Endlich: Der FC Bayern zeigt (Regenbogen-) Flagge

Christian Trenner 16.07.2019

Sogar der Fanclub Queerpass Bayern wurde aktiv beim CSD unterstützt. Aus der Pressemitteilung des FCB dazu ist besonders diese Begründung bemerkenswert:

Eine besondere Bedeutung gewinnt dieses ‚Zeichen setzen‘ aus dem Wissen heraus, dass zwei wichtigen Personen in der Geschichte des FC Bayern zu ihren Zeiten nicht vor Diskriminierung und Ausgrenzung geschützt waren. Das Gründungsmitglied und Vizekapitän Wilhelm Focke (1900 bis 1903) sowie der ehemalige Präsident Dr. Angelo Knorr (1906 bis 1913) waren beide homosexuell.Pressemitteilung des FC Bayern

Die Posts auf Facebook, Instagram und Twitter erhielten insgesamt hunderttausende Likes. Und leider auch tausende Hasskommentare. Der STERN bezeichnete das als Shitstorm, so weit würde ich angesichts der stark überwiegenden Zustimmung zur Aktion des FC Bayern nicht gehen. Aber leider ist es Fakt, dass der FC Bayern als Teil der Fußballwelt eben auch viele Fans hat, die homophob sind.

Darf ein Fußballclub Position beziehen?

Der Gegenwind sollte den Verantwortlichen zeigen, dass es richtig war, Haltung zu zeigen. Homophobie, Sexismus wie auch Rassismus, Antisemitismus und überhaupt jede Form der Diskriminierung haben beim FC Bayern keinen Platz. Fans, die das anders sehen, dürfen sich gerne einen anderen Club suchen.

https://twitter.com/FCBayern/status/1150027954455547904

In den vergangenen Jahren haben wir erlebt, wie einige Fußballclubs, darunter Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund sich klar politisch geäußert haben. Gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Und sogar explizit gegen die AfD. Viele Bayernfans, mich eingeschlossen, hätten sich gewünscht, dass auch der FC Bayern hier Haltung zeigt und Stellung bezieht. Das ist von wenigen verklausulierten Äußerungen abgesehen nicht passiert.

Ergänzung 16. Juli: Ich liebe es, wenn der FC Bayern meinen Blogbeitrag zerstört  Karl-Heinz Rummenigge hat sich offenbar aktuell gegenüber dem SID in einem Interview wie folgt geäußert:

„Wir wollen hier Klartext reden: Der FC Bayern steht gegen Rassismus, gegen Gewalt – für Offenheit, für Toleranz.“ So habe der Verein zum Beispiel auch den Christopher Street Day in München unterstützt oder den Fanklub Queerpass, der sich für Homosexuelle einsetzt.

Dieses Engagement gefällt allerdings nicht allen. “Ich habe da auch schon böse Briefe bekommen, warum der FC Bayern so etwas mache”, sagte Rummenigge. “Aber die landen bei mir ganz schnell im Schredder. Wir sind ein weltoffener Verein. Es ist unsere Aufgabe, für diese Werte einzutreten.”Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender (SID)

Der Verein zieht sich hier zurück auf die Position, dass ja wohl jeder in Deutschland wisse, dass der FC Bayern gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sei und sich deshalb nicht eigens zu AfD & Co äußern müsse. Ferner will sich der FC Bayern an Taten messen lassen, nicht an Worten, und verweist auf das zweifellos positive Engagement zum Kurt-Landauer-Gedenken und für minderjährige Flüchtlinge und Asylbewerber in München.

Auch wenn ich in Teilen diese Position nachvollziehen kann, sehe ich dennoch den FC Bayern in der Verantwortung, sich als größter Sportverein in Deutschland, als eine identitätsstiftende Macht im Land mit Vorbildfunktion zu gesellschaftlich drängenden Themen zu äußern. So wie der Club es jetzt zum Thema Homophobie gemacht hat muss das auch möglich sein zum Rechtsruck in Deutschland und auch zum Klimawandel. Und so, wie der aktuelle Post zum CSD gezeigt hat, wie viele homophobe Fans es beim FC Bayern gibt, so fürchte ich auch ähnliche Verhältnisse in Bezug auf Nationalismus und Rassismus. Es wäre daher schon ein wichtiger Service für diese Fans, von „ihrem“ Verein zu erfahren, dass sie mit ihrer Gesinnung beim FC Bayern fehl am Platze sind.

„Lasst mich im Stadion mit Politik in Ruhe!“ und „Politik hat im Fußball nichts zu suchen!“

Wer sich so äußert, verkennt: Der kommerzialisierte, allgegenwärtige Fußball, mit seinem Einfluss auf alle Teile der Gesellschaft, ist längst ein Teil von Politik. Der Fußball wird von der Politik benutzt (Merkel, Schröder, Kohl bei der Nationalmannschaft, Söder und Seehofer beim FC Bayern). Der Fußball ist selbst politischer Akteur (zB beim „Kauf“ von Weltmeisterschaften oder bei großen Stadionbauprojekten). Das Fußballgeschäft ist Politik in seiner ursprünglichen Bedeutung: als soziales Handeln, mit dem das Zusammenleben der Menschen geregelt wird. Die Gestaltung und das Durchsetzen von Zielen im privaten und öffentlichen Raum ist Politik. Hiervon ist der FC Bayern selbstverständlich ein Teil.

Die Werte des FC Bayern

Der FC Bayern sollte sich also weiterhin politisch und gesellschaftlich äußern. Und zwar auf Basis seiner Werte und moralischen Prinzipien. Denn darauf beruht die Haltung des FC Bayern.

Die handelnden Personen beim FC Bayern haben die Pflicht, die historisch gewachsenen Werte und die moralische Grundhaltung des Clubs zu achten und für sie einzustehen.

Diese Werte und diese Haltung sind neben den sportlichen Erfolgen die Pfeiler, auf denen der FC Bayern steht. Spieler kommen und gehen, sportlicher Erfolg ist zu gewissem Teil planbar, aber unzuverlässig – und vor allem flüchtig. Was bleibt in der Rückschau vom FC Bayern? Sicher die sportliche Historie und aber auch ein Gefühl davon, wofür dieser Club stand und steht:

Für Toleranz und Freiheit als ursprünglich Schwabinger Künstlertreff.

Für Weltoffenheit und Gastfreundschaft als von Anfang an gegenüber internationalen Einflüssen aufgeschlossener Club.

Ein weiterer Wert ist der Familiensinn – der aktuelle und ehemalige Spieler und Angestellte des Clubs genauso einbezieht, wie die aktiven Fans und Mitglieder. Solidarität mit Schwächeren und Hilfebedürftigen – mit Schwerpunkt in der Münchener Heimat – bestimmt ebenfalls den moralischen Kompass beim FC Bayern. Ausdruck davon sind der FC Bayern Hilfe e.V., die Dominik-Brunner-Stiftung und das Dominik-Brunner-Haus der Johanniter, das Engagement für minderjährige Flüchtlinge und Asylbewerber in München sowie zahlreiche „Retterspiele“ für in Not geratene Traditionsvereine.

Das mia san mia – auch wenn es mir mittlerweile zu stark vom Marketing vereinnahmt wird – fasst gut zusammen, wie der FC Bayern mit seinen Werten umgehen will: selbstbewusst, selbst wenns Gegenwind gibt. Wir sind wie wir sind und wir stehen dazu.

Gibt es eine werteorientierte Grundhaltung?

Warum schreibe ich das alles? Weil es mir wichtig ist, einmal aufzuführen, dass die werteorientierte Grundhaltung des FC Bayern historisch gewachsen ist. Das ist kein künstliches Image, verordnet von einer Werbeagentur. Sondern tatsächlich die DNA des Clubs.

Das muss man als Club-Verantwortlicher im Hinterkopf haben, wenn man verstehen will, warum die Partnerschaft zum Staat Katar beispielsweise von vielen eigenen Fans so negativ gesehen wird. Allen Beteuerungen des FC Bayern („kritischer Dialog“) zum Trotz: Die Geschäftsbeziehungen mit Katar sind der große Sündenfall in der Geschichte des FC Bayern. Es ist gut, wenn der FC Bayern sich in Doha mit der Frauenmannschaft für Menschenrechte einsetzt. Noch besser, wenn er das hoffentlich bald endlich auch mit den ungleich prominenteren männlichen Profis tut. Aber am besten wäre es gewesen, sich nie mit einem Staat einzulassen, der sich ein Fußballgroßereignis mit korrupten Mitteln erkauft und signifikante Defizite im Umgang mit Menschenrechten hat. Selbst wenn die Golfstaaten um Katar herum hier noch größere Defizite haben. Auch die Geschäftsbeziehungen zum Unrechtsstaat China – die leider öffentlich praktisch gar nicht kritisiert werden (too big to fail?) – widersprechen vielen Werten des FC Bayern. Jetzt, als Akteur im chinesischen Markt, ist es allerdings lobenswert, mit gestifteten Stipendien in chinesischen Universitäten einen Werte-Transfer anzustoßen.

Der FC Bayern hat mit seinen Statements, beleuchteter Arena und Regenbogen-Eckfahnen für Toleranz und gegen Diskriminierung ein richtiges und wichtiges Zeichen gesetzt. Ich hoffe, dass Mut und Überzeugung beim FC Bayern wachsen, künftig auch weiterhin zu anderen drängenden gesellschaftspolitischen Themen deutlich Flagge zu zeigen.

Der Text erschien im Original zuerst auf Christians eigenem Blog „Am Ende des Tages“ ohne die Kapitelüberschriften. Wir sind froh, dass wir von ihm die Erlaubnis bekommen haben seine Meinung auch bei uns veröffentlichen zu dürfen.

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