FC Bayern München Frauen - VfL Wolfsburg 1:0, 11.9.2015

FCB Frauen – VfL Wolfsburg 1:0 (1:0)

Jolle Trenner 12.09.2015

In der vergangenen Saison waren beide Begegnungen torlos ausgegangen und auch für dieses Spiel prognostizierte Tinja-Riikka Korpela im Torhüterinnen-Doppel-Interview mit Almuth Schult dem DFB ein Spiel ohne viele Tore.

Falls Ihr es verpasst habt

Gegen den Aufsteiger Köln hatte Tom Wörle in der Vorwoche Ersatztorhüterin Manuela Zinsberger zum Zuge kommen lassen und auch Laura Feiersinger durfte von Beginn an ran. Dafür hatte er Korpela und Melanie Leupolz eine Verschnaufpause gegönnt. Gegen Wolfsburg stand mit Blick auf die fitten Spielerinnen wieder die erste Elf auf dem Platz. Wie bislang immer liefen Nora Holstad, Caro Abbé, Gina Lewandowski, Leonie Maier, Lisa Evans, Melanie Behringer und Vivianne Miedema in der Startformation auf und auch die Stammkräfte Korpela, Leupolz, Viktoria Schnaderbeck und Sara Däbritz standen von Beginn an auf dem Feld. Damit hat sich Schnaderbeck derzeit an der sonst gesetzten linken Halbverteidigerin Raffaella Manieri vorbei gespielt.

Startaufstellungen FC Bayern München Frauen - VfL Wolfsburg 1:0, 11.9.20153-4-2-1 trifft auf 3-4-3/3-2-5

Während der Bayern-Trainer bislang 15 verschiedenen Spielerinnen das Vertrauen der Startelfnominierung schenkte, setzte sein Pendant Ralf Kellermann bislang erst zwölf Spielerinnen auf den Startplätzen ein. Almuth Schult im Tor, Noelle Maritz, Babett Peter, Nilla Fischer sowie Anna Blässe in der Verteidigung, Lena Goeßling und Élise Bussaglia auf der Doppelsechs sowie Ex-Münchnerin Julia Šimić, Lara Dickenmann und Alexandra Popp sind in der Offensive bislang gesetzt. Gegen Bayern durfte erstmals Neuzugang Ramona Bachmann starten, während die ebenfalls Neue Tessa Wullaert aus Belgien erstmals auf der Bank Platz nahm.

Wolfsburg mit dem besseren Start

Beiden Teams war der Respekt vor dem Gegner deutlich anzumerken, mit dem sie in dieses Spitzenspiel gingen. Wolfsburg fand besser in die Partie und zeigte die aufgeräumtere Feldaufteilung, während München sich deutlich nervös präsentierte. Der VfL presste gegnerorientiert hoch und stellte mit einer ballfernen Offensivspielerin auch den Passweg zurück auf Korpela zu, so dass sich Bayerns Mittelfeld häufig unter Druck an der rechten Seitenlinie wiederfand, ohne den sicheren Pass nach hinten spielen und neu aufbauen zu können. Die Gastgeberinnen ließen sich dadurch zwar nicht zu katastrophalen Passentscheidungen zwingen, sondern hielten konzentriert mit klugen Bewegungen am Ball und dem gewohnt gekonnten Kurzpassspiel in der Enge dagegen. Insgesamt spielte Bayern die Pässe aber deutlich unsauberer und hektischer, als man es sonst von ihnen kennt.

In der Folge lag das klare Chancenplus der ersten Halbzeit bei den Gästen aus Wolfsburg. Gleich zu Beginn probierte es Šimić mit dem Lupfer (2.), Dickenmann per Direktabnahme (6.) und Popp mit einem satten Schuss (10.). Aus dem Spiel kamen die Münchnerinnen nicht gefährlich vor’s Tor. Dass Standards bei einer solch engen Kiste für die Entscheidung sorgen könnte, war ihnen anscheinend bewusst gewesen. Offenbar wurde auf die Ausarbeitung von Freistoßvarianten in der Trainingswoche besonderes Augenmerk gelegt. So kam Miedema auf Umwegen nach einem Behringer-Freistoß im rechten Halbfeld denn auch erstmals im Sechzehner an den Ball, der erste Torschuss (12.) verpuffte jedoch harmlos.

Bayern arbeitet sich ins Spiel

Die Überlegenheit Wolfsburg bröckelte nun langsam, auch Bayern presste hoch und stand mit der Abwehrkette bei Abschlägen Wolfsburgs nur wenige Meter hinter der Mittellinie, so dass auch Behringer und Leupolz fast auf einer Höhe mit Evans und Däbritz enormen Druck auf den Sechserraum der Wolfsburgerinnen ausüben konnten.

Hohes Pressing FC Bayern München Frauen - VfL Wolfsburg 1:0, 11.9.2015Hohes Pressing der Bayern in Halbzeit 1

Zudem setzte der FCB in der ersten Halbzeit noch spürbarer und konzentrierter als sonst auf das Verteidigen im Kollektiv. Die ballführende Wölfin sah sich sofort mindestens zwei direkten Gegenspielerinnen gegenüber, nicht selten war sie gleich mit drei Roten konfrontiert. Zahlreiche Zweikämpfe und Richtungswechsel im Mittelfeld waren die Folge. Kaum fuhren die Gäste einen Konter über Goeßling, setzen die Bayern zum schnellen Gegenzug über Evans und Miedema an, die im Sechzehner sehenswert mit dem Ball nochmal den Laufweg der Verteidigerin kreuzte, aber nicht mehr zum Abschluss kam (22.). Dann versuchte es Bussaglia nach einer halben Stunde aus der Distanz. Die Einladung durch einen Fehlpass Leupolz’ vor dem eigenen Strafraum nahm der VfL nicht an und spielte zu umständlich über den Flügel statt mitten durch.

So war des der FC Bayern, der nach 36 Minuten nach einem Freistoß in Führung ging. Melanie Behringers Ball schien ewig in der Luft zu hängen, Caro Abbé war mit vorgegangen, köpfte lehrbuchmäßig vom zweiten Pfosten aus gegen die Laufrichtung der Torhüterin und das Ding passte dann perfekt in die winzige Lücke zwischen den Handschuhen von Almuth Schult und der Querlatte. Bayern hatte keine Ambitionen, vor dem Halbzeitpfiff auf 2:0 zu erhöhen, sondern konzentrierte sich ganz und gar auf das Abwehren der sich aufbäumenden Wolfsburgerinnen. Alex Popp scheiterte mit den Gesetzen der Physik hadernd direkt am linken Pfosten mit einem Kopfball, der im spitzen Winkel rechts vorbeiging, Nilla Fischer probierte es aus der zweiten Reihe und ein zweites Mal vergab Šimić eine Großchance. Korpela hatte sie schon geschlagen, doch Schnaderbeck konnte den Ausgleich gerade noch verhindern. Die größeren und zahlreicheren Chancen hatte der VfL gehabt, doch Bayern nahm die Führung mit in die Kabine.

Bayern hinten drin in Halbzeit 2

Zur zweiten Halbzeit nahm Ralf Kellermann Tessa Wullaert für Julia Šimić ins Spiel, die sich gleich mal mit einem Schuss am Tor vorbei einführte. Wörle brachte nach einer guten Stunde Nicole Rolser für Däbritz, die erstmals in der Saison ohne Torerfolg blieb. Bayern stand nach der Pause wesentlich tiefer als noch im ersten Durchgang. Ihnen selbst fehlten so offensive Passstationen, wodurch einige Fehlpässe der mangelnden Zielstrebigkeit oder Orientierungslosigkeit geschuldet waren — nach hinten spielen wollte man schließlich auch nicht. Andererseits bot man den Gästen so dicht gestaffelt keinerlei Räume an, um sich vor’s Tor zu kombinieren. Statt den Gegner zu doppeln oder zu trippeln, und nach Ballgewinn selbst in den Angriff zu kommen, viel die Wahl der Mittel jetzt häufiger auf „Fuß dazwischen“ und „Hauptsache ins Aus geklärt“. Bayernchancen sah man so kaum noch, während es Wolfsburg zunehmend verzweifelt aus der Distanz probierte, ohne — bis auf den Pfostenschuss von Popp (66.) und einen Freistoß, der knapp drüber ging (67.) — wirklich gefährlich zu werden (Bussaglia 57., 74., Goeßling 65., Dickenmann (73.).

Miedema stach nochmal mit einem schönen Umschaltverhalten im Konter und Pass raus auf Behringer hervor. Evans zeigte, dass sie mit Tempoverschärfungen im Dribbling für Offensivakzente und Torabschlüsse sorgen kann. Auch die Situation, in der Miedema die Verteidigerin im Eins-gegen-Eins schlägt, den Ball dann aber nicht mehr an Schult vorbeigelegt kriegt, war vielversprechend (71.). Stark wie Schult ihr in höchster Not den Ball noch vom Fuß kratzt. Melanie Leupolz war knapp zehn Minuten vor Schluss sogar noch näher dran, den Sack zuzumachen, als sie Schult bereits geschlagen hatte, um den Ball dann an den Pfosten zu sensen. Doch Bayern verteidigte das konzentriert zu Ende, verzichtete auf Fouls in der Gefahrenzone, wodurch Wolfsburg stets am Zug blieb in der Schlussphase, aber weder kombinativ noch durch Freistöße zu Tormöglichkeiten kam. Das reichte. Drei Spiele, drei Siege, darunter Gegner wie Wolfsburg und Potsdam — das anspruchsvolle Auftaktprogramm konnten die Bayern mit der maximalen Punkteausbeute überstehen.

3 Dinge, die auffielen

1. Wolfsburg variabel in der Abwehrreihe

Das Dreier-/ Fünferkettenhybrid der Bayernfrauen ist hier schon häufig Thema gewesen: Drei zentrale Innenverteidigerinnen, in deren Reihe sich gegen den Ball die Flügelverteidigerinnen mit einreihen, die in der Offensive mit Flankenläufen für Breite sorgen, Flanken hereingeben und inverse Läufe in die Zentrale einstreuen. Vor der Abwehrkette die Doppelsechs und wieder davor entweder eine Zehn und ein Doppelsturm oder zwei häufig rochierende Achter mit einer Stoßstürmerin. Auch diesmal spielte man in der bewährten 3-4-2-1-Formation.

Aber auch Wolfsburg hat sich in der laufenden Saison eine Mischvariante überlegt, die sich allerdings etwas von der der Bayern unterscheidet. Gegen den Ball formieren sich Nilla Fischer und Babett Peter in der Mitte mit Noelle Maritz und Anna Blässe außen zu einer klaren Viererkette. Doch in Ballbesitz versucht auch der VfL, möglichst viele Spielerinnen in das Offensivspiel einzubinden. Teilweise steht dann nur noch die Innenverteidigung in der letzten Linie, sehr häufig ist es aber eine dichte Dreierkette, die nach hinten hin absichert. Ob Fischer oder Peter dann die zentrale Rolle übernehmen, hängt davon ab, welche Außenverteidigerin sich vorne mit in die Angriffe einschaltet und auf welcher Seite der Ball ist. Häufiger schien Blässe auf rechts mit vorzuschieben und dann ein Pendant zum linken Flügel — mal Popp, mal Dickenmann — zu geben.

2. Wolfsburg variabel im Angriff

Wie bereits angeklungen gab es auch in der Offensive des VfL einiges an Varianten. Mit Popp, Bachmann und Dickenmann standen drei Spielerinnen auf dem Platz, die die Rolle des klassischen Strafraumstürmers ohne Probleme übernehmen können. Popp ist im Kopfballspiel eine echte Kante, Dickenmann und Bachmann sind im WM-Sommer für die Schweiz häufig gemeinsam als Doppelsturm aufgelaufen. Silvia Neid hatte Popp in jener WM häufiger als Flügelstürmerin oder hängende Spitze hinter Célia Šašić eingesetzt. Die Stärken im Kombinationsspiel in den Halbräumen hat sie dazu. Zusätzlich stand bei Wolfsburg mit Julia Šimić eine torgefährliche Spielmacherin auf dem Platz.

Insgesamt spielte Ramona Bachman am konstantesten in der vordersten Linie, in die aber nicht selten auch Šimić, Dickenmann und Popp und zuweilen auch Anna Blässe noch mit aufrückten. Popp und Dickenmann wechselten sich phasenweise auf dem linken Flügel und im linken Sturm ab, aber auch auf der gegenüberliegenden Flügelposition war Popp länger zu finden. In der Folge war es auch mal Popp und mal Šimić — in der zweiten Halbzeit dann Tessa Wullaert — die Bachmann in der ersten Pressinglinie unterstützen. Trotz der geballten Offensive und einiger hervorragender Möglichkeiten blieb den Gästen ein Tor verwehrt. Nachdem Spiel kamen bei Spielerinnen gleichsam wie beim Trainer die fehlenden Automatismen zur Sprache, die besonders mit Blick auf Bachmann erst noch entwickelt werden müssten. Eine Möglichkeit, mit diesem Defizit umzugehen, wäre gewesen, Bachmann nicht bis kurz vor Schluss durchspielen zu lassen, sondern in der Zentrale vor den Sechsern mit Vanessa Bernauer als Box-to-Box-Spielerin für Präsenz und Anbindung in die Spitze zu sorgen. Šimić hatte das im ersten Durchgang eindrucksvoll gemacht, Wullaert, die für sie gekommen war, spielte dann aber als alleinige Spitze. Diese Lücke konnte Bachmann so neu im Team noch nicht schließen.

3. Bayern mit der Außenseitertaktik

Coach Wörle ist bekannt dafür, jegliche Versuche, den Meister in eine Favoritenrolle zu drängen, abzublocken, auf die mangelnde Erfahrung und fehlende Verletzte zu verweisen und die Stärken der Gegner herauszustellen. Das Saisonziel, sich unter den Top-4 zu etablieren, ist entsprechend defensiv formuliert. So weit das bekannte Spiel.

Neu ist, dass der FC Bayern auch mit einer Underdog-Taktik zu siegen imstande ist. Eine Mannschaft, die es gewohnt und darauf angelegt ist, selbst das Spiel zu machen, selbst den Ball durch die eigenen Reihen zu kombinieren, selbst mit nur wenigen Spielerinnen hinter dem Ball zu agieren und diese auch noch maximal offensiv im Raum zu verteilen — eine solche Mannschaft tut sich häufig schwer damit, wenn es darum geht, Bälle einfach brachial hinten raus zu knattern, die Reihen kompakt zu schließen und dem Druck des Gegners nur wenige Meter vor dem eigenen Tor in der Menge der zahlreichen anwesenden Beine standzuhalten, ohne sich einen wilden Querschläger zu fangen. Wie häufig scheitern Teams, die ihre Führung verteidigen möchten, ritenhafte Ballhaltetänzchen an der Eckfahne aufführen, das eigene Angreifen vernachlässigen, nur um dann vor lauter nicht ausgespielten Angriffen den Ball im eigenen Tornetz wiederzufinden?

Von daher war es durchaus riskant, es gegen ein vor offensiven und kopfballstarken Spielerinnen nur so strotzendes Wolfsburg mit dieser für Bayern unnatürlich konservativen Methode zu versuchen: Vorne durch einen Standard das Tor machen, dann hinten reinstellen und die Führung verteidigen. Wie sehr dieser Weg zum Erfolg beitrug, lässt sich vermutlich am besten anhand der Aussagen von Lara Dickenmann nach Abpfiff darlegen:

„In der zweiten Halbzeit standen die Bayern ein bisschen tiefer. In der ersten haben wir nicht gesehen, dass die Räume hinter der Abwehr waren und wir haben zu wenig oft in die Schnittstellen gespielt, zu wenig oft die Läufe dorthin gemacht. Man muss halt auch erkennen, wo die Räume sind — das haben wir nicht gemacht. In der zweiten Halbzeit waren sie dann nicht mehr so vorhanden. […] Wenn Poppi vorne die einzige ist, die einen Ball hoch verlängern oder halten kann, dann ist das nicht unser Spiel. Das müssen wir einfach besser machen, statt dass wir dann einfach den Ball nach vorne knallen. Das haben wir wahrscheinlich gemacht, weil wir in der ersten Halbzeit viele Räume gehabt hatten hinter der Abwehr und dann in der Halbzeit gesagt haben, „jetzt spielen wir da hin“, aber in der zweiten waren sie nicht mehr da und dann muss man das auch erkennen.“ Lara Dickenmann, Mixed Zone, 11.9.2015

So blieben die drei Punkte in München, auch wenn das Spiel hätte genau umgekehrt ausgehen können.

FC Bayern München Frauen – VfL Wolfsburg
FC Bayern Korpela – Schnaderbeck, Holstad, Abbé – Lewandowski, Behringer, Leupolz, Maier – Däbritz (63. Rolser), Evans (87. Stengel) – Miedema (81. Wenninger)
Bank Zinsberger, Manieri, Feiersinger, Beckmann
VfL Wolfsburg Schult – Popp, Fischer, Peter, Maritz (77. Jensen), Blässe – Goeßling, Bussaglia – Bachmann (86. Kerschowski), Šimić (46. Wullaert), Dickenmann
Bank Frohms, Bernauer, Bunte, Faißt
Tore 1:0 Abbé (36.)
Karten Gelb: Abbé (67.), Rolser (82.), Maier (90.) / Peter (16.), Wullaert (88.)
Schiedsrichterin Christine Baitinger (Friesenheim), Silke Fritz (Abtsgmünd), Melissa Joos (Leinfelden-Echterdingen)
Zuschauer 1.815