Heusel: „Vergleichbare Lage bei Basketballern und den Fußballern“

Maurice Trenner 10.01.2020

Über die aktuelle Situation der Münchner Korbjäger sprechen wir mit Robert Heusel. Der Journalist aus der Landeshauptstadt schreibt regelmäßig für das Basketballmagazin BIG sowie für die Online-Plattform basketball.de und kennt sich damit hervorragend mit den Bayern aus.

Wie lief die Saison national für die Korbjäger des FC Bayern?

Rein ergebnistechnisch liegt man in der Bundesliga natürlich voll im Soll. 14 Siege aus 14 Spielen: Mehr geht nicht. Da die Verfolger aus Berlin und Ludwigsburg beide schon drei Niederlagen auf dem Konto haben, sieht es sehr gut aus, den ersten Platz nach der Hauptrunde zu erreichen. Dieser garantiert Heimrecht in allen Playoff-Serien, was zu einem entscheidenden Vorteil im Kampf um die deutsche Meisterschaft werden kann. Ein Wermutstropfen hingegen war sicher das frühe Aus im Pokal, als man völlig überraschend zu Hause gegen Kellerkind Telekom Baskets Bonn verlor. 

Wie lief die Saison international für die Münchner?

In der EuroLeague hat man die Hinrunde mit einer Bilanz von sechs Siegen und elf Niederlagen abgeschlossen. Damit liegt man in der 18er-Liga auf Rang 15. Die Auftritte in der Königsklasse waren allerdings nur selten ruhmreich, vor allem auswärts gab es in schöner Regelmäßigkeit heftige Klatschen mit 25 Zählern Differenz und mehr. Bedenkt man, dass die Siege gegen Berlin und Piräus teils glücklich bzw. sehr knapp waren, ist man mit dieser Bilanz noch gut bedient. Spielerisch stieß man zuletzt immer häufiger an seine Grenzen und wurde teils vorgeführt, was Trainer Dejan Radonjić letztlich den Job gekostet hat. Jetzt startet am Freitag die Rückrunde mit einem Heimspiel gegen Titelverteidiger ZSKA Moskau. Obwohl man nur vier Punkte hinter Playoff-Platz 8 liegt, erscheint ein Erreichen der Playoffs nahezu unmöglich. Von den 17 Spielen der Rückserie müssten wohl mindestens elf, wegen der schlechten direkten Vergleiche mit Konkurrenten, eher zwölf Spiele gewonnen werden. Angesichts der Qualität der anderen Teams, wird dies kaum zu schaffen sein.

Was lief besser und was schlechter als erwartet? Welche Spieler haben überzeugt oder enttäuscht?

Dass man in der BBL der absolute Top-Favorit sein würde, war von Anfang an klar. Der FC Bayern verfügt über das mit Abstand größte Budget der Liga und hat einen dementsprechend qualitativ hochwertig besetzten Kader. Die besten Spieler bislang sind Maodo Lo, der als Starting Point Guard einen großen Sprung gemacht und das Team zu einigen Siegen geführt hat, und Vladimir Lučić, der schon in der vergangenen Saison ein absoluter Leistungsträger war. Problematisch war natürlich die Verletzung von TJ Bray bereits vor Saisonbeginn. Der Amerikaner war als neuer Spielmacher verpflichtet worden, konnte aber bislang kein Spiel bestreiten. Sein Ersatz, DeMarcus Nelson, konnte vor allem international nicht die gewünschten Akzente setzen, sodass extrem viel Verantwortung auf den Schultern von Lo lag. Der hat bislang eine überragende Saison gespielt, aber dass in bislang 32 Pflichtspielen auch mal ein kleines Formtief dabei ist, sollte normal sein.

Trotz der Tabellenführung in der BBL musste Trainer Dejan Radonjić seine Koffer packen.
(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Insgesamt war man also vor allem in der EuroLeague auf der Spielmacher-Position zu dünn besetzt. Nelson hat den Verein mittlerweile nach Ende der Hinrunde in der EuroLeague verlassen. Das Comeback von TJ Bray steht kurz bevor und auch der kürzlich verpflichtete slowenische Youngster Žan Mark Šiško könnte bald sein Debüt im roten Trikot feiern.

Trotz der Tabellenführung hat man vergangene Woche Trainer Radonjić entlassen. War das die richtige, alternativlose Entscheidung?

Auf den ersten Blick erscheint es sehr hart, den Trainer als ungeschlagener Tabellenführer der BBL zu entlassen. Spielerisch gab es beim FC Bayern Basketball zuletzt aber deutliche Defizite. In der EuroLeague war man in vielen Spielen chancenlos und auch die Siege in der BBL waren nicht alle ungefährdet. Der Sieg zuhause gegen Göttingen beispielsweise gelang dank eines Buzzerbeaters in der letzten Sekunde. Beim letzten Spiel in Vechta versenkte Petteri Koponen in der zweiten Halbzeit fünf irre Dreier, was dann zum Sieg reichte. National reicht die individuelle Qualität des Kaders momentan noch aus, um ungeschlagen zu sein. Auf internationalem Parkett reicht individuelle Qualität alleine aber nicht aus, weshalb die Trennung von Coach Radonjić nach den letzten Wochen nicht unbedingt überraschend war.

Wie geht es diese Saison nun weiter? Was ist ein realistisches Saisonziel?

Das Saisonziel lautet weiterhin ganz klar: Titelverteidigung in der BBL! Die Voraussetzungen dazu sind sehr gut und mit Ausnahme von ALBA Berlin sehe ich keine Mannschaft in der Liga, die den Bayern in einer Playoff-Serie gefährlich werden könnte.

International hat man nichts mehr zu verlieren. Das Erreichen der Playoffs wird wohl nicht mehr drin sein, dennoch ist es unabhängig von den Ergebnissen umso wichtiger, wie man sich präsentiert. Pleiten mit 25 oder 30 Zählern Differenz dürfen in solch einer Regelmäßigkeit nicht mehr vorkommen. Einige Vorstellungen in der Hinrunde waren blamabel und eines FC Bayern nicht würdig. Oliver Kostić, der bis auf weiteres Trainer ist, wird versuchen das Team spielerisch wieder in die Spur zu bekommen und in der EuroLeague den ein oder anderen Sieg einzufahren. In der BBL geht es dann erst in den Playoffs wieder richtig um die Wurst.

Was bedeutet die aktuelle Situation für die langfristige Entwicklung des Vereins? An welchen Stellschrauben muss der Verein drehen: Spieler, Trainer, Investitionen, Erwartungshaltung?

Der Verein hat die Erwartungshaltung sich sukzessive an die Top 8–Mannschaften in Europa heranzuarbeiten. Wie bereits beschrieben, wird man dieses Ziel in der laufenden Saison wohl nicht erreichen. Ein großer Vorteil ist, dass man unabhängig vom Abschneiden in der BBL nächste Saison dank einer Wildcard wieder in der EuroLeague spielen wird. Man hat also Planungssicherheit und wird diese nutzen, um den Kader im Sommer weiter zu verbessern. Auf der Trainerposition gehe ich davon aus, dass man sich um einen renommierten Namen bemühen wird, nachdem es so aussieht, dass man die laufende Spielzeit mit dem bisherigen Co-Trainer Oliver Kostić beenden möchte. Außer Kostić lässt jetzt eine überragende Rückserie inklusive Playoffs spielen.

Letztlich lässt sich die Lage bei den Basketballern mit der bei den Fußballern und Hansi Flick vergleichen. Im Sommer dürften in jedem Fall einige internationale Top-Trainer auf dem Markt sein. Obwohl die Situation im Moment sicher nicht optimal ist, ist der Klub für die Zukunft gut aufgestellt. Spätestens wenn im Herbst 2022 die neue Halle im Olympiapark steht, will man die Playoffs der EuroLeague richtig angreifen.