Zwischen Lichtermeer und leeren Rängen: Die Debatte um die Pyro-Show der Bayern-Fans
Plötzlich brannte die ganze Kurve. Zu Beginn der zweiten Halbzeit des Heimspiels in der Champions League gegen Sporting CP in der vergangenen Woche entzündeten Bayern-Fans zeitgleich etwa 90 Fackeln, die die Südkurve der Allianz Arena von Eckfahne zu Eckfahne in ein rot-weißes Lichtermeer verwandelten und das Spielfeld weniger später in rauchigen Nebel hüllten.
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Die spektakuläre Show stieß auf geteilte Reaktionen: Während auf Social Media zahlreiche Videos aus dem Stadion begeistert geteilt wurden, verurteilte Vereinsboss Jan-Christian Dreesen die Aktion nach Abpfiff scharf.
Die UEFA hat nun verkündet, dass neben einer Geldstrafe auch auch die Blöcke 111 bis 114 beim nächsten Champions-League-Heimspiel leer bleiben müssen. Der FC Bayern stand seit dem Champions-League-Spiel im März gegen Leverkusen unter Bewährung. Damals war ebenfalls Pyrotechnik im Stadion angezündet worden, wofür der Verein eine Geldstrafe zahlen musste.
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Wurde das Spiel gegen Sporting CP bewusst ausgewählt?
Da mit dem belgischen Verein Union Saint-Gilloise ein kleinerer Club als nächster Heimspielgegner der Bayern in der Champions League schon lange vorher feststand, spekulieren viele Medien, dass das Spiel gegen Sporting CP in der vergangenen Woche von den Bayern-Ultras gezielt ausgewählt wurde, um die erwartbare Strafe anschließend gegen einen relativ unbekannten Gegner am Ende der Gruppenphase auszusitzen statt gegen mögliche Hochkaräter in den späteren K.-o.-Spielen.
Dass dabei allerdings einige Medien raunend von einem „perfiden Plan“ der Bayern-Ultras berichten, ganz so, als hätten diese die Nebelschwaden genutzt, um unbemerkt die Stadionkassen zu plündern, zeigt, wie unsachlich die Debatte teilweise geführt wird. Ein Fan aus der aktiven Szene, der anonym bleiben möchte, betont, dass das “Erzwingen einer Strafe” nie das Ziel einer solchen Aktion sei, stellt aber auch klar, dass man im Zweifel lieber eine Strafe gegen Union Saint-Gilloise hinnehmen würde als gegen wichtigere Gegner.
Grundsätzlich ginge es bei den Pyro-Aktionen der Bayern-Ultras aber vor allem um eine Sache: die Unterstützung von den Rängen optisch zu untermalen. Dazu würden sich die Fans eigene Regeln auflegen, um die Gefahr für Unbeteiligte zu minimieren. Die Münchner Ultras achteten auf Abstände zu Personen im Umfeld und würden die Pyrotechnik niemals aus der Hand geben oder gar werfen.
Diese Selbstverpflichtungen gelten aber offenbar nicht für alle Fans und Fanszenen gleichermaßen, wie einige Gästefans aus Lissabon prompt unter Beweis stellten und zwei unbeteiligte Männer durch einen Böllerwurf verletzten (gegen die beiden Täter sind bereits Ermittlungsverfahren eröffnet worden).
Die Reaktion der Spieler und Offiziellen des FC Bayern
Die Spieler der Bayern bewerteten die Vorfälle nach Abpfiff in Interviews nüchtern. Joshua Kimmich gab an, sich trotz des Nebels auf das Spiel konzentriert zu haben, kritisierte aber den Böllerknall. Manuel Neuer, der des Reklamierens ansonsten nicht immer unverdächtig ist, wollte die Nebelschwaden in einem TV-Interview nicht als Ausrede für das Gegentor gelten lassen und zeigte sich entspannt, da das Spiel nicht unterbrochen werden musste.
Einige seiner Mitspieler konnten offenbar auch der ästhetischen Wirkung der Aktion etwas abgewinnen und posteten anschließend Fotos von sich vor der rot-weiß leuchtenden Kurve auf Social Media. Nicht nur vor einer Unterbrechung, sondern vor einem kompletten Spielabbruch sorgte sich unterdessen Bayern-Boss Jan-Christian Dreesen, der in einem Interview nach dem Spiel von einem „nicht zu akzeptierenden“ Verhalten sprach.
Der Fan aus der aktiven Szene führt darauf an, dass schon Spiele mit weitaus schlechteren Sichtverhältnissen fortgesetzt worden seien. In der Tat scheint ein Spielabbruch im Rückblick unrealistisch, das Risiko einer Spielunterbrechung kannten aber offenbar selbst einige Spieler an. Ansonsten sei, so der Fan aus der aktiven Szene, die Reaktion von der Klubführung erwartbar und in gewisser Weise nachvollziehbar gewesen. Insgesamt hätten sich die Vereine in den vergangenen Wochen bei den politischen Debatten um die Sicherheit in Fußballstadien gut verhalten.
Die politische Debatte um Sicherheit im Fußballstadion
Im Vorfeld der letzten Innenministerkonferenz (IMK) Anfang Dezember hatten u. a. die Innenminister aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen laut über deutlich schärfere Maßnahmen wie personalisierte Tickets, flächendeckende Ausweiskontrollen sowie KI-gestützte Gesichtserkennung nachgedacht und auch härtere Regeln gegen Pyrotechnik ins Spiel gebracht.
Nach Protesten von Fans und Kritik von Verbänden und Vereinen verzichtete die IMK auf diese Beschlüsse, gleichzeitig hat sich die DFL zu einem eigenen Maßnahmenpaket verpflichtet, um Sicherheitsstrukturen durch mehr und besser ausgebildetes Personal zu verbessern.
Klar ist aber auch: Deutsche Fußballstadien sind so sicher wie nie. In der abgelaufenen Saison besuchten 25,3 Millionen Menschen die Spiele der ersten drei Ligen – Rekord. Laut der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze wurden 1.107 Fans und Polizist:innen dabei verletzt. Das entsprich einem deutlichen Rückgang zur Saison davor. Oder anders: Die Gefahrenquote für Fans liegt bei 0,0044 Prozent.
Offen ist indes noch, welche Rechte und Befugnisse die geplante zentrale Stadionverbotskommission haben wird und wie langfristig mit dem Thema Pyrotechnik in Fußballstadien umgegangen wird. Der Fan aus der aktiven Szene wünscht sich hierfür gemeinsam von Verbänden, Politik und Fans festgelegte Regeln, die ein kontrolliertes Abbrennen im Stadion ermöglichen. Dass das bald geschehen wird, glaubt er aber nicht, zu festgefahren sei dafür die Diskussion mit Verbänden und Politik.
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