Zehn Saison-Thesen zum FC Bayern: Dieser Spieler geht, ein anderer bleibt

Justin Trenner 07.08.2021

Unsere Autoren Maurice und Justin haben sich jeweils fünf Thesen für die kommende Saison überlegt: Wie weit kommen die Bayern in der Champions League? Wer kann überraschen? Und was wird im ersten Nagelsmann-Jahr vielleicht noch nicht wie gewünscht funktionieren?

Auf jede der fünf Thesen gibt der andere Autor zudem eine Antwort, in der er die Prognose diskutiert. Am Ende gibt es darüber hinaus noch eine Bonusthese. Statt also wie in einigen vergangenen Jahren einfach nur die Thesen aufzustellen, bekommt ihr diesmal eine Zweitmeinung gleich mitgeliefert.

These 1: Vorbei mit der Gegentorflut?

Maurice: Zum ersten Mal seit der Saison 2015/16 wird der FC Bayern in der Bundesliga weniger als 20 Gegentore in einer Saison kassieren.

Der Fokus von Nagelsmann in der Vorbereitung lag in allererster Linie auf der Stabilisierung der Defensive. Auch wenn dies anhand der Ergebnisse nicht direkt offenkundig wurde, so offenbarten die Spiele eine klare Handschrift. Das ganz hohe und extrem ballorientierte Pressing vergangener Flick-Tage, das die Münchner so anfällig machte für hohe Seitenverlagerungen hinter den ballfernen Außenverteidger, ist passé. Zudem will Nagelsmann über das situative Einrücken der Außenverteidiger den Spielaufbau stützen, um bei Ballverlusten in der Vorwärtsbewegung eine Überzahl in Ballnähe zu kreieren. In den letzten fünf Saisons stieg die Anzahl der Münchner Gegentore kontinuierlich an, so dass man in diesem Zeitraum 50 Gegentore mehr kassierte als in den fünf Jahren zuvor. Nagelsmann steht hier für die Trendwende.

Justin: Dass Nagelsmann für die Trendwende steht, unterschreibe ich sofort. Ich bin überzeugt davon, dass er mit etwas Anlaufzeit eine viel stabilere Defensive aufstellen kann. Das liegt zum Teil auch an der personellen Veränderung, die sich mittelfristig bezahlt machen wird. Allerdings ist beides, sowohl der Trainerwechsel als auch der Verlust von erfahrenen Spielern, zwangsweise mit einer Entwicklung verbunden, die Zeit benötigt. Wie viel Zeit das letztendlich sein wird, muss sich noch zeigen. Ich glaube auch nicht, dass das hohe und aggressive Pressing „passé“ ist, sondern nur um weitere Ansätze ergänzt wird. Die Bayern werden mittel- bis langfristig deutlich flexibler sein, was das Defensivspiel anbelangt. Ich glaube aber, dass sie gerade zu Saisonbeginn noch das eine oder andere Gegentor zu viel kassieren werden. Deshalb stimme ich zwar dem Tenor der These, nicht aber ihrer Konsequenz zu: Es werden mehr als 20 Gegentreffer, aber zugleich auch deutlich weniger als die 44 der vergangenen Spielzeit – konkret: Weniger als 30.

These 2: Jugend forscht unter Nagelsmann

Maurice: Unter Nagelsmann werden mindestens drei Spieler ihr Bundesliga-Debüt feiern, die letzte Saison bei den Amateuren oder für eine der U-Mannschaften aufliefen.

Hier kommen gleich zwei Punkte zusammen: Zum einen ist Nagelsmann ein Innovator und Kreativer, der gerne auch mal jüngeren Spielern in ungewohnter Position eine Chance gibt. Auch wenn Nagelsmann in Leipzig nur vier Akteuren zum Debüt verhalf, war er in Hoffenheim ein wichtiger Mentor für Geiger, Akpoguma oder Posch. Zum anderen trifft er auf einen der vielversprechendsten Kader in der Bayern-Jugend mit Sieb, Motika, Tillmann & Co. Gerade auch vor dem Hintergrund eines dünnen, verletzungsanfälligen Kaders wird Nagelsmann sicher dem einen oder anderen jungen Wilden seine Chance geben.

Justin: Machen wir es kurz: Ich stimme fast vollumfänglich zu. Es ist ja ein Stück weit auch die Erwartung an Nagelsmann, dass er den Campus stärker einbezieht. Ergänzen möchte ich, dass die Jahrgänge ab 2003 unfassbar stark sind. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass sie alle den Durchbruch beim FC Bayern packen, aber ich rechne damit, dass in den nächsten Jahren wieder Spieler nachkommen, die an der Säbener Straße mehr sind als Platzhalter für die Regeln bei der Kadernominierung. Nagelsmann wird schon in dieser Saison davon profitieren, wenn er gestandenen Profis Regeneration geben muss. Ob es gleich drei Spieler werden, weiß ich allerdings nicht. Ich denke, 1-2 Spieler feiern ihr Bundesliga-Debüt.

These 3: Die Ablösung des Thomassist?

Maurice: Thomas Müller wird am Saisonende nicht die meisten Vorlagen im Bayern-Kader zu Buche stehen haben. 

21, 21, 12, 16, 15 – insgesamt 85 Assists listet Transfermarkt für die letzten fünf Spielzeiten von Thomas Müller in der Bundesliga. Nur 2018/19 führte das Münchner Urgestein unter Niko Kovač nicht das vereinsinterne Vorlagen-Ranking an. Im amerikanischen Wahlkampf heißt es häufig „as Ohio goes, so goes the Nation“ – übersetzt auf den FC Bayern könnte es auch lauten „as Müller goes, so goes the coaches spell”. Es wird spannend zu sehen sein, wie Nagelsmann den Raumdeuter in sein System einbindet oder ob er das scheinbar unmögliche schaffen kann: Erfolg zu haben, obwohl Müller keine Top-Leistungen bringt. Denn er wird als Top-Vorlagengeber beim FC Bayern abgelöst.

Justin: Ich halte dagegen. Zwar wird es unter Nagelsmann womöglich wieder eine ausgeglichenere Verteilung der Scorerpunkte geben, aber Müller wird nach wie vor starke Leistungen abliefern. Und allein schon aus Trotz zur These von Maurice: Er wird erneut Top-Vorlagengeber.

These 4: Chris Richards überrascht!

Maurice: Über die gesamte Saison wird Chris Richards aus dem Trio mit Bouna Sarr und Omar Richards die meiste Spielzeit gesammelt haben.

Der weltweite Transfermarkt sucht gute Außenverteidiger und da ist der FC Bayern keine Ausnahme. Nach Last-Minute-Sarr holte man in diesem Sommer noch Zweitliga-Richards, was natürlich eine klare Überspitzung ist und den Spielern nicht gerecht wird. Aber mit Chris Richards hat der Klub noch eine Geheimwaffe in der Hinterhand. Der US-Amerikaner hat sich in den letzten beiden Jahren erheblich gesteigert und wusste bei seiner Leihe nach Hoffenheim sehr zu überzeugen. Er könnte ein Gewinner unter Nagelsmann sein, da er die Rolle des einrückenden Rechtsverteidigers, der den Spielaufbau stützt, durch seine Erfahrung in der Dreierkette gut ausfüllen kann.

Justin: Dafür müsste Chris Richards sich einerseits nochmal steigern und andererseits beim FC Bayern bleiben. Beides will ich nicht ausschließen, aber der Reihe nach: Richards halbes Jahr in Sinsheim war sicher gut. Sehr gut war es aber nicht. Hier wird oft ein wenig verklärt, dass er trotz einer zurecht positiven Bewertung seiner Leistungen immer noch viele Defizite hat – wenn wir vom Niveau des FC Bayern ausgehen. So sind Stellungs- und Aufbauspiel sowie sein Zweikampfverhalten nach wie vor ausbaufähig. Ob es bei einem absoluten Top-Klub reichen kann, steht für mich noch in den Sternen. Dass die Bayern ihn nochmal verleihen oder gar mit einer Rückkaufoption verkaufen, halte ich für wahrscheinlicher, als dass er unter Nagelsmann viele Minuten sammelt. Auch wenn seine Vielseitigkeit dem Kader theoretisch helfen könnte, wäre das für seine persönliche Entwicklung vielleicht sogar besser. Deshalb meine Gegenthese: Richards wird weniger Spielzeit beim FC Bayern sammeln als Omar Richards und vielleicht auch weniger als Bouna Sarr – keinesfalls aber mehr als beide.

These 5: Ein neuer König auf den Flügeln?

Maurice: Leroy Sané wird mit mindestens 25 Scorer-Punkten in allen Wettbewerben zum gefährlichsten Außenstürmer der Münchner.

Leroy Sané war der Buhmann der Europameisterschaft 2021. Von großen Spielern wird Großes erwartet und hier enttäuschte der oft als Möchtegern-Weltstar portraitierte Sané das deutsche Fußballpublikum. Schon vergessen erscheinen die vielen außergewöhnlichen Momente, wenn der Außenstürmer seine Klasse aufblitzen lässt. Leider viel zu selten – auch in der letzten Saison. Dennoch könnte Sané unter Nagelsmann aufblühen in einem System, das ihm mehr Räume und damit Eins-gegen-eins-Situationen gibt als in der Nationalelf. 

Justin: Ich bin ebenfalls stark davon überzeugt, dass Sané unter Nagelsmann beweisen wird, was für ein herausragender Fußballer er ist. Es wird schnell vergessen, welch fantastische Zahlen er bei Manchester City vor seinem Kreuzbandriss geliefert hat – in sehr jungen Jahren. Und angesichts der Umstände in der vergangenen Saison (kam aus einer langen Verletzung, neuer Trainer, neues Team, keine echte Vorbereitung, Druck von außen, auf dem Zahnfleisch gehende Mitspieler …) sind 22 Torbeteiligungen in rund 2.600 Minuten gar nicht so schlecht. Lediglich die Ablöse und das hohe Gehalt führen dazu, dass es vielen Beobachter:innen nicht reicht. Nachvollziehbar. Aber ab jetzt geht es für Sané nur noch bergauf.

Leroy Sané trainiert für den Durchbruch beim FC Bayern. Geht es ab jetzt nur noch bergauf?
Foto: Imago Images

These 6: Bayern wird nicht Herbstmeister

Justin: Die Bayern werden wie schon in den Spielzeiten 2018/19 und 2019/20 nicht Herbstmeister, am Ende wird es aber dennoch zum Titel reichen.

Ich glaube, dass die Bayern gerade zu Saisonbeginn noch große Probleme haben werden. Natürlich ist ein Grund dafür, dass Julian Nagelsmann Zeit braucht, um seine Ideen zu implementieren. Er wird gerade in den ersten Spielen den Fokus darauf legen, dass die Defensive im Vergleich zur letzten Saison stabilisiert wird. Das wiederum könnte im Offensivbereich zunächst zu einer kleinen Ladehemmung führen. Doch das ist nicht der alleinige Grund für meine These. Auch der lange Urlaub der Nationalspieler wird zu Saisonbeginn noch spürbar sein. Mit einem Bundesliga-Auftakt in Gladbach und einem Spiel gegen Leipzig am 4. Spieltag ist der Start jedenfalls knackig. Ich rechne mit dem einen oder anderen Punktverlust und dann wäre es spannend, wie der Klub mit der Unruhe umgeht.

Maurice: Der Weihnachtsmann war noch nie der Osterhase. Daher mache ich mir wenig Sorgen, dass die Münchner vielleicht auch eine etwas schwächere erste Jahreshälfte noch ausgleichen können. Im richtigen Rhythmus angekommen, würde man sich dann auch im Frühjahr 2022 gegen die Brocken Gladbach und Leipzig durchsetzen können. Der Vorteil des schweren Auftakts ist allerdings, dass aus den letzten acht Gegnern beider Serien letztes Jahr nur zwei Teams in den Top-8 der Tabelle standen. Zum Vergleich: Für Leipzig geht es gegen fünf aus der Top-8. Dies könnte auch in einem knappen Endspurt für die Münchner sprechen. Richtig Kopfschmerzen macht mir nur ein dünner Kader und der Ausfall einer der beiden Unersetzbaren Lewandowski und Kimmich. Dennoch sage ich, dass auch dieses Jahr Weihnachtsmann und Osterhase ein rot-weißes Trikot tragen.

These 7: Der Henkelpott rückt in die Ferne

Justin: In der Champions League ist vor dem Halbfinale Schluss für den FC Bayern. Der Neuanfang wird in dieser Saison noch dazu führen, dass entscheidende Nuancen gegen die Top-Teams fehlen.

Meine These #6 führt quasi nahtlos in die siebte These über. Bayern wird sich, davon bin ich überzeugt, auf der Langstrecke dieser erneut eng getakteten Saison steigern. In der Champions League wird es aber noch nicht ausreichen, um erneut in die Top 4 vorzustoßen. Gegen den ersten großen Gegner, spätestens aber im Viertelfinale wird man ausscheiden, weil ihnen entweder der etwas zu dünne Kader aufgrund von Ausfällen ein Bein stellt, und/oder Kleinigkeiten wie individuelle Fehler den Unterschied ausmachen.

Maurice: Die K.-o.-Phase der Champions League ist immer schwer vorherzusagen, da neben der Auslosung auch die Tagesform einen erheblichen Anteil am Ausgang über 180 Minuten hat. Dennoch halte ich Justin entgegen, dass letzte Saison einem auf dem Zahnfleisch gehenden Bayern-Team ohne ihren Weltklasse-Stürmer nur ein Tor fehlte, um ins Halbfinale einzuziehen. Die stabilere Grundordnung sollte den Münchnern jedenfalls helfen, die Gegner nicht zu allzu leichten Kontern einzuladen. Im Gegensatz zu Flick traue ich Nagelsmann zudem zu, das Spiel auch noch während der Partie durch aktives Coaching umzureißen und seine Mannschaft auf geänderte Parameter einzustellen. Dieser Bonus ist gerade in großen Partien von Nutzen, wenn der Gegner in langer Vorbereitung einen perfekten Matchplan entworfen hat. Der Sieg im Europapokal wäre für die erste Saison etwas zu hoch gegriffen, doch das Halbfinale ist mit dem Kader auf alle Fälle erreichbar.

These 8: Einer bleibt, ein anderer geht!

Justin: Leon Goretzka wird seinen Vertrag beim FC Bayern verlängern, während Kingsley Coman den Klub spätestens im Sommer 2022 verlässt.

Die Verträge der Bayern-Spieler sind im Moment das Thema. Gerade bei Leon Goretzka wird viel spekuliert. Ich bin überzeugt davon, dass Goretzka am Ende beim FC Bayern bleiben wird. Auch weil die Bayern sich gehaltstechnisch ordentlich strecken werden. An der Säbener Straße weiß man genau um den sportlichen Wert des Mittelfeldspielers, genauso aber auch um den menschlichen Wert. Goretzka ist eines der Gesichter dieses Klubs geworden und wird sich dahingehend noch weiterentwickeln. Es wäre womöglich mittel- und langfristig teurer für den FC Bayern, einen Ersatz zu verpflichten, als Goretzka mit einem fürstlichen Gehalt zu entlohnen. Die Münchner werden sicher nicht über ihre Schmerzgrenze gehen, aber das, was sie letztendlich bieten, wird reichen. Bei Coman sehe ich das etwas anders. Wenn der Franzose in den kommenden Monaten nicht noch einen ganz großen Schritt nach vorn macht, wird der Klub nicht bereit sein, ihn finanziell in den gehobenen Bereich der Hierarchie zu befördern. Ähnlich wie bei Alaba wird man zurecht davon überzeugt sein, ihn sportlich ersetzen zu können. Zumal 2022 zumindest noch eine im Vergleich kleine Ablösesumme winken könnte, die direkt reinvestiert werden kann. Coman hat es auch aufgrund von Verletzungen nie geschafft, von einem sehr guten Flügelspieler zu einem Weltklassespieler zu reifen. Deshalb glaube ich nicht daran, dass seine Forderungen vom Klub erfüllt werden und er somit spätestens im Sommer 2022 wechselt.

Maurice: So gerne ich Justin auch widerspreche, an dieser Stelle ist seine Vorhersage so wahrscheinlich wie aktuell Regen in der Wettervorhersage auf meinem iPhone. Die Bayern stehen, ähnlich wie auch schon bei Kroos und Alaba, an einem Scheideweg und müssen den Wert eines einzelnen Spielers für das Team beziffern. Diese Schmerzgrenze muss dann wohlüberlegt der Gehaltsforderung des Spielers gegenübergestellt werden. Gerade bei Mr. Lissabon scheint es mir unwahrscheinlich, dass Bayern ihn in der obersten Gehaltsstufe sieht. Zwar hat Coman dieses eine wichtige Tor erzielt und in den letzten Jahren auch viele starke Leistungen samt Leistungssprung vollbracht, doch sowohl die Verletzung als auch die Rolle in der Mannschaft sprechen gegen ihn. Gerade letztere ist bei Goretzka nicht zu unterschätzen, weshalb auch der direkte Vergleich mit Kroos wohl leicht hinkt. Dennoch ist der sympathische Mittelfeldspieler sicher nicht so wichtig für das Spiel wie sein Counterpart Kimmich. Zuletzt geht es noch darum wie leicht man einen Ersatz für den jeweiligen Spieler findet und auch hier scheint die Rolle des Außenstürmers leichter zu ersetzen als die Rolle eines Box-to-Box-Spielers. Insofern: Zustimmung. Goretzka bleibt, Coman geht.

These 9: Tanze Tanguy mit mir!

Justin: Tanguy Nianzou wird mit mehr als 1.500 Pflichtspielminuten einer der Gewinner der Saison sein.

Schon in der Vorbereitung hat Nianzou angedeutet, was er leisten kann. Seine Qualität ist enorm. Insbesondere in der Bundesliga wird er deshalb viele Rotationsminuten abgreifen und womöglich auch schon direkt zu Saisonbeginn davon profitieren, dass Alphonso Davies und Lucas Hernández verletzt sind/waren. Aber auch wenn die beiden zurückkehren, sehe ich für Nianzou gute Chancen. Wenn sich Omar Richards im Vergleich zu seinen bisherigen Leistungen nicht entscheidend und schnell verbessert, wird Hernández sicher auch mal links starten und schon ist Platz für den jungen Franzosen. Einzig seine Verletzungsanfälligkeit könnte meiner These im Weg stehen, ansonsten glaube ich aber fest daran, dass Nianzou viele Minuten sammeln wird – vielleicht sogar mehr als 2.000.

Maurice: Zu wünschen ist es ihm nach seiner schwierigen ersten Saison in München allemal. Nianzou zählt für mich zu den großen Gewinnern der Vorbereitung, da er nicht nur viele Minuten sammelte, sondern auch von Beginn an mit Nagelsmann arbeiten konnte. Durch den Abgang von Alaba, Boateng und Martínez werden über 7.700 Pflichtspielminuten frei, selbst ohne Alaba sind es noch knapp 3.900. Da sollten für den talentierten Innenverteidiger einiges an Minuten abfallen, auch deutlich mehr als die 1.500 aus dieser These.

These 10: Die Gretchenfrage – Nun sag, wie hast du’s mit der Offensive?

Justin: Drei Statistiken, drei Tipps: In der Saison 2020/21 kamen die Bayern in der Bundesliga auf 99 Tore, 17,1 Abschlüsse pro Spiel (WhoScored) und 75,8 Expected Goals (fbref.com / StatsBomb). Sie werden im Debüt-Jahr unter Nagelsmann weniger Tore und mehr Abschlüsse erzielen, während sie bei den Expected Goals in etwa gleich bleiben (Spanne: 72-78).

99 Tore sind eine Hausmarke! Der gnadenlose Offensivfußball der Bayern hat ihnen viele Tore geschenkt. Nagelsmann wird ebenfalls daran interessiert sein, offensiv ansehnlichen Fußball zu produzieren. Leipzig kam in der vergangenen Saison immerhin auf 65,3 Expected Goals – ohne Vollstrecker aber nur auf 60 Treffer. Jetzt kann der Trainer sich wohl auf die Power von Lewandowski, Müller, Sané, Gnabry und Co. verlassen. Seine Leipziger Marke wird er deutlich übersteigen. Fraglich ist allerdings, ob die Bayern ihre Expected Goals nochmal derart überperformen wie zuletzt unter Flick. Deshalb tippe ich, dass sie, zumal ich ja auch Anfangsprobleme einrechne, unter ihren 99 Toren einlaufen – und auch unter 90, um es vielleicht etwas spannender zu machen. Was die Abschlüsse und die Expected Goals angeht, werden sie aber mit einem starken Endspurt in etwa auf das gleiche Niveau kommen. Mehr Abschlüsse und wieder ein xG-Wert zwischen 72 und 78 sind mein Tipp!

Maurice: Expected Meister wurde Nagelsmann letzte Saison mit RaBa Leipzig – ein Titel für den er sich nichts kaufen konnte. Er bedeutet allerdings auch, dass es die Elf von Nagelsmann nicht vermochte – vermeintlich – beste Abschlüsse zu nutzen, denn sonst wäre aus dem expected ein Deutscher Meister geworden. Dass letzte Saison allerdings ein Ausrutscher war, zeigen die Statistiken der Vorjahre. Hier war Nagelsmann mit 76 und 80 expected Goals jeweils erster Bayern-Verfolger. Der Trainer versteht es, seine Mannschaft in beste Positionen zu bringen, das wird bei Bayern auch wieder klappen. Dennoch scheinen die 99 Tore eine nahezu unerreichbare Ausbeute, gerade auch wenn Lewandowski einen Baby-Schritt zurück macht. Bei den Schüssen war letzte Saison eher ein Ausrutscher nach unten – hier glaube ich, dass die Münchner eher wieder an die Jahre zuvor anknüpfen. Am Ende also bin ich, ganz der Langweiler, mal wieder der gleichen Meinung wie Justin …

Bonusthese: Es menschelt ein wenig bei Lewandowski

Justin: Robert Lewandowski erzielt wieder über 30 Tore, bleibt aber weit von der 40er Marke entfernt.

Anschließend an meine Offensivstatistik-These möchte ich noch ergänzen, dass auch Robert Lewandowski wieder etwas mehr menscheln wird. So zumindest mein Tipp. Er wird am Ende wieder über 30 Tore kommen, bleibt diesmal aber unter 35.

Maurice: Regression zur Mitte nennt der Ökonom den Effekt, wenn sich eine Messreihe nach einem Ausreißer wieder dem Durchschnitt annähert. Nun erzielt Lewandowski für die Münchner – ohne die beiden Extremwerte der ersten (17) und letzten (41) Saison – immer noch 29 Tore pro Spielzeit im Schnitt. Eine hohe 20er oder niedrige 30er Saison scheint daher sehr wahrscheinlich. Um Justin zu widersprechen, sage ich, dass der polnische Weltklassestürmer nicht mehr als 30 Tore erzielen wird. Ein Grund könnte zum Beispiel sein, dass Nagelsmann noch öfter Choupo-Moting vertraut oder hin und wieder ohne echte Spitze aufläuft, wie er das in Leipzig – aus Mangel an passendem Personal – häufiger tat.