Alternatives Triple: Bayerns Basketballer verteidigen Titel

Maurice Trenner 27.06.2019

Robert Heusel ist Basketballreporter für das BIG Basketball Magazin sowie die Website basketball.de und beschäftigt sich vorrangig mit den FC Bayern Basketballern. Im Interview beantwortet er uns alle Fragen zu den Playoffs, dem Titel und der Zukunft des Teams.

Hallo, Herr Heusel! Vor den Playoffs hat uns Michael Körner im Interview bereits verraten, dass die Korbjäger vom FC Bayern der große Favorit auf den Titel sind. Nun sind die Münchner tatsächlich erneut Deutscher Meister geworden und das ohne ein Spiel in den Playoffs zu verlieren. Hat Sie diese Dominanz überrascht?

Die Bayern haben zwar alle neun Spiele in den Playoffs gewonnen, von absoluter Dominanz würde ich dennoch nicht sprechen. Dass man das Viertelfinale gegen die Löwen Braunschweig 3-0 gewinnt, war vielleicht zu erwarten. Auch mit dem am Ende deutlichen Erfolg über Überraschungsaufsteiger RASTA Vechta konnte man auf Grund der angespannten Personalsituation bei den Niedersachen rechnen. Das Finale gegen ALBA Berlin war allerdings äußerst knapp. Das 3-0 täuscht über den wahren Verlauf der Finalserie etwas hinweg. Berlin lag in allen drei Spielen mindestens mit zehn Punkten in Führung und hatte vor allem in den beiden Spielen im Audi Dome große Chancen auf den Sieg. 

Droht den Basketball-Fans, wie auch Fußball-Deutschland, nun eine ähnlich einseitige heimische Liga, die der FC Bayern aufgrund seiner individuellen Klasse Jahr für Jahr gewinnen wird oder gibt es langfristig ernsthafte nationale Konkurrenz?

Der Vergleich zum Fußball hinkt, da in der Bundesliga keine Playoffs gespielt werden. In der BBL ist es theoretisch möglich, dass man alle 34 Hauptrundenspiele gewinnt und dennoch nicht Deutscher Meister wird. In den Playoffs kann grundsätzlich alles passieren. Klar ist, dass der FC Bayern auch in den kommenden Jahren der Top-Favorit auf den Titel sein wird, da man finanziell über die größten Möglichkeiten verfügt. Da Berlin in der kommenden Saison – wie der FC Bayern auch – in der EuroLeague spielen wird, werden sie ihre Mannschaft verbessern und die Bayern auch weiterhin herausfordern. Der ehemalige Serienmeister aus Bamberg hat einen radikalen Umbruch vollzogen und für einen Neuaufbau immer noch ein stattliches Budget. Auch sie werden künftig wieder angreifen wollen.

Nihad Đedović (Mitte) wurde zum besten Spieler der Finalserie gewählt.
„Die individuelle Auszeichnung hat er sich verdient“, meint Robert Heusel.
(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Kommen wir nochmal auf die Playoffs zu sprechen. In der ersten Runde ging es gegen den Tabellen-Achten, die Basketball Löwen Braunschweig. War die Serie so eindeutig, wie sich der Box Score liest?

Die Serie gegen Braunschweig war das berüchtigte Duell ‚David gegen Goliath‘. Für Braunschweig war der Einzug in die Playoffs ein Riesenerfolg, denn sie hatten viele Jahre lang mit Problemen zu kämpfen und spielten im Playoff-Rennen lange Zeit keine Rolle. Als fest stand, dass Braunschweigs bester großer Spieler Scott Eatherton verletzt ausfallen würde, war eigentlich klar, dass sie Bayern nicht gefährden würden können. Dennoch haben sich die Löwen wirklich ordentlich geschlagen und die ein oder andere Unkonzentriertheit der Bayern ausgenutzt. Die Spiele 2 und 3 waren lange ausgeglichen, dann hat sich der deutliche Qualitätsunterschied letztlich doch bemerkbar gemacht.

Nach dem souveränen Weiterkommen, trafen die Münchner auf das Überraschungsteam der Saison Rasta Vechta, das dem deutschen Meister in der Hauptrunde eine von nur drei Niederlagen zugefügt hatte. Was machten die Bayern besser gegen das Team aus Niedersachsen als vorher beispielsweise Bamberg?

Vechta hat eine begeisternde Saison gespielt. Ihr Trainer Pedro Calles hat ein Team geformt, dass mit energiegeladenem Basketball viele Gegner an den Rande der Verzweiflung gebracht hat. Sie haben Bamberg verdient geschlagen und sind ins Halbfinale eingezogen. Auch gegen die Bayern haben sie sich achtbar aus der Affäre gezogen, vor allem weil einige verletzte Spieler in den Kader zurückgekehrt sind. Am Ende hat die Qualität des FCBB in der Breite den Unterschied ausgemacht. Der Münchner Kader ist in der Lage, die Intensität über 40 Minuten hoch zu halten. So hat man Vechta in deren Halle nach ausgeglichenen drei Vierteln mit einem 17:0-Lauf den Zahn gezogen. Im letzten Heimspiel war den Niedersachsen die kräftezehrende Saison anzumerken und so gab es eben auch in dieser Serie ein 3-0.

Im Finale ging es gegen Alba Berlin, die den FC Bayern im Pokal rausgeworfen hatten. Es folgten drei intensive Duelle mit vielen Führungswechseln und Aufholjagden. In welchem Spiel war Ihrer Meinung nach das Niveau am höchsten?

Mitreißend waren alle drei Spiele! Das spielerische Niveau war definitiv beim Spiel in Berlin am höchsten. Im zweiten Viertel haben beide Mannschaften wie aus einem Guss gespielt. Das war wirklich hochklassig. Die Bayern-Verteidigung schaltete dann einen Gang nach oben, was den Berlinern merklich zusetzte. Trotz eines zweistelligen Rückstands kamen sie nochmal zurück ins Spiel, verloren aber dennoch knapp. Diese Niederlage in Berlin hat ALBA richtig wehgetan. Ansonsten war die Serie hart umkämpft und von harter Defensive geprägt. Beide Mannschaften mussten sich jeden Korb hart erarbeiten.

Kapitän Danilo Barthel „war in den entscheidenden Momenten zur Stelle.“
(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Der Kader der Roten lebt von seiner enormen Breite. Mit Nihad Đedović wurde ein absolutes Münchner Urgestein zum MVP (Most Valuable Player) der Finalserie gewählt. Die richtige Wahl?

Auf jeden Fall. Über die drei Spiele hinweg war Nihad Đedović der beste Spieler der Serie. Die Entwicklung, die er in dieser Saison genommen hat, haben ihm viele nicht mehr zugetraut. Đedović spielt sehr konstant und setzt offensiv wichtige Akzente. Was aber oft unterschätzt wird: In der Verteidigung hat er sich zu einem der besten Spieler der Liga gemausert. Er verteidigt regelmäßig den besten Spieler des Gegners, wie in der Finalserie Peyton Siva. Diese individuelle Auszeichnung hat er sich auf alle Fälle verdient. Wobei man sagen muss, dass man auch Vladimir Lučić hätte auszeichnen können: Er hat nicht immer die meisten Punkte erzielt, aber als es darauf ankam, war er da. Lučić hat in jedem der drei Finalspiele einen Dreier in den Schlusssekunden getroffen. Ohne ihn wäre die Serie höchst wahrscheinlich nicht 3-0 ausgegangen.

Welcher Spieler ist ansonsten im Verlauf der Playoffs dennoch herausgestochen? Welcher Akteur konnte Sie überraschen? 

Lučić und Đedović habe ich ja bereits angesprochen. Generell überzeugt der Kader der Bayern durch eine unheimliche Geschlossenheit. Jeder Spieler kennt seine Rolle und kann in wichtigen Situationen Verantwortung übernehmen. Nemanja Dangubić hat als Backup von Lučić sehr solide, fast fehlerfrei gespielt, vor allem als Lučić mit Foulproblemen auf der Bank saß. Kapitän Danilo Barthel war in den entscheidenden Momentan ebenfalls zur Stelle. Seine Defensivarbeit gegen Berlins Dreh- und Angelpunkt Luke Sikma war herausragend.

Für Meistertrainer Dejan Radonjić ist es der zweite Titel im zweiten Jahr im Verein. Was macht er besser oder anders als seine Vorgänger? Für welche Spielidee steht der Montenegriner? 

Coach Radonjić hat einen klaren Plan, wie er spielen möchte. Seine Philosophie fußt auf einer knallharten Verteidigung. Wie schon im letzten Jahr war die Defense auch in diesem Jahr der Schlüssel zur Meisterschaft. Berlin erzielte beispielsweise in ihren Viertel- und Halbfinalspielen über 97 Punkte pro Partie. Im Finale kamen sie durchschnittlich auf keine 80 Zähler. Die alte Basketballer-Weisheit „offense wins games, defense wins championships“ trifft also durchaus zu. Wobei Radonjić bei den Bayern auch eine gute Offensive etabliert hat. In einem eher langsamen Spieltempo schaffen es die Bayern, sich hochprozentige Abschlüsse zu erarbeiten. Das mag nicht immer spektakulär aussehen, ist aber unheimlich effektiv.

Seit jeher gibt es jeden Sommer in München ein großes Stühlerücken im Kader. Ehemalige Leistungsträger werden aussortiert und neue Spieler verpflichtet. Kann man schon abschätzen, wen die Bayern zur kommenden Saison ersetzen müssen, da das große Geld aus Spanien oder der Türkei lockt? Stehen bereits Zugänge fest?

So kurz nach der Saison stehen noch keine Zugänge fest. Aussortiert wird aus dem aktuellen Kader wohl niemand. Dennoch wird es Veränderungen geben, weil man vielleicht nicht jeden Spieler auf Grund anderer Angebote behalten kann. Während die deutschen Spieler – mit Ausnahme von Đedović – allesamt noch einen Vertrag für die kommende Saison besitzen, laufen alle Kontrakte mit ausländischen Spielern aus. Die einzige Ausnahme ist Petteri Koponen. 

Meistertrainer Dejan Radonjić hat einen klaren Plan: Knallharte Verteidigung.
(Foto: Alexandra Beier/Bongarts/Getty Images)

Bei Đedović dürfte eine Vertragsverlängerung reine Formsache sein. Er identifiziert sich voll mit dem Klub und hat mehrfach betont, wie wohl er sich in seiner Heimat München fühlt. Natürlich wird man sich bemühen die Leistungsträger bei sich zu behalten. Bei Derrick Williams hängt wohl alles daran, ob er ein Angebot aus der NBA bekommt. Sollte dies der Fall sein, wird er nicht in München zu halten sein. 

Die wichtigste Personalie ist meiner Meinung nach aber Lučić. Der Serbe hat sich in seiner Zeit in München zu einem der besten Spieler in Europa auf seiner Position entwickelt und wird entsprechend gute Angebote bekommen. Ihn zu halten, könnte teuer werden, sollte aber oberste Priorität haben. Ansonsten wird die Transferpolitik von der grundsätzlichen Kaderplanung abhängen. Geschäftsführer Marko Pešić hat bereits angekündigt, dass man sich vor allem in der Breite des Kaders verbessern möchte. Da in der EuroLeague 2019/20 18 statt bislang 16 Mannschaften antreten werden, hat man allein durch BBL und internationalen Wettbewerb 66 Spiele sicher. Dazu kommen Pokal und Playoffs, ein wahres Mammutprogramm. 

Der FC Bayern hat in der abgelaufenen EuroLeague Saison einen respektablen 11. Platz in der EuroLeague erreicht und ist nur um einen Sieg an den Playoffs vorbei geschrammt. Wie bewerten Sie die Position des Teams im europäischen Vergleich und was fehlt noch, um ganz oben mitspielen zu können?

In der EuroLeague hat man sich wirklich sehr gut verkauft. Es war ja die erste Saison für die Bayern in diesem Modus. In Hin- und Rückspiel tritt man an 30 Spieltagen gegen die 15 besten Teams Europas an. Als erste deutsche Mannschaft überhaupt ist es dem FC Bayern gelungen 14 Siege einzufahren. Dass es mit der Teilnahme an den Playoffs nicht geklappt hat, würde ich zum Teil mangelnder Erfahrung zuschreiben. Viele Spieler haben ihre erste Saison auf diesem Niveau gespielt. In den entscheidenden Spielen hat dann aber auch etwas die Qualität gefehlt, vor allem auswärts. Vier Auswärtssiege aus 15 Spielen waren am Ende zu wenig. 

Dabei muss man aber bedenken, dass viele Standorte wie Moskau oder Istanbul über ein deutlich höheres Budget verfügen. Eine Teilnahme an der K.-o.-Runde wäre in dieser Saison eine absolute Überraschung gewesen, noch keine deutsche Mannschaft hat dies jemals geschafft. In den nächsten Jahren, besonders wenn der SAP Garden im Olympiapark stehen wird, werden die Bayern die Playoffs der EuroLeague angreifen. Der Klub ist äußerst ambitioniert und möchte zu den besten Europas aufschließen.