Eine Eckfahne, vor einer Tribüne am FC Bayern Campus. Auf der Fahne ist das Bayern-Logo zu sehen.

FC Bayern: Testspielsieg der Frauen – ein Straus neuer Erkenntnisse

Justin Trenner 14.08.2022

Nach der 0:1-Auftaktniederlage gegen Brighton & Hove Albion war im italienischen Trainingslager eine Reaktion des FC Bayern München gefragt. Zwar befindet sich das Team mitten in der Vorbereitung und Ergebnisse sind zweitrangig, aber die Niederlage soll dennoch ärgerlich gewesen sein. Übertragen wurde die Partie nicht, weshalb nur die Zuschauer:innen vor Ort einen ersten Eindruck gewinnen konnten.

Das änderte sich nun beim zweiten Test gegen U.S. Sassuolo, wo auch erstmals die EM-Fahrerinnen sowie Copa-America-Siegerin Tainara de Souza da Silva mit dabei waren. Der Serie-A-Klub erreichte in der vergangenen Saison den vierten Platz in Italien. Niveautechnisch ließe sich das wohl mit dem Bundesliga-Mittelfeld rund um den SC Freiburg oder Bayer Leverkusen vergleichen.

Tore von Sydney Lohmann (52.) und Jovana Damnjanović (88.) besiegelten den 2:0-Sieg gegen die Italienerinnen. „Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis, auch wenn es höher hätte ausfallen können“, analysierte Alexander Straus nach der Partie bei den Klubmedien: „Wir haben wieder viele Chancen kreiert, aber müssen immer noch effizienter werden.“ In Teilen des Spiels habe man gezeigt, „was wir erreichen wollen.“ Und tatsächlich gab dieses Spiel einen ersten Eindruck von den zukünftigen Bayern.

FC Bayern: Die Grundformation

Schon im ersten Testspiel soll Straus eine Dreierkette auf den Platz gebracht haben. Gegen Sassuolo begannen die Bayern in einem 3-4-3.

Interessant war die Rolle von Lina Magull, die in den letzten Jahren häufig auf einer Achter- oder gar auf der Sechserposition agierte. Beim DFB überzeugte sie schon vor ihrer starken Europameisterschaft häufig auf der Zehn. Gegen Sassuolo durfte sie nun als Halbraumzehnerin starten, wo sie immer wieder die Verbindungsspielerin zwischen Lea Schüller und dem zentralen Mittelfeld war. Halblinks startete Klara Bühl, die unter Jens Scheuer und auch beim Nationalteam sonst eher auf dem Flügel agierte. Alle drei Offensivspielerinnen wechselten aber regelmäßig die Positionen.

Georgia Stanway, die für Manchester City schon oft in offensiveren Rollen eingesetzt wurde, durfte zunächst auf einer Achterposition ran, die sie ähnlich interpretierte wie im 4-1-4-1/4-2-3-1 des englischen Nationalteams. Straus hätte sich auch für die bewährte Doppelsechs Magull/Zadrazil entscheiden können, zog die Kapitänin aber nach vorn.

FC Bayern: Die Grundidee mit Ball

Dass er viele ballsichere und technisch starke Spielerinnen im Zentrum aufstellte, tat dem Bayern-Spiel von Beginn an gut. Sassuolo versuchte zwar mehrfach, den Spielaufbau der Münchnerinnen zu stören, kam dabei aber nur sehr selten zum Erfolg. Inwiefern die folgenden Beobachtungen Indikatoren dafür sind, wie die Bayern in Zukunft auftreten wollen, ist wegen der sich selbst erklärenden Stichprobengröße unklar.

Trotzdem gab es wiederkehrende Spielzüge, die gut zur Formation und der Besetzung der einzelnen Rollen passten. Die Flügel waren jeweils meist nur einfach besetzt, dafür gab es aber im Halbraum meist mindestens drei Spielerinnen, die sich vertikal staffeln sollten. Heißt also: Auf der linken Seite bildeten Kumagai, Stanway und Bühl häufig ein Trio, das Gwinn auf dem Flügel unterstützte, rechts waren es eben Tainara, Zadrazil und Magull, die Glas immer wieder Anspielstationen boten. Und so fokussierte sich im Spielaufbau einiges auf die Halbverteidigerinnen.

In der ersten Phase waren es somit häufig Kumagai und Tainara, die das Spiel vertikal oder diagonal eröffneten. Viggósdóttir hatte eher die Aufgabe, die einfachen Pässe zu spielen. Dass Kumagai über ein gutes Passspiel verfügt, hat sie in der Vergangenheit oft genug bewiesen – wenn auch bei den Bayern mit zu wenig Konstanz. Auf der rechten Seite ist Tainara eher eine Unbekannte.

Die Brasilianerin machte gegen Sassuolo aber einen guten Eindruck, verteilte viele Bälle klug und traute sich auch mal längere Passwege ins vordere Drittel zu. Weil sie eine recht ballsichere und athletische Spielerin ist, kann sie zudem immer mal wieder andribbeln. Das tat sie teilweise sogar wie eine Außenverteidigerin auf dem Flügel oder mit diagonalen Läufen ins Mittelfeld.

In der Offensive bewegten sich die Spielerinnen sehr flexibel, aber auch immer recht nah beieinander. Wichtig schien es ihnen immer zu sein, dass die ballführende Spielerin mindestens zwei oder drei Kurzpassoptionen hat. Das war in der Vergangenheit vor allem auf dem Flügel anders, wo teilweise drei Spielerinnen auf einer Linie standen und sich so die Räume wegnahmen. Das führte zu recht eindimensionalen Flügelläufen.

FC Bayern: Tor „aus dem Bilderbuch“

Mit Positionswechseln, kreuzenden Laufwegen und auch mal dem einen oder anderen Abbruch des Angriffs, um die Seite zu verlagern, präsentierten sich die Münchnerinnen zumindest in diesem Spiel variabel und geduldig. Exemplarisch dafür ist der Führungstreffer von Lohmann, der wunderbar herausgespielt wurde. Zunächst erfolgt eine Verlagerung auf den linken Flügel, wo Schüller (wie in der Szene oben) entgegenkommt und so zunächst eine Kurzpassoption anbietet.

https://twitter.com/AngyBanana01/status/1558181321536593932?s=20&t=IPxOVUpiJ7RUK7BOmUkFcg

Sie wird nicht angespielt, dreht aber sofort wieder ins Zentrum ab, während Dallmann von außen auf die Schnittstelle der Abwehrkette zuläuft. Ebenfalls im Halbraum bietet sich Sydney Lohmann (kam zunächst als Halbraumzehnerin rein) an, die den Diagonalpass mit der Hacke auf die nun ebenfalls Tempo aufnehmende Schüller ablegt. Die Abstände zwischen den Spielerinnen sind in jeder Phase dieses Spielzugs gut gewählt. Einerseits für ein etwaiges Gegenpressing bei Ballverlust, andererseits weil es mehrere Optionen gibt, den Ball in das offensive Zentrum zu bringen, ohne auf einen hohen Schlag angewiesen zu sein.

Der Rest ist dann pure Spielfreude. Schüller schickt Dallmann tief, die legt wieder auf Lohmann ab und so entsteht ein „Angriff fast wie aus dem Bilderbuch“, wie es Straus anschließend bezeichnete. Sicherlich war da viel Intuition dabei, aber die Halbraumüberladungen und der Versuch, von den Außen- und Halbpositionen aus spielerische Lösungen zu finden, zog sich durch die gesamte Partie. Hier mit einem ästhetischen Höhepunkt.

FC Bayern: Die Grundidee gegen den Ball

In den Umschaltmomenten war zudem in beide Richtungen viel Intensität und Aggressivität zu erkennen. Hohe Ballgewinne wurden schnell ausgespielt, tiefere Ballgewinne eher gesichert. Auf Ballverluste folgte konsequent ein intensives Gegenpressing. Durch die vielen Spielerinnen im Zentrum funktionierte das häufig sehr gut. Bayern machte ein kontrolliertes Spiel und ließ hinten fast nichts zu.

Große Veränderungen zu vorher gab es gegen den Ball noch nicht zu beobachten – mal abgesehen von der Grundformation, die einige Vor-, aber auch Nachteile mit sich bringt. In organisierten Defensivphasen liefen die Bayern selten sehr hoch an – und wenn, dann in Unterzahl. Meist waren es nur zwei, seltener drei Spielerinnen, die den Spielaufbau störten. In den überwiegenden Fällen ließ sich Magull etwas fallen, wodurch dann ein 5-3-2 entstand.

Es bleibt abzuwarten, wie das gegen stärkere Teams funktioniert. Unter Scheuer hatten die Münchnerinnen oft Probleme, wenn sie sich zu sehr auf die eigene Defensivarbeit konzentriert haben. Durch den progressiven Ansatz in Ballbesitz könnte sich das bereits erübrigen. Und etwas tiefer zu verteidigen muss nicht gleichbedeutend mit fehlendem Mut sein.

FC Bayern: Wichtiger Test gegen Barça

Durch die Unterzahl im Angriffsdrittel haben die Bayern in anderen Zonen Überzahl. Auch hier scheint Straus vor allem das Mittelfeldzentrum zu priorisieren. Mehr als oberflächliche Beobachtungen sind nach diesem Spiel aber kaum möglich. Dafür hat Sassuolo die Defensive der Bayern zu wenig fordern können.

Interessanter wird da schon das Aufeinandertreffen mit dem FC Barcelona am Dienstag. Beim AMOS Women’s French Cup geht es um den Einzug ins Finale, wo dann am Freitag Paris Saint-Germain oder Manchester United warten. Ein Spiel um Platz drei ist ebenfalls angedacht.

Die kommende Woche wird also nochmal deutlich mehr zeigen, in welche Richtung sich der Fußball unter Straus entwickeln könnte. Einen ersten Eindruck davon konnte man beim Test gegen Sassuolo bereits gewinnen.



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