Miasanrot-Thesenduell zum FC Bayern 2023/24: Kane, Müller und Tuchel
Unsere Autoren Justin und Maurice haben sich erneut jeweils fünf Thesen überlegt. Wie schlägt Harry Kane in München ein, wie schlimm ist die Verletzung von Manuel Neuer und welcher Neuzugang könnte für eine Überraschung sorgen?
Auf jede der fünf Thesen gibt der andere Autor zudem eine Antwort, in der er die Prognose diskutiert. Danach bekommt ihr, unsere Leser*innen, die Chance, eure Einschätzung abzugeben. Zum Saisonende folgt dann die große Abrechnung mit der Kürung des Siegers.
Die Thesenduelle der letzten beiden Jahre zum Nachlesen gibt es hier: 2021/22 und 2022/23.
These 1: Doppelpacker Kane
Maurice: Harry Kane wird im Saisonverlauf mindestens zehn Doppelpacks in der Bundesliga erzielen.
Der Rekord für die meisten Doppelpacks in einer Bundesliga-Saison liegt bei 12 von – natürlich – Gerd Müller in der Saison 1971/72. Selbst in seiner rekordbrechenden Saison 2020/21 kam Robert Lewandowski “nur” auf 10 Spiele mit mindestens zwei Toren. Mit Harry Kane kommt nun nach einem Jahr Unterbrechung wieder ein Stürmer von Weltformat an die Isar. Der Engländer hat in der Premier League bereits mehrmals mindestens acht Doppelpacks in einer Saison erzielt. Selbst mit einer verkürzten Saison wird er diese Marke gegen im Mittel schwächere Gegner überbieten und zumindest die persönliche Bestmarke von Lewandowski einstellen.
Justin: Ich glaube, dass Harry Kane dem FC Bayern viele Tore bescheren wird und da werden sicher einige Doppelpacks und Hattricks dabei sein. Ob er tatsächlich zehn schafft? Ich bin mir unsicher. Ich traue es ihm zu, aber widerspreche allein aus Prinzip. Denn was wäre dieses Duell, würde ich dir zu oft zustimmen?
These 2: In der Champions League ist “früh” Schluss
Justin: Der FC Bayern München erreicht in der Champions League nicht das Halbfinale.
Wer seine Transferpolitik derart kurzfristig ausrichtet und bereit ist, über 100 Millionen Euro für einen 30-Jährigen auszugeben (auch wenn er ein Weltklasse-Stürmer ist), der muss sich am Ende auch daran messen lassen, was in der Champions League passiert. Ich bin absolut kein Freund davon, in diesem Wettbewerb voller Zufälle generell von einer schlechten Leistung zu sprechen, wenn man im Achtelfinale oder Viertelfinale gegen ein starkes Team ausscheidet. Doch es ist nun mal die bittere Wahrheit des FC Bayern: Am Ende zählt nur die Königsklasse. Sie wird entscheiden, ob es mal wieder zu einer sehr guten, oder doch nur maximal zu einer guten Saison reicht. Ich tippe, dass Bayern erneut vor dem Halbfinale ausscheidet, weil ich Stand jetzt noch nicht das große Ganze zusammenpuzzeln kann. National wird das reichen, aber international? Ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen.
Maurice: Vieles hängt in einem Wettbewerb wie der Champions League natürlich am Losglück und am Turnierbaum. Dass allerdings Real Madrid und Manchester City nicht im Halbfinale stehen werden, fällt schwer zu glauben. Bleiben noch zwei weitere Plätze, bei denen natürlich auch die Bayern unter den Kandidaten sind. Um nicht mit Justin einer Meinung zu sein, sage ich, dass die Münchner es diese Saison unter die letzten Vier schaffen. Dort wird aber, wie in der abgelaufenen Saison, Manchester über zwei Spiele einen deutlichen Klassenunterschied demonstrieren.
These 3: Keine 1111 Minuten
Maurice: Manuel Neuer wird in dieser Bundesliga-Saison keine 1111 Minuten absolvieren.
Es ist die Saga der letzten Saison, wenn nicht bereits länger. Die Verletzung von Manuel Neuer, zugezogen bei einem Skiunfall im letzten Winter, ist wohl deutlich schwerwiegender als gedacht. Anstatt einem Comeback in der Vorbereitung, herrscht Ungewissheit bezüglich seiner Rückkehr. Mein Tipp ist, dass die wahre Schwere der Verletzung noch nicht an die Öffentlichkeit geraten ist und Neuer dieses Jahr deutlich weniger spielen wird, als gedacht – nämlich unter 1111 Minuten in der Bundesliga. Das entspräche weniger als 13 Spielen über die volle Distanz.
Justin: Ich denke, dass Manuel Neuers Zeit beim FC Bayern bald vorbei sein wird. Ich glaube sogar, dass es dem Rekordmeister gut tun würde, weil Neuer eine Machtposition hat, die seinen sportlichen Leistungen nicht mehr entsprechen. Sich in diesem Bereich komplett neu aufzustellen, wäre eher früher als später sinnvoll. Ich sage dennoch, dass er die 1111 Minuten knacken wird – nur behaupte ich, dass er sportlich nochmal abbaut.
These 4: Bayerns Konkurrenten sind Leverkusen und Leipzig
Justin: Borussia Dortmund wird um die Champions-League-Qualifikation kämpfen und hat mit dem Titelkampf so gar nichts zu tun.
Vorab: Ich denke, Bayern wird deutlich Meister. Also mindestens fünf Punkte Vorsprung. Während sich in den Köpfen aber noch das enge Rennen mit dem BVB aus der letzten Saison befindet, werden zwei andere Teams die Plätze zwei und drei besetzen: Bayer Leverkusen und RB Leipzig. Nicht zwingend in dieser Reihenfolge, aber ich sehe beide aktuell besser aufgestellt als den BVB. Die können froh sein, wenn sie den vierten Platz erreichen.
Maurice: Ich schätze die Borussia diese Saison auch nicht als den großen Konkurrenten, der sie dieses Jahr waren, da die Bayern die Liga deutlich gewinnen werden (siehe nächste These). Zu schwer wird der Verlust von Bellingham in der Mannschaft wiegen. Allerdings traue ich Leverkusen noch nicht die Konstanz über die ganze Saison zu. Leipzig wird daher der Hauptkonkurrent für Dortmund um die Vize-Meisterschaft. Ich tippe aber gegen Justin und sehe sie auf dem zweiten Platz am Ende.
These 5: Endlich wieder 82 Punkte
Maurice: Der FC Bayern holt in dieser Bundesliga-Saison mindestens 82 Punkte.
81 Punkte holte Borussia Dortmund in der Saison 2011/12. Laut Jürgen Klopp ein Rekord, der über Jahre nicht gebrochen würde. Doch in den folgenden acht Spielzeiten holten die Münchner sechs Mal mindestens 82 Punkte in der Liga. In den letzten fünf Jahren gelang es dem FC Bayern allerdings nur noch einmal: in der Triple-Saison 2019/20. Diese Saison werden die Münchner diese Schwelle erneut brechen. Die Konkurrenz hat erneut ihre stärksten Spieler verloren, der Rekordmeister hat sich punktuell verstärkt und Trainer Tuchel bekam erstmals eine volle Vorbereitung mit dem Team.
Justin: Hier muss ich zustimmen. Wenn Bayern selbst in einer schwachen Saison die 70 Punkte locker knackt, dann wird er in einer besseren Saison wieder in Richtung 80 kommen. Ich glaube, dass sich nach einer schwierigen Anfangsphase vieles in München stabilisieren wird und man souverän zum Titel marschiert.
These 6: Thomas Tuchel geht auch in die Saison 2024/25
Justin: Thomas Tuchel wird auch in der Saison 2024/25 der Trainer des FC Bayern München sein.
Schon jetzt gibt es ersten Gegenwind, schon jetzt erste Zweifel. Ich sage: Gemach! Tuchel mag jetzt noch nicht viel erkennen lassen haben, doch das war zugegebenermaßen auch sehr schwer. Dass am Ende seiner ersten Vorbereitung ebenfalls noch nicht so viel zu erkennen ist und grundsätzlich dieselben Probleme vorhanden sind wie vor drei Monaten, überrascht mich nicht. In der Welt des Fußballs dreht sich alles immer schneller, Trainer bekommen kaum noch faire Chancen – insbesondere bei Topklubs. Ich habe das Gefühl, dass Tuchel intern gerade mächtig aufräumt. Fußballerisch und auch ergebnistechnisch wird es nicht darauf ankommen, ob Bayern nach fünf oder zehn Spieltagen auf dem ersten Platz steht. Ich weiß: Ich habe ein frühes Aus in der Champions League getippt. Gleichzeitig bin ich mir aber sicher, dass Bayern zumindest eine gute Saison spielen wird. Tuchel bleibt Trainer und es wird das eine oder andere Highlight geben.
Maurice: Ich halte dagegen und sage, dass wir Tuchel nächsten Sommer nicht mehr in München sehen werden. Zu wenig positive Veränderung sah ich dabei in der Saisonvorbereitung. Die Problemzonen der letzten Spielzeit sind weiterhin vorhanden: Die Abwehr ist zu löchrig und kassierte außer gegen Kawasaki und Rottach-Egen in jedem Spiel mindestens zwei Gegentore. In der Offensive lässt man viele Chancen aus, wenn Gnabry keinen Sahnetag hat. In den Pressekonferenzen scheint Tuchel oft ratlos über diese Phasen seiner Mannschaft. Genau darüber wird der FC Bayern, und später auch Tuchel, stolpern.
These 7: Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin
Maurice: Der FC Bayern gewinnt den DFB-Pokal in Berlin.
Freiburg, Gladbach und Kiel. Für den Rekordpokalsieger war in den letzten Jahren im Pokal früh Schluss. Ein solch schwaches Abschneiden für drei Jahre in Folge gab es letztmals Mitte der 90er. Damals folgte auf insgesamt elf Final-lose Jahre ein Sieg im Pokal über Duisburg (Wissen für das nächste Kneipenquiz: Torschütze damals in der letzten Minute war Mario Basler). Dieses Jahr werden die Münchner die Pleiten-Serie durchbrechen und den Pokal in der Hauptstadt gewinnen.
Justin: Es wäre schon irgendwie unterhaltsam, würde der FC Bayern zum vierten Mal in Serie scheitern. So rein aus der Vogelperspektive. Der Pokal ist der einzige Wettbewerb, in dem es für den FCB keine 95-prozentige Wahrscheinlichkeit auf den Titel gibt (das wird mir wieder Diskussionen mit Georg einbringen). Trotzdem stimme ich zu: Der Pokal geht in dieser Saison wieder nach München.
These 8: Thomas Müller erlebt seinen zweiten Frühling
Justin: Thomas Müller wird derart von der Verpflichtung von Harry Kane profitieren, dass er wieder unverzichtbar wird – und ein weiteres Double-Double schafft.
Mit dem Aufstieg von Jamal Musiala gibt es auch immer mehr Stimmen, die Müller im Hintergrund verschwinden sehen. Ich sage: Müller wird nochmal richtig aufblühen. Die Verpflichtung von Harry Kane ist genau das, was der Weltmeister von 2014 braucht. Endlich wieder ein Stürmer, den er mit seinen großartigen Qualitäten unterstützen kann. Und auch das tuchel’sche Pressing wird von einem Müller in Topform profitieren. Ich sage: Wir erleben nochmal ein Double-Double von der Bayern-Legende.
Maurice: Auch hier kann ich mit Justin nicht mitgehen. Ich sehe die Parallelen zu den Zeiten, in denen Müller rund um Lewandowski brillierte, doch zwei, drei Jahre später wird der Ur-Bayer diese Leistungen neben dem Ur-Londoner Kane nicht erneut vollbringen können. Zu zentral und unersetzlich ist spätestens nach dieser Vorbereitung Musiala in der Münchner Offensive. Vor allem die zehn Tore von Müller halte ich für nicht realistisch.
These 9: Laimer statt Goretzka
Maurice: Konrad Laimer wird am Saisonende mehr Minuten als Leon Goretzka gesammelt haben.
Letzte Saison hatte ich einen Durchbruch von Marcel Sabitzer prophezeit. Lange Zeit sah das auch gut aus, aber dann wechselte der Österreicher in der Winterpause spontan nach England und versaute mir meine These… Dieses Jahr setze ich auf seinen jüngeren Landsmann Konrad Laimer. Bereits in der Vorbereitung scheint er sich einen gewissen Vorsprung gegenüber Leon Goretzka erarbeitet zu haben. Diesen wird er aufgrund seiner starken Leistungen bis zum Saisonende auch nicht verlieren.
Justin: Das hängt auch ein bisschen davon ab, ob noch jemand verpflichtet wird. Ich traue Goretzka durchaus zu, dass er sich wieder in die Mannschaft arbeiten kann, obwohl es derzeit alles andere als gut aussieht. Thomas Tuchel scheint kein Fan zu sein, die Kritik wächst. Laimer sehe ich allerdings auch noch nicht als den Heilsbringer. Es wird ein enges Duell zwischen den beiden und am Ende gewinnt Goretzka.
These 10: Bayern erzielt weniger Bundesliga-Tore
Justin: Der FC Bayern München erzielt in der Bundesliga maximal 84 Tore.
92, 97, 99, 100 – das ist die Anzahl der Bundesliga-Tore in den letzten vier Spielzeiten. Weniger als 88 waren es seit der Saison 2015/16 nicht mehr (damals 80). Ich sage: Tuchels kontrollierter Ansatz wird dazu führen, dass die Bayern weniger als 85 Bundesliga-Tore schießen. Im Idealfall wird sich auch die Defensive stabilisieren. Zumindest erwarte ich das. Aber ich will keine Doppelthese daraus machen.
Maurice: Das Team ist in meinen Augen offensiv zu stark und prominent besetzt, um nicht über die von Justin auserkorenen 84 Tore zu kommen. Zudem wird der FC Bayern von einer ab dem Mittelfeld relativ schwachen Bundesliga profitieren. Die Aufsteiger Heidenheim und Darmstadt werden meiner Einschätzung nach in einigen Spielen mehrere Gegentore kassieren, so vermutlich auch in München. Zudem zeigten die Münchner in der Vorbereitung, dass sie trotz des Tuchel-Pragmatismus immer noch Tore schießen können. Die Zahlen aus den Vorsaisons wird man nicht ganz erreichen, aber für 85 Treffer reicht es.
Nach zehn Thesen glaubt Justin an ein frühes Champions-League-Aus und dennoch ein “Weiter So” mit Tuchel, während Maurice die Münchner fröhlich unter die Top-4 Europas tippt und dennoch das Aus des Trainers prophezeit. Bei der Einschätzung einzelner Spieler gehen die Meinungen ebenfalls weit auseinander. Maurice sieht Kane und Laimer als große Gewinner der Saison, während Justin auf Müller und Goretzka setzt.
Nur bei zwei Thesen waren sich unsere Autoren einig: Der FC Bayern wird deutlich Meister und holt noch den Pokal. Na also, geht doch!
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