Der FC Bayern bei der Europameisterschaft

Felix Trenner 08.06.2016

Dennoch stellt man beim Blick auf den EM-Kader des FCB fest, dass im Vergleich etwa zur WM 2014 deutlich weniger Nationalspieler auf Reisen sind. Im Vergleich zur Weltmeisterschaft sind es drei weniger, bei der Europameisterschaft 2012 spielten 13 Münchner, diesmal inklusive der deutschen Nationalspieler nur Elf.

David Alaba

Den Anfang macht David Alaba, der in seiner österreichischen Heimat der große Star und Leader ist. Wenige Fußballer hatten zuvor einen ähnlichen Stellenwert in der Alpenrepublik, normalerweise kommen die Sportler mit den größten Anhängerscharen aus dem Wintersportbereich. Doch Alaba ist etwas besonderes: Er hat es als erster österreichischer Fußballer geschafft, sich im modernen Fußballgeschäft einen Namen zu machen und ist nicht nur in Deutschland bekannt. Seine Mitspieler im Nationalteam spielen zwar ebenfalls in der Bundesliga oder Premier League, bringen aber nicht diesen Hauch von Weltklasse in das Team, das unter Trainer Marcel Koller eine Entwicklung hin zu einer Mannschaft mit klarem Profil und klarer taktischer Ausrichtung genommen hat.

Alabas Rolle im österreichischen System ist die des offensiven Sechsers. Während sein Positionskollege Julian Baumgartlinger eher den defensiveren Part einnimmt, hat Alaba viele Freiheiten nach vorne und taucht auch mal neben Zlatko Junuzovic, dem klassischen Zehner auf. Da Österreichs Kapitän Christian Fuchs die linke Seite bespielt, gibt es dort keinen Bedarf für Alaba. Fuchs ist auch bei der EM 2016 Kapitän des Nationalteams, was in seiner enormen Erfahrung auch zurecht begründet ist. Der spielerische Anführer ist allerdings ganz klar Alaba, der sortiert, für das Umschaltspiel verantwortlich ist und nebenher auch Freistöße und Elfmeter übernimmt. In einem ausgeglichenen österreichischen Kader ist er die Speerspitze und soll sein Team bei der ersten Europameisterschaft, für die man sich sportlich qualifizieren konnte, zumindest durch die Gruppenphase führen. Angesichts der Gruppengegner Ungarn, Portugal und Island ein zumindest nicht unmögliches Unterfangen.

Arturo Vidal

Arturo Vidal bei der EM? Nein, leider nicht. Aber bei der Copa America darf der Mittelfeldspieler ran und hat im Vergleich zu seinen europäischen Mannschaftskollegen beim FC Bayern bereits die erste Partie hinter sich. Die 1:2-Auftaktniederlage gegen Argentinien war ein denkbar schlechter Start in das Turnier, vor allem was das spielerische angeht. Die Handschrift, die einst unter Ex-Trainer Jorge Sampaoli klar zu erkennen war, ist mittlerweile einem wirren System gewichen, in dem nicht mal Arturo Vidal aufräumen kann, und das will was heißen. Seine Kollegen im zentralen Mittelfeld, Marcelo Diaz und Charles Aranguiz, können das Spiel zu wenig kontrollieren, der Aufbau ist chaotisch und Vidal leistete sich gegen Argentinien einige dumme Fouls.

Für Chile geht es nun gegen Panama und Bolivien, zwei Spiele, die gewonnen werden müssen, um in die Finalrunden einzuziehen. Für Vidal bedeutet das in erster Linie, dass er, wie in München, das Spiel wieder mehr in die Hand nehmen muss. Ansonsten könnte er sich plötzlich zum Trainingsstart wieder in München präsentieren – was aus strikt bayrischer Sicht auch nicht allzu schlimm wäre.

Thiago

Man mag es kaum glauben: Im viel für seine Spanien-Einkäufe kritisierten FC Bayern spielt derzeit nur ein spanischer Nationalspieler. Mit Thiago reist der einzige Münchner Spanier zur Nationalmannschaft, der in der vergangenen Saison keine längere Verletzungspause durchstehen musste oder bereits zurückgetreten ist. Im unheimlich gut besetzten spanischen Mittelfeld muss sich Thiago jedoch erstmal seinen Platz organisieren. Es ist nicht möglich, von Außen zu beurteilen, wie seine Chancen stehen, sich gegen Fabregas, Iniesta, Koke & Co. durchzusetzen. Wenn Thiago weiterhin so spielt, wie in seinen vergangenen Monaten in München, dürfte es, gelinde ausgedrückt, schwer werden, einen Stammplatz zu ergattern.

Kingsley Coman

In der überwiegenden Mehrheit der Nationalmannschaften bei der EM wäre ein 19-Jähriger, der die Saison von Kingsley Coman gespielt hat, wohl zu einhundert Prozent gesetzt. In der französischen Mannschaft allerdings ist der Konkurrenzkampf auf den offensiven Außenbahnen so ausgeprägt, dass es wohl nur für einen Platz als Einwechselspieler reichen dürfte. Nicht allzu schlimm, denn was Coman von Außen für Qualität bringen kann, hat er gegen Juventus Turin bewiesen. Die französische Nationalmannschaft hat, rein sportlich betrachtet, mit den besten Kader des Turniers, weil die Mischung aus hochklassigen Spielern (etwa Griezmann) und Akteuren in der Form ihres Lebens (Kanté) stimmt. Kingsley Coman wird bei der EM im eigenen Land seine Einsatzminuten bekommen, egal ob in der Startelf oder von der Bank, und Erfahrungen sammeln, die ihm auch beim FC Bayern weiterhelfen werden.

Robert Lewandowski

Über die Rolle von Robert Lewandowski in der polnischen Nationalmannschaft braucht man nicht viele Worte zu verlieren: Er ist Kapitän, teuerster Spieler, meistumworbenster Star und auf gutem Weg, bald in die Fußstapfen von Włodzimierz Lubański, dem polnischen Rekordtorschützen, zu steigen. Nach der recht ernüchternden Vorstellung der Polen bei der EM 2012 im eigenen Land, will die Mannschaft von Trainer Adam Nawalka nun endlich zum ersten Mal die Gruppenphase überstehen und wird sich dafür gegen Nordirland, Deutschland und die Ukraine durchsetzen müssen. Keine leichte Aufgabe, aber mit einem starken Lewandowski, auf den im polnischen System alles ausgerichtet ist, möglich. Der Vorteil: Der Bundesliga-Torschützenkönig kann selbst auf seiner sehr offensiven Position viel Einfluss auf die Mannschaft nehmen, im Vergleich zu anderen, klassischeren Stürmertypen.

Renato Sanches

Der Neuzugang des FC Bayern hat ebenfalls eine spannende Europameisterschaft vor sich. Sanches kam zuletzt immer von der Bank, konnte das Spiel von dort aber stets beleben. So sorgte er gegen Estland für einen Ballgewinn und leitete durch ein dynamisches Dribbling das 6:0 ein. Zwar war Estland kein Maßstab, aber diese Szene zeigte doch, dass er seiner Mannschaft durchaus weiterhelfen kann. Die Konkurrenz auf seiner Position ist mit Moutinho und Willem Carvalho jedenfalls groß. Setzt der Trainer der Portugiesen auf ein 4-4-2, dürften die Chancen für Sanches auf einen Stammplatz schlecht stehen. Kann er sich jedoch von der Bank aus beweisen, könnte sich das im Laufe des Turniers aber vielleicht ändern. Portugal hat einige junge Talente in seinen Reihen, die das Team im Vergleich zu den letzten Turnieren vielleicht noch etwas stärker machen. Speziell in der Europameisterschaft ging es zuletzt immer weit für die Mannschaft um Cristiano Ronaldo. Der erst 18-Jährige Renato Sanches hat jedenfalls das Rüstzeug um seinen Beitrag für ein erneut erfolgreiches Turnier zu leisten.

Wer fehlt?

Wie bereits angesprochen werden bei der EM diesmal auch einige Bayern-Spieler fehlen, die bei den letzten Turnieren noch für Aufsehen gesorgt hatten. Arjen Robben und seine Niederländer etwa verpassten die Qualifikation – für den Flügelspieler wäre die EM allerdings ohnehin zu einem schlechten Zeitpunkt gekommen. Auch sein langjähriges Pendant auf dem linken Flügel, Franck Ribéry, wird die französische Nationalmannschaft nicht verstärken, Trainer Deschamps lud Ribéry, der gerne zurückgekehrt wäre, nicht ein. Bei den Spaniern fehlen mit Juan Bernat und Javi Martínez zwei Bayern-Spieler, die man durchaus bei der EM erwartet hätte. Letzterem wurde die Nominierung jedoch durch einige Verletzungen erschwert, während Bernat eine schwache Saison hinter sich hat. Das Pech ereilte zudem Douglas Costa, der die Copa America mit einer Muskelverletzung verpasst.

Wie geht es bei Miasanrot weiter?

Während der Turniere werden wir nach jedem Gruppenspieltag in einem Round-Up ein Fazit zu den Leistungen der Bayern-Spieler in ihren Nationalteams präsentieren und uns auch damit befassen, welche Erkenntnisse die Leistungen für den FC Bayern zulassen. Kurz gesagt: Sollte bei EM und Copa America irgendetwas passieren, was für die Münchner relevant ist, wird es bei Miasanrot einen Artikel dazu geben.