi Dome hat, bei allem nostalgischen Charme, dann doch mal ausgedient. Ob der SAP Garden jedes Mal ausverkauft sein wird, wage ich zu bezweifeln. In München gibt es viel Konkurrenz … Und mit BBL und Euroleague hast du ohne Playoffs alleine schon mal 34 Heimspiele pro Saison. Das ist selbst für das gut verdienende Münchner Publikum eine finanzielle und nicht zuletzt auch eine zeitliche Herausforderung.
„Im Free-TV wird die Basketball-WM 2019 nicht übertragen. Die Exklusivrechte aller Spiele des Turniers in Deutschland besitzt Telekom-Sport. “ – Warum hat es Basketball noch immer so schwer ein Standing insbesondere in der TV Landschaft zu erhalten?
Über dieses Thema kann man Bücher füllen und lange Abende diskutieren. An dieser Stelle sei angemerkt, dass Magenta Sport die WM kostenfrei überträgt.
Den zweiten Punkt der Frage zu beantworten, dafür reicht der Platz nicht aus. Ich mache es mir einfach und sage, Deutschland ist ein Fußball-Land. Die Vermarktung des Profi-Fußballs und die Quantität der ausgestrahlten Inhalte ist auf einem absoluten Gipfel, mehr geht eigentlich nicht. Die Bay City Rollers haben auch erst richtig Platten verkauft, als es die Beatles nicht mehr gab. Fußball rasiert momentan alles. Da leidet ja nicht nur der Basketball.
Allgemein noch zwei kurze Fragen zur WM, die ab Ende August in China ausgetragen wird. Welche Rolle können die Bayern-Spieler im WM-Kader einnehmen? Wie stehen generell die Chancen der deutschen Mannschaft?
Aus dem Bayern-Kader sind für mich Lô und Barthel für die WM gesetzt. Die Chancen für das deutsche Team sehe ich sehr positiv. Aber es ist ein Turnier und da reicht ein schlechter Tag und alles kann für die Katz sein. Oder ein Aufeinandertreffen gegen die USA im Viertelfinale, was durchaus möglich ist, könnte auch nicht ideal sein.
Zum Abschluss noch der Blick in die unmittelbare Zukunft. Was erwarten Sie von den Bayern in den Playoffs? Ist die Titelverteidigung das einzige logische Ziel oder muss man vor gewissen Gegnern zittern?
Für mich sind die Bayern der Favorit auf den Titel. Momentan sehe ich keine Mannschaft, die in der Lage wäre, die Bayern dreimal zu schlagen. Und es muss natürlich das logische Ziel sein. Beste Chancen, den Bayern das Leben schwer zu machen hat ALBA Berlin. Bei allem Respekt vor der Saison von Oldenburg, aber der Vorteil in der Saison keine internationalen Spiele bestritten zu haben, könnte am Ende auch ein Nachteil sein. Gerade bezüglich der Härte und Intensität und Belastung einer Best-of-Five-Serie.