Dayot Upamecano im Zweikampf mit Goncalo Ramos beim Duell zwischen dem FC Bayern und PSG.
Bild: Stuart Franklin/Getty Images

Meister der Rasierklinge: Wie Dayot Upamecano PSG zur Verzweiflung brachte

Justin 05.11.2025



Herbert Hainer hatte auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München eine besondere Grußbotschaft an Dayot Upamecano.

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Als der Präsident sich daran erinnerte, wie sehr die Fans im vergangenen Jahr mit Applaus ihren Wunsch bekräftigt hätten, dass ihr Klub mit Jamal Musiala, Joshua Kimmich und Alphonso Davies verlängert, verwies er auf die erfolgreichen Vertragsverlängerungen.

Sie wären „ein Zeichen, dass hier etwas Großes wächst“. Und dann sagte er etwas überraschend: „Lieber Dayot Upamecano, gerne zur Nachahmung empfohlen.“ Der Vertrag des Franzosen läuft im kommenden Sommer aus. Die Botschaft von Hainer war unmissverständlich: Am liebsten würden sie mit ihm verlängern.

Warum das so ist, zeigte der Innenverteidiger am Dienstagabend in der Champions League zum wiederholten Male. Es war eine Weltklasseleistung. Eine, die über die gewöhnlichen Leistungen von Innenverteidigern hinausging. Denn Upamecanos taktische Rolle im System von Vincent Kompany ist eine immens wichtige, die in dieser Form nicht viele spielen können.

Bayern meistert die bisher größte Herausforderung

Grund dafür ist das extrem mannorientierte Pressing der Bayern. Einerseits kann das gegen viele klar unterlegene Mannschaften ein Vorteil für die Innenverteidiger sein, weil sie im Spiel nur selten in Stressmomente kommen – schließlich werden die Bälle entweder früh erobert oder es fliegen unkontrollierte lange Bälle in die Bayern-Hälfte, die mehr oder weniger leicht zu verteidigen sind.

Auf Champions-League-Niveau aber gleicht die Rolle der Innenverteidiger einem Tanz auf der Rasierklinge. Für Upamecano und auch Jonathan Tah war die Partie gegen Paris Saint-Germain am Dienstagabend ein Spiel, in dem sie dauerhaft unter Strom standen und alle paar Sekunden Entscheidungen in einem Bruchteil einer Sekunde treffen mussten, die einen immensen Einfluss auf den Spielverlauf hatten.

Das lag an einem Gegner, der weiß, wie man Mannorientierungen bespielt. Nämlich mit Dribblings und vielen Positionswechseln. PSG hat diese Spielweise in der vergangenen Saison nahezu perfektioniert und stellte die Bayern entsprechend vor einige Herausforderungen.

PSG wollte den FC Bayern locken

In der ersten Halbzeit wurde der Plan des amtierenden Champions-League-Siegers mehrfach deutlich. Natürlich rechneten sie damit, dass sie von den Münchnern hoch angelaufen werden würden. Dabei setzte die Mannschaft von Luis Enrique darauf, die Innenverteidiger horizontal auseinander zu ziehen und möglichst auch vertikal ein Stück zu locken, um den Raum im Zentrum groß zu machen.

Dafür machte PSG das Spiel auf beiden Flügeln breit und überlud die Halbräume. Das Resultat: Bayern öffnete das Zentrum und vertraute darauf, mögliche lange Bälle in diesen Raum präventiv zu verhindern. Das gelang meist auch gut.

Aber es war anders als in der vergangenen Saison nicht das einzige Mittel. Upamecano spielte eine entscheidende Rolle dabei, ob die Münchner konsequent bis nach vorn durchpressten oder nicht. Denn der Franzose ging sehr auffällig nicht jeden Weg seines Mitspielers bis nach vorn mit. Hin und wieder antizipierte er den langen Ball und sicherte so wie in der unteren Abbildung die letzte Linie ab.

Szenenanalyse: Upamecanos Rolle gegen PSG

Hier versuchte es PSG typischerweise mit gegenläufigen Bewegungen. Ein Spieler sollte Upamecano herausziehen, der andere in die Tiefe starten. Statt die Gegenspieler zu übergeben, ging Konrad Laimer den Weg seines Gegenspielers mit. Upamecano ließ sich zunächst etwas rausziehen, wartete mit dem konsequenten Herausrücken aber, bis er sicher war, dass Laimer entweder schnell genug ist, oder der Pariser im Abseits steht.

Video: Unsere Quick Reaction zum PSG-Spiel

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Ein kleiner Moment des Wartens, der dazu führte, dass sein Gegenspieler im Mittelfeld etwas Raum bekam. Allerdings in einer unwichtigen Zone – und nicht ganz unbewacht. Denn auch Aleksandar Pavlovic war in der Nähe. Der Mittelfeldspieler sorgte für eine Überzahlsituation, die Upamecanos Abwarten abfederte. Erst als der Franzose sicher war, dass sein Herausrücken nicht zu Problemen führen kann, schob er bis nach vorn durch.

Interessant: Im Aufbau hatte PSG hier einen Mann mehr. Oft pressten die Bayern so durch, dass es zu einem Mann-gegen-Mann über den ganzen Platz kam. In Einzelfällen wie hier warteten sie etwas ab, bevor sie kontrolliert ins Angriffspressing übergingen. Diese Rhythmuswechsel entstanden vor allem dann, wenn Upamecano sich dazu entschied, lieber lange Bälle zu antizipieren, statt nach vorn zu schieben.

Upamecano: Aktien am ersten Tor des FC Bayern

Auch beim ersten Tor gab es so eine ähnliche Szene. Nuno Mendes schob von außen nach innen. Dabei ging er an Michael Olise vorbei. Der Bayern-Stürmer entschied sich aber dazu, weiterhin Kontakt zum Außenverteidiger zu halten.

In der vergangenen Saison passierte es in solchen Situationen oft, dass ein Innenverteidiger des FCB sofort ins Mittelfeldzentrum aufrückte. Die Folge: Der lange Ball und ein Eins-gegen-Eins auf der Außenbahn waren möglich. Auf dem anderen Flügel gab es eine solche Szene, als Josip Stanišić seinen Zweikampf gegen Bradley Barcola verlor und der PSG-Angreifer plötzlich halbrechts frei durch war (14.).

Allerdings blieben beide Innenverteidiger hier tief und so konnte Tah den Passversuch von Barcola zur Ecke blocken. In der oben dargestellten Situation wartet Upamecano also genau den richtigen Moment ab, in dem der lange Ball gespielt werden könnte. Erst als der Innenverteidiger zum Pass ansetzt, sprintet er nach vorn, um ein Aufdrehen zu verhindern.

Es entsteht ein Ballgewinn, der anschließend zum 1:0 führt. Natürlich war die Szene nicht ohne Risiko. Gelingt seinem Gegenspieler das, was Barcola mit Stanišić gemacht hat oder was Vinícius Júnior einst mit Min-jae Kim machte, steht es vielleicht 1:0 für Paris.

Dayot Upamecano: Meister der Rasierklinge

Aber es ist kein Zufall, dass es hier beim Konjunktiv bleibt. Upamecanos Entscheidungsfindung hat sich unter Kompany in den vergangenen Monaten sukzessiv verbessert. Individualtraining, Coaching, Videoanalysen – die Arbeit trägt Früchte.

Upamecano tanzt systembedingt regelmäßig auf der Rasierklinge, ist mittlerweile aber der Meister ebenjener. Der 27-Jährige muss in einem Bruchteil einer Sekunde entscheiden, ob er seine Position verlässt oder nicht. Allein die Szene vor dem Führungstreffer zeigt, welche Konsequenzen sein Handeln haben kann – in beide Richtungen. Auch gegen PSG kam es in einigen Fällen dazu, dass er mal die falsche Entscheidung traf.

Es fiel jedoch weniger ins Gewicht, weil die Bayern eine enorme Laufbereitschaft an den Tag gelegt haben und jeder Spieler zu fast jedem Zeitpunkt fokussiert und konzentriert war. So konnte man Fehler, die in diesem Hochgeschwindigkeitssystem unabdingbar sind, schnell wieder reparieren und auffangen. Upamecanos Leistungen sind vor diesem Hintergrund umso beeindruckender.

Dass Hainer ihm eine spezielle Grußbotschaft schickte, verwundert daher kaum. Aktuell gibt es nur wenige Innenverteidiger auf der Welt, die diese Rolle mit so viel Leidenschaft, Energie, aber auch Spielintelligenz bekleiden könnten. Eine Verlängerung erscheint alternativlos.

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