Twente haut Bayern Frauen aus der Champions League
Bereits das Hinspiel vor einer Woche hatte keinen Sieger hervorgebracht. Den Führungstreffer von Renate Jansen hatte Melanie Leupolz spät mit dem wichtigen Auswärtstreffer ausgleichen können. Schon in Enschede waren die Bayern die dominierende Mannschaft gewesen — alles in allem eine gute Ausgangslage, um mit einer konzentrierten und abgeklärten Leistung zuhause das Ticket fürs Achtelfinale zu lösen. Doch es sollte anders kommen.
Falls Ihr es verpasst habt
Gäste-Coach Arjan Veurink, der den Bayern dadurch in Erinnerung bleiben dürfte, sein Pendant Tom Wörle im Anschluss ans Spiel allein auf der Pressekonferenz sitzen zu lassen, schickte dieselbe Startaufstellung ins Rennen wie im Hinspiel.
Vor Torhüterin Marieke Ubachs formierte sich ein Dreier-/ Fünferkettenhybrid mit Stephanie Van der Gragt zentral, Kristina Erman und Danique Kerkdijk auf den Halb- sowie Maayke Heuver und Maud Roetgering auf den Flügelverteidigerpositionen. Auf der Doppelsechs teilten sich Anouk Dekker und Marthe-Emilie Munsterman die Aufgaben. Auf der Zehn agierte Jill Roord hinter der Doppelspitze aus Renate Jansen und Shanice Van de Sanden.
Bei den Bayern war bis zuletzt fraglich gewesen, ob Kapitänin Melanie Behringer würde auflaufen können, doch sie stand von Beginn an mit Melanie Leupolz auf der Doppelsechs auf dem Rasen. Caro Abbé musste dagegen verletzt passen, für sie startete Carina Wenninger neben Nora Holstad und Viktoria Schnaderbeck in der Dreierkette, die ebenso wie bei Twente von zwei Flügelverteidigerinnen — Gina Lewandowski links und Leonie Maier rechts — flankiert wurde. Im Tor stand Stammtorhüterin Tinja-Riikka Korpela. Offensiv spielte die variable Dreierreihe aus Lisa Evans, Kristen Mewis und Vivianne Miedema. Die Amerikanerin Mewis war im Vergleich zur Vorwoche für Sara Däbritz in die Startelf rotiert, begann rechts, spielte dann aber weite Teile der Partie im linken Halbraum, während Evans zunächst über links kam und später vermehrt die rechte Seite beackerte. Miedema bildete die Sturmspitze, ließ sich aber häufig tief ins Mittelfeld fallen, pendelte zudem oft an die Außenlinien, um sich die Bälle selbst vorzulegen. Insgesamt ein sehr ordentlicher und weiträumiger Auftritt der Niederländerin.
Twente ging das Spiel mit hohem Pressing an, wollte die Bayern gar nicht erst ins berüchtigte Passspiel kommen lassen und deren Spielfluss notfalls durch Zweikampfhärte und Fouls unterbinden. Defensiv sollte durch die Formation, durch Robustheit und große Laufbereitschaft ein Riegel vor das eigene Tor geschoben werden, während man mit Van de Sanden stets eine Zielspielerin für mögliche Konter weit vorn beließ, um bei Ballgewinnen schnell an den weit aufgerückten Bayern vorbei in den Angriff kommen zu können. In der Summe ist dieser Plan aufgegangen.
In der Tat kamen die Bayern zunächst schwer in die Partie, hatten sich jedoch gut auf das Spiel von Twente eingestellt und ließen den Ball auch gegen Druck einigermaßen erfolgreich durch die eigenen Reihen laufen. Viele Ecken und Freistöße verhinderten ein hohes Tempo der Partie. Bei Abstößen formierten sich beide Teams um die Mittellinie und kämpften um die zweiten Bälle. Nicht nur Twente verlegte sich auf lange Pässe in die Spitze, auch Bayern versuchte häufiger als gewöhnlich, die Schlacht im zweiten Drittel zu übergehen, wenn Enschede aufgerückt war, und spielte viele lange hohe Bälle. Lange Passstafetten und Kontrolle gingen der Begegnung somit ab.
Mewis, Maier und Miedema kamen gleich in der Anfangsviertelstunde zu Möglichkeiten. Die größte Chance hatte Mewis auf dem Fuß, als sich Miedema trickreich auf der Grundlinie nach kurzer Ecke Behringers durchsetzte und die Kugel vors Tor bringen konnte. Knapp vorbei (9.). Doch statt der Führung folgte der Rückstand. Leonie Maier wird durch einen regelwidrigen Schlag an der gegnerischen Grundlinie vom Ball getrennt. Mewis reklamiert, statt den Pass ins zweite Drittel zu verhindern. Dort kann die zurückeilende Wenninger Renate Jansen zwar stellen, doch bringt die den Ball auf die nachrückende Roord durch. Roord läuft mit voller Geschwindigkeit auf Nora Holstad am Strafraum zu, die sich im Gegensatz zum Hinspiel nicht verladen lassen will, auch Behringer und Evans eilen herbei, doch mehr als Geleitschutz ist das nicht. Roord kann schießen: Innenpfosten links, Innenpfosten rechts: 0:1 (13.)
Bayern versucht, direkt nachzusetzen, attackiert wesentlich besser als im Hinspiel die gefährlichen Räume im zentralen offensiven Mittelfeld sowie den Strafraum, doch den letzten Pass oder den hochprozentigen Abschluss bleiben sie schuldig. Auf der anderen Seite bleibt Twente stets gefährlich, so dass Korpela einen Schuss Roetgerings über die Latte lenken muss (28.). Kurz darauf können die Bayern mal kontern, Miedema dringt in den Strafraum ein, bringt den Ball in die Mitte zu Evans, doch am Ende ist es Erman, die per Eigentor den Ausgleich für Bayern besorgt (29.).
Jetzt ging was, die Doppelpässe fanden wie selbstverständlich die Mitspielerin, Evans hätte fast direkt im Anschluss das Führungstor erzielen können, doch Torhüterin Ubachs packte diesmal besser zu als noch in der Woche zuvor (29.). Auch eine schöne Kombination über Lewandowski und Miedema findet Mewis mitten im Strafraum. Abgeblockt (36.). Evans wirbelt durch den voll besetzten Strafraum, dreht ab, wird gefoult, bringt dennoch den Ball hoch vors Tor, Torhüterin Ubachs rauscht beim Klären in die eigene Frau, Leupolz hat den zweiten Ball, doch es gibt Freistoß für Twente — absurd (40.). Behringer zieht aus der Distanz ab, abgewehrt (43.). So ging es mit 1:1 in die Pause.
Dasselbe Bild in Halbzeit 2
Unverändert kamen die Mannschaften aus der Kabine. Und auch das Spiel war dasselbe: Bayern drückte und drückte, während Twente mehr foulte als mitzuspielen. Die nächste große Gelegenheit nach direktem Spiel über mehrere Stationen ins letzte Drittel hatte Evans, doch Ubachs fängt ab (51.). Kurz drauf geht’s von Behringer über Mewis zu Miedema ab durch die Mitte — geblockt (52.). Mewis lässt im Mittelfeld einen Pass verhungern, Jansen zieht in den Sechzehner, beim Versuch, den Querpass abzugrätschen, landet Holstad im Fallen mit dem Arm auf dem Ball: Strafstoß Roetgering: 1:2 (56.). Sehr unglücklich. Obwohl Bayern das Spiel macht und auch die Konter von Twente gut eindämmt, braucht es nun zwei Tore, um in die nächste Runde einzuziehen.
Für die letzte halbe Stunde werfen die Trainer nochmal frisches Personal ins Spiel. Ellen Jansen kommt für Roord (60.), Däbritz für Maier (66.) und Rolser für Holstad (73.). In der Folge spielte Lewandowski über die rechte Außenbahn, wo sie mit Rolser, Evans, und Däbritz immer wieder die Flanke und den Halbraum überlud. Direkte Folge: Rolser wird von Heuver an der Strafraumkante gefoult. Den fälligen Elfmeter verwandelt Behringer sicher (75.). Eine Viertelstunde noch, Zeit genug für ein Tor. Von Enschede kommt nur gar nichts Konstruktives mehr. Die Münchnerinnen spielen sich ein ums andere Mal ins letzte Drittel, eine Ecke folgt auf die andere, ein geblockter Schuss jagt den nächsten. Doch der Ball will nicht ins Netz. Twente bolzt nur noch raus und spielt auf Zeit. Auch Rolser kann das Leder bei ihrer Kopfballchance aus einem Meter nicht über die Linie drücken (83.), Mewis und Miedema scheitern an Ubachs (89., 91.). Dabei bleibt es. Trotz drückender Überlegenheit können die Bayern den Siegtreffer nicht markieren und scheiden aus der Champions League aus, bevor diese so richtig angefangen hat.
3 Dinge, die auffielen:
1. Twentes Konterstaffelung bindet die Bayern hinten
Das hohe Pressing der Gäste und die offensiv wie defensiv hohe Positionierung von Van de Sanden sorgten dafür, dass die Bayern stets hinten gebunden waren. Dass Twente nach Kontern in jedem Moment brandgefährlich werden kann, hatten sie mehrfach effektiv bewiesen. Van de Sanden versuchte aber nicht nur, den Spielaufbau der Bayern gemeinsam mit Jansen unter Druck zu setzen, sondern auch, wenn der FCB längst im zweiten oder gar letzten Drittel im Angriff war, scharwenzelte sie um Nora Holstad herum, hielt sich für Anspiele in die Spitze bereit und verhinderte Rückpässe für Spielverlagerungen oder einen neuen Versuch im Spielaufbau der Bayern. Hinzu kam die sehr gute Tiefenstaffelung Twentes, wofür vor allem die Sechser Munsterman und Dekker sowie Spielmacherin Roord verantwortlich waren. In der Schlacht um hohe und zweite Bälle konnte Twente, obwohl Bayern gegen den Ball ebenfalls Druck auf ihre Gegnerinnen ausübte und in Ballbesitz über ein gutes Passspiel verfügt, häufig den Ball aus dem Getümmel heraus zur Mitspielerin spitzeln. Für die Überbrückung des Mittelfeldes liefen meist genügend Enschede-Spielerinnen mit, um sich dem Zugriff der Bayerndefensive zu entziehen. Bayern war dagegen häufig zu flach gestaffelt. Mit der Fünferkette hinten hatten die Münchnerinnen dann zwar theoretisch genügend Leute hinter dem Ball, aber keine Kompaktheit und auch für den Spielaufbau eine ungeeignete vertikale Staffelung.
2. Bayern zieht die richtigen Schlüsse
Im Hinspiel war es Enschede sehr gut gelungen, Bayern aus dem Zehnerraum sowie dem eigenen Sechzehner herauszuhalten. Diesmal attackierten Wörles Spielerinnen permanent die brisanten Zonen, obwohl diese erneut gut zugestellt waren. Bayern ließ sich diesmal nicht einfach auf außen und nach hinten leiten, sondern suchte immer wieder Anspielstationen dort, wo es wehtat: vertikal, im Zentrum und im Strafraum. Dass die Pässe dort häufig auch ankamen, lag an den guten Laufwegen der Spielerinnen ohne Ball. Sie gingen die richtigen Wege, um Twente so viele defensive Aufgaben wie möglich zu stellen. Immer wieder liefen Miedema, Mewis und Leupolz in den Zehnerraum, in dem letzte Woche noch ein großes Loch geklafft war.
Bayern löst flache Staffelung gegen Twente auf
Auch die Umstellungen, die Tom Wörle im Laufe der Partie vornahm, griffen. Als Twente es durch die eigene Offensivgefahr zwischenzeitlich schaffte, Bayern hinten in eine zu flache und zu defensive Staffelung reinzudrücken (s. Punkt 1), schoben Lewandowski und Maier an den Außenlinien wieder weiter nach vorn und auch die Halbverteidigerinnen Schnaderbeck und Wenninger boten sich weiter vorn im defensiven Mittelfeld an, während Behringer abkippte und den Spielaufbau zusammen mit Nora Holstad ankurbelte. So konnte man wieder mehr offensive Präsenz erreichen und die erste Verteidigungslinie Twentes überspielen.
Als Däbritz und Rolser in der Schlussoffensive für Maier und Holstad ins Spiel gekommen waren, überluden die Bayern gezielt die rechte Flanke und den rechten Halbraum. Lewandowski kam nun über rechts. Ballfern lauerte Miedema auf Zuspiele und zog die Verteidigung Twentes raus in die Breite, ballnah kombinierten sich Leupolz, Lewandowski, Rolser und Däbritz in den Strafraum. Den Elfmeter konnte man so erzwingen und auch an herausgespielten Tormöglichkeiten mangelte es nicht.
3. Frust lähmt stärker als ein sportlicher Rückstand
In Hin- und Rückspiel hatten die Bayern 40 Mal aufs gegnerische Tor geschossen (Twente: 12), 15 Schüsse gingen aufs Tor (6), 15 am Tor vorbei (2), 10 wurden geblockt (4) und 20 Ecken konnten sich die Bayern herausspielen (7). Die einzigen Statistiken, die Twente anführte, waren die nach Fouls (23:14) und gelben Karten (5:1). Nach Toren aber stand es 3:3. Bayern war die klar überlegene Mannschaft, obwohl mit Mana Iwabuchi, Vero Boquete, Lena Lotzen und weiteren Verletzten wichtige Spielerinnen fehlten.
Doch Twente spielte es clever und setzte auf die dreckige Underdogtaktik des Spielzerstörens. Zeitspiel, Fouls und Klärungen ins Aus verhinderten, dass Bayern in den Spielfluss kam und sorgte für wichtige Verschnaufpausen, die Twente für sein laufintensives Defensivspiel benötigte. Das ist nicht schön, aber legitim und in der Umsetzung (siehe Staffelung) auch gut gemacht. Bayerns wütende Anläufe auf das gegnerische Tor waren mit Voranschreiten der Zeit dann nicht immer ganz konsequent und sauber ausgespielt. Frust machte sich breit und wirkte sich auf das Momentum aus. Während Twente mit einem Konter ein Tor machte, wollte der Ball bei Bayern einfach nicht ins Netz fallen. Psychologisch eine ganz schwierige Situation. Zusätzlicher Ärger über Schiedsrichterfehlentscheidungen brachte das Wörle-Team dann völlig aus dem Konzept. Was Bayern zu einer ganz großen Mannschaft fehlt, ist die Reife, sich von solch widrigen Umständen nicht beeindrucken zu lassen. Das ist sicher viel verlangt, weil nahezu unmenschlich, doch jede Faser, die sich mit Rasenqualität, Zuschauerpöbeleien und dem Schiedsrichter befasst, fehlt, um die Probleme zu lösen, die sich auf dem Platz stellen. Das mussten die Bayern auf ganz bittere Weise erfahren.
Jetzt wird es darauf ankommen, schon am Sonntag den Kopf wieder für die nächste Aufgabe freizubekommen. Der SC Freiburg ist zu Gast in München.
FC Bayern München Frauen – FC Twente Enschede Vrouwen 2:2 (1:1) | |
---|---|
FC Bayern | Korpela – Schnaderbeck, Holstad (73. Rolser), Wenninger – Lewandowski, Leupolz, Behringer, Maier (66. Däbritz) – Mewis, Evans – Miedema |
Bank | Zinsberger, Bürki, Beckmann, Manieri, Feiersinger |
FC Twente | Ubachs – Heuver, Erman, Kerkdijk, Roetgering – Munsterman, Dekker – Roord (60. E. Jansen) – R. Jansen, Van de Sanden |
Bank | Adan, Renfurm, Van de Ven, Van den Goorbergh |
Tore | 0:1 Roord (13.), 1:1 Erman (29., Eigentor), 1:2 Roetgering (56., Handelfmeter), 2:2 Behringer (75., Foulelfmeter) |
Karten | Gelb: – / Dekker (71.), Heuver (90+1.) |
Schiedsrichterin | Kateryna Monzul, Natalia Rachynska, Maryna Striletska (Ukraine) |
Zuschauer | 1.072 |