FC Bayern Frauen: Bianca Rech sieht „positives Ende“ der Hammerwoche

Justin Trenner 18.11.2021

1:2-Niederlage in Lyon, eine unglückliche 0:1-Niederlage in der Bundesliga gegen Wolfsburg und ein 1:0-Erfolg über Lyon im Rückspiel. Es hätte besser laufen können, vielleicht sogar müssen für die FC Bayern Frauen. Trotzdem sagt die sportliche Leiterin Bianca Rech im Gespräch mit Miasanrot.de: „Für mich ist es ein positives Ende der Woche“, ergänzt jedoch: „Aber erst, wenn wir am Sonntag ganz klar unsere drei Punkte gegen Jena einfahren.“ Angesichts der Ergebnisse mutet das fast schon überschwänglich an – oder einfach realistisch?

Die Erwartungen an den FC Bayern sind nach wie vor riesig – auch weil die eigenen Ambitionen es sind. Man will Wolfsburg in Deutschland als Spitzenteam ablösen und in Europa zu den besten Teams zählen. Ein erster Reality Check hat Raum für Kontroversen geliefert. Da war der nicht so gute Auftritt im Hinspiel bei Olympique Lyon, zu dem Rech sagt, dass es nicht das Gesicht gewesen sei, das man eigentlich zeigen wolle.

Letztendlich sei dieser erste Eindruck aber ein gänzlich anderer gewesen als der letzte. Denn da waren eben auch noch zwei Spiele, in denen sich das Team anders präsentierte: „Wir haben es gegen Wolfsburg deutlich besser und aus meiner Sicht ein sehr gutes Spiel gemacht“, sagt Rech und betont, dass das Glück ein bisschen gefehlt habe. Gegen Lyon im Rückspiel wiederum habe man „nochmal zulegen können.”

Zu viel Respekt im Hinspiel gegen Lyon?

Bleibt die große Frage, warum das nicht immer gelingt. Eine klare Antwort gibt es dafür nicht. Rech sieht aber vor allem auch mentale Gründe. Es sei einerseits menschlich, auch mal einen nicht ganz so guten Tag zu erwischen, vielleicht habe man andererseits aber auch einfach etwas zu viel Respekt gehabt und war zu wenig aggressiv in der Zweikampfführung.

Diesen Respekt konnte das Team sowohl im Rückspiel als auch schon am Wochenende gegen Wolfsburg beim Top-Spiel der Frauen-Bundesliga ablegen. Höheres Pressing, mehr Spielanteile, mehr Selbstvertrauen – in Teilen wirkten die Spielerinnen wie ausgetauscht.

Gerade im Hinspiel verteidigte das Team von Jens Scheuer recht passiv mit zwei tiefen Viererketten am eigenen Strafraum und schaffte es kaum, das hohe Pressing der Französinnen zu überspielen. Beispielhaft dafür ist eine Szene aus der Anfangsphase:

Lyon versucht, den Spielaufbau der Bayern früh zu stören. Die wiederum stellen sich sehr breit auf, um die Gegnerinnen auseinander zu ziehen. Im Zentrum macht Sarah Zadrazil eine gute Auftaktbewegung und bietet sich im Sechserraum an. Soweit machen die Münchnerinnen viel richtig.

Dann aber trifft Zadrazil zwei fragwürdige Entscheidungen. Die erste: Sie lässt auf den Flügel klatschen, statt aufzudrehen und anzudribbeln. Sie hätte den Raum gehabt, hier sofort Tempo aufzunehmen, stattdessen spielt sie aber in einen Raum, den Lyon gut zustellen kann. Viel schwerwiegender ist aber die zweite Entscheidung: Sie bewegt sich auf den Flügel, wo bereits zwei Mitspielerinnen positioniert sind und öffnet die Mitte damit komplett.

Wenninger versucht, eine der drei Spielerinnen anzuspielen, bleibt an ihrer Gegenspielerin aber hängen. Eine Spielerin von Lyon kann somit drei Bayern-Spielerinnen im Deckungsschatten binden. Der Ballverlust wurde von Lyon nicht bestraft, hätte aber zum frühen 0:1 führen können.

Aus den Fehlern gelernt

Im Rückspiel haben die Bayern solche Situationen grundsätzlich besser gelöst. „Wir hatten nach den Erfahrungen aus dem ersten Spiel einen ganz klaren taktischen Plan und diesen haben wir sehr gut umsetzen können. Wir wollten die erste Pressinglinie von Lyon überspielen, weil wir wussten, dass wir dort mögliche Räume finden werden“, analysiert Rech.

„Es war klar, dass Lyon uns pressen wollen würde und wir wollten nicht in diese Pressinglinie reinspielen, um nicht sofort unter Druck zu geraten.“ Deshalb sei auch der eine oder andere lange Ball in die Zwischenräume und Halbfelder dabei gewesen.

Im Detail setzten die Bayern das mit cleveren Positionswechseln um. Wenn Magull beispielsweise in den Zwischenraum aufrückte, füllte Linksverteidigerin Caroline Simon ihre Position hin und wieder auf, um sich entweder für einen kurzen Pass anzubieten, oder Magulls Gegenspielerin zu binden.

Das war nicht bei jedem Angriff der Fall, weil die Positionswechsel unterschiedlich durchgeführt wurden, aber das Ziel blieb immer gleich: Der Zwischenraum hinter der ersten Pressinglinie Lyons und mindestens ein Flügel sollten geöffnet werden. Daraus ergaben sich zwei Möglichkeiten: Entweder der von Rech beschriebene lange Ball in die Zone zwischen Verteidigung und Mittelfeld des Gegners, wo vier Bayern-Spielerinnen sich positionierten, oder eine Verlagerung von rechts auf links, wo sich Klara Bühl mit viel Raum anbieten konnte. Die Herangehensweise führte dazu, dass Lyon mehr Zugriffsprobleme hatte und Bayern den Ball besser laufen ließ. Rund 60 Prozent Ballbesitz hatten die Münchnerinnen im ersten Durchgang.

In der zweiten Halbzeit kam insbesondere gegen Ende der Partie auch einiges an Glück dazu. Am Ende schien dem Team etwas die Luft auszugehen, was durchaus mit der für die Spielerinnen neuen Belastung zusammenhängen kann. Allerdings wurde auch da nochmal deutlich, wie abhängig die Bayern aktuell von ihrer Physis sind. Hier bedarf es womöglich noch etwas Feinschliff im taktischen und strukturellen Bereich, um das eine oder andere Korn zukünftig sparen zu können und mit der Belastung besser zurecht zu kommen.

Immer noch ein weiter Weg nach oben

Trotz des 1:0-Achtungserfolgs weiß auch Bianca Rech, dass es noch einiges an Arbeit gibt: „Wir haben es in der Offensive nicht immer gut ausgespielt.” Bayern verbuchte sowohl gegen Wolfsburg als auch jetzt im zweiten Spiel gegen Lyon viele hohe Ballgewinne, aber wirklich gefährliche Abschlüsse resultierten zu selten daraus. Die Erarbeitung und das Nutzen von Torchancen sieht die sportliche Leiterin als eine der Baustellen für die kommenden Wochen, verweist aber auch darauf, dass der aktuelle Terminplan wenig Zeit für eine notwendige Trainingsbasis biete. Das Trainieren von Abläufen und Prozessen komme durch die enge Spieltaktung zu kurz.

Gerade durch die neue Champions-League-Reform sieht Rech aber auch die Möglichkeit, sich schneller zu entwickeln. Auf diesem Niveau müsse man im Spiel schneller Entscheidungen treffen „und dann passieren auch Fehler, die schnell bestraft werden.“ Man müsse durchweg die eigene Top-Leistung abrufen und das sei ein Prozess, an dem „wir wachsen müssen.“

Der Anspruch, auch diese Herausforderungen zu meistern, ist zweifelsohne vorhanden bei den Bayern Frauen. Und dass diese Hammerwoche so früh kam und eben nicht erst im letzten Drittel der Saison, wo Niederlagen häufig schon das Ende der Titelträume bedeuten, sieht man in München als große Chance. Lernpotential ist nach den beiden Niederlagen und auch der wackeligen Schlussphase im Rückspiel gegen Lyon durchaus vorhanden. Denn ganz soweit, wie sich einige Fans das vor der Saison vielleicht erhofft hatten, ist das Team offensichtlich noch nicht.

Vor allem der jüngste Sieg gegen Lyon zeigt aber, dass die Anlagen da sind. Jetzt geht es darum, die Entwicklung weiter voranzutreiben. Aus dem positiven Ende der Woche muss nun der bestmögliche Schwung mitgenommen werden – auch wenn nach dem Jena-Spiel erstmal Länderspielpause ist. Bianca Rech ist dahingehend sehr optimistisch.