David Krecidlo

Exklusives Interview mit David Krecidlo

Justin Trenner 10.01.2019

Herr Krecidlo, zum zweiten Mal in Folge ist die U19 des FC Bayern hier in Sindelfingen dabei. Was hat Sie dazu bewegt, im Gegensatz zu Ihren Vorgängern, mit einem Hallenturnier in die Vorbereitung zu starten?

Wenn man die Möglichkeit hat, hier teilzunehmen, sollte man diese nutzen. Die hochkarätige Besetzung mit anderen Nachwuchsleistungszentren wie Schalke und Hertha BSC sowie die Möglichkeit, gegen internationale Teams wie Liverpool oder Rapid Wien zu spielen, machen diese Veranstaltung zu einem super Turnier.

Kann man aus einem solchen Turnier auch Erkenntnisse für den Pflichtspielbetrieb im Freien gewinnen?

Es gibt schon einige Elemente. Eine natürliche Aggressivität, Spielfreude und Spielwitz sind Aspekte, die hier in der Halle besonders zum Vorschein kommen. Eine gewisse Raffinesse mit Ball, gerade im Spiel mit der Bande ist gefordert. Diesbezüglich kann man durchaus sehen, welche Spieler sich da düpieren lassen und wer ein Auge dafür hat. Man sollte es jedoch nicht überbewerten, solange das Engagement da ist.

Wie lautet Ihr Fazit vom ersten Turniertag?

Durchwachsen. Wie fast alle Mannschaften haben wir uns im ersten Spiel schwergetan und waren gefühlt ein wenig wie auf Schlittschuhen unterwegs. Nach drei Wochen Pause hatten wir nur eine halbe Trainingseinheit vor dem Turnier. Dann ist es nicht unüblich, dass koordinativ noch nicht alles passt.

Im ersten Spiel haben wir unsere Chancen nicht genutzt, dann die Partie gegen Rapid Wien komplett verschlafen. Da waren die Jungs auch sehr unzufrieden mit sich. Gegen Hertha und Schalke haben wir dann gut dagegengehalten, vor allem gut verteidigt. Das ist in der Halle oft der Schlüssel zum Erfolg.

Auf welchen Aspekten liegt Ihre Priorität in der Rückrundenvorbereitung?

Wir haben eindeutig zu viele Gegentore bekommen. Das muss man ganz klar so sagen. Daran wollen wir arbeiten. Mannschaftstaktisch und was das Verhalten gegen den Ball angeht. Außerdem haben wir uns viele Torchancen kreiert, dort aber zu viel liegen gelassen.

Wir haben eine Analyse gemacht und gesehen, dass wir im Vergleich zur Konkurrenz zu viele Großchancen brauchen, um ein Tor zu erzielen. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf der Defensive.

Gerade beim Youth League Spiel in Amsterdam ließ die Mannschaft zahlreiche hochkarätige Torchanen liegen. Kann man an so etwas im Training arbeiten und diese Drucksituation überhaupt simulieren?

Ja, das kann man schon. Auf der einen Seite kann man die technischen Fertigkeiten im Torabschluss isoliert trainieren, auf der anderen Seite kreieren wir im Training Spielformen, in denen Zeit- und Gegnerdruck da ist. Da müssen die Jungs dann die Technik anwenden und lernen, schnell zu denken. Da haben wir sicherlich Nachholbedarf, da ist Amsterdam nur eines von mehreren Beispielen.

Gerade zu Hause am Campus hatten wir mehrere Spiele, in denen wir Chancen vergeben haben und dann hinten ein Gegentor gefangen haben. Dann kommt es zu einer gewissen Unsicherheit und damit machen wir uns selbst das Leben schwer.

Sie wechseln mit Ihren taktischen Ausrichtungen durchaus des Öfteren zwischen Dreier- und Viererkette. Ab und an agiert die Viererkette auch in einer dynamischen Variante mit einem sehr offensiven und einem sehr defensiven Außenverteidiger. Welche Überlegungen stecken dahinter?

Eines unserer Grundprinzipien ist, dass wir im Spielaufbau immer ein Spieler mehr sein wollen als der Gegner. Wenn die gegnerische Mannschaft mit einem Stürmer verteidigt, beispielsweise im 4-2-3-1, dann brauchen wir nur zwei Aufbauspieler. Beim 4-4-2 brauchen wir drei Aufbauspieler, um die erste Linie überspielen zu können.

Das wissen die Jungs und dementsprechend kippt dann einer der Sechser zwischen die Innenverteidiger ab oder einer der Außenverteidiger schiebt hoch und die Viererkette agiert asymmetrisch.

In den letzten Jahren wird nicht nur in der allgemeinen Berichterstattung vermehrt ein Fokus auf die Taktik gelegt, auch im Internet haben sich Portale wie spielverlagerung.com etabliert. Mit René Marić ist einer der Gründer mittlerweile Co-Trainer bei RB Salzburg. Sind Taktikportale etwas, was Sie aktiv verfolgen oder wo Sie sich sogar Inspiration holen?

Natürlich, da lese ich gerne rein. Da sind teilweise sehr gut geschriebene Artikel, gerade bei Spielverlagerung. Ich finde es erstaunlich, wie dort in der Kürze der Zeit das Gesehene zu Papier gebracht wird.

Bei den Diskussionen um Taktik muss ich manchmal schmunzeln. Die einen sagen, es gibt viel zu viel Taktik, die anderen meinen, man muss die Jungs nur noch individuell ausbilden. Aber wenn man die Jungs individuell ausbildet, dann ist das auch ein taktisches Verhalten, in diesem Fall ein individualtaktisches Verhalten. Für mich bedeutet Taktik, dass die Jungs wissen, was sie auf dem Spielfeld zu tun haben, wenn der oder der den Ball hat. Ich finde Taktik sehr wichtig, um den Jungs verschiedene Handlungsoptionen mitzugeben.

Gerade in der A-Jugend müssen die Spieler ja auch auf den Profibereich taktisch vorbereitet werden

Natürlich! Unsere Hauptaufgabe liegt darin, die Jungs auf den Profibereich vorzubereiten. Da ist es von enormer Bedeutung, dass sie die taktischen, selbstverständlich auch die gruppen- und mannschaftstaktischen, Vorgaben des jeweiligen Trainers schnell umsetzen können. Dieser Aspekt ist ein wichtiger Bestandteil der individuellen Förderung der Jungs, die bei uns an erster Stelle steht.

Bei RB Leipzig gibt es eine recht starke Vorgabe hinsichtlich der Spielphilosophie, jedenfalls wird dieser Eindruck nach Außen vermittelt. Wie sehr prägen diese Vorgaben aus Leipzig Ihre Arbeit bis heute und was machen Sie im Vergleich zur Arbeit in Leipzig anders?

Bei unseren Profis spielen diese Aspekte – Gegenpressing und extrem hohe Positionierung – bereits seit Jahren, besonders unter Pep Guardiola, eine gewichtige Rolle. Das Vorwärtsverteidigen, das Druck ausüben auf Gegenspieler und Ball, dem Gegner somit keine Zeit zu geben – Verhaltensweisen, die auch den RB-Spielstil auszeichnen – sind deshalb wichtige Bestandteile unseres Spiel.

Hinzu kommt natürlich das für den FC Bayern typische Positionsspiel, das in unserer Idee den Hauptaspekt ausmacht, wir wollen aus dem Positionsspiel heraus Chancen kreieren und Dominanz ausstrahlen. Gepaart mit den Prinzipien gegen den Ball ist es das Ziel, den idealen Mix herzustellen.

Kann man diese Elemente aus dem Positionsspiel auch hier bei einem Hallenturnier umsetzen?

Natürlich. Da geht es um Positionierung, um das Spiel über den Dritten, also den freien Mann finden. Offene Räume zu attackieren, um Gegenspieler zu binden. Das sind auch hier in der Halle Herausforderungen, die die Jungs meistern müssen.

Wie haben Sie das Training im Vergleich zu Ihrer Zeit in Leipzig umgestellt?

Die Übungs- und Spielformen sind teilweise die gleichen, allerdings ist die Akzentuierung eine andere. Im Rondo, beispielsweise beim vier gegen vier plus drei, kann man unterschiedliche Schwerpunkte legen, wie nach Ballverlust sofort aggressiv umzuschalten. Du kannst aber auch den Jungs sagen, dass sie nach Balleroberung schnellstmöglich in ihre Positionen kommen, das Spiel möglichst groß auffächern und den Ball laufen lassen sollen. So haben wir teilweise die gleichen Übungen, die gleichen Regeln, aber andere Vorgaben, die wir den Spielern mit auf den Weg geben.

Jochen Sauer sagte letzte Saison, dass man sich beim FC Bayern in einer Übergangssaison befinde und eine neue Philosophie anhand der Erfahrungswerte definieren möchte. Welche Vorgaben gibt es vom Verein und wie viele eigene Ideen dürfen die Trainer mit einbringen?

Die Vorgabe ist ganz klar, dass wir immer dominanten Fußball spielen wollen. Wenn die Jungs bei den Profis ankommen, dann sollen sie diese Art von Fußball auch praktizieren können. Jeder, der sich dafür entscheidet, beim FC Bayern im Nachwuchs zu arbeiten, weiß auch um diese DNA des FC Bayern, den Ball haben und das Spiel dominieren zu wollen. Aber jeder Trainer hat natürlich seine eigene Ansprache und Art des Coachings.

In den letzten Jahren haben es mit Dominic Tedesco, Julian Nagelsmann und Hannes Wolf mehrere U19-Trainer in die Bundesliga geschafft. Auch Tim Walter ging zuletzt aus dem Nachwuchsbereich in die zweite Liga. Ist das ein Traum, der für Sie auch irgendwo im Hinterkopf lebt?

Mir persönlich liegt es fern, irgendeinen Karriereplan zu machen. Ich habe mir auch keine festen Karriereschritte vorgenommen. Wenn eine Aufgabe reizvoll ist, dann sollte man die auch machen. Egal ob das im Nachwuchs- oder im Herrenbereich ist.

Als Trainer wächst man mit seiner Aufgabe und natürlich kann es sein, dass irgendwann das Bedürfnis da ist, was anderes zu machen. Momentan will ich weiter viel lernen, mit und durch die Spieler, und auch gerade von jemandem wie Hermann Gerland. Außerdem gibts auch das Beispiel von Norbert Elgert, nämlich im Nachwuchsbereich eine Ära zu prägen.

Kommen wir zurück zur Mannschaft: Mit Oliver Batista Meier fällt ein Schlüsselspieler über weite Teile der Saison aus. Trotzdem finden letztjährige Leistungsträger der U17 wie Jahn Herrmann oder Benedict Hollerbach noch nicht so recht ihren Platz im Team. Was müssen die beiden besser machen?

Unser Hauptaugenmerk liegt auf der individuellen Entwicklung der Jungs. Daher beschäftigen wir uns natürlich gerade auch mit den Spielern, die aus der U17 hochgekommen sind und noch nicht so zum Zuge kommen. Es ist ein gewaltiger Sprung von der U17 in die U19. Du bist nicht mehr nur mit Gleichaltrigen unterwegs, musst dich gegen ältere und erfahrenere Spieler durchsetzen.

Bei Jahn und Bene kommt durch die Schule eine Doppelbelastung hinzu, sie machen in den nächsten Monaten ihr Abitur. Aber die beiden machen es sehr gut und sind auf dem richtigen Weg.

Mit Daniels Ontuzans und Can Karatas gibt es zwei personifizierte Pechvögel, die nahezu die gesamten bisher 1,5 Jahre in der U19 verletzungsbedingt ausfielen. Wie geht es den beiden?

Dada (Daniels Ontuzans, Anm. d. Red.) ist auf einem guten Weg, derzeit regelmäßig im Training. Er wird die Vorbereitung jetzt ganz normal mitmachen, ohne in irgendeiner Form mit extra freien Tagen geschont zu werden. Wir hoffen, dass diesmal alles hält und er uns zum Rückrundenstart zur Verfügung steht.

Can ist derzeit im Aufbautraining auf dem Platz, aber noch nicht im Mannschaftstraining. Der Junge hat extrem viel Pech gehabt. Nach der OP gab es immer wieder Rückschläge, die so nicht vorhersehbar waren. Als wir zum FC Bayern kamen, hat uns seine Zielstrebigkeit und seine Power beeindruckt. Wir freuen uns schon, wenn er uns hoffentlich bald wieder zur Verfügung steht.

Als einziger Spieler Ihres Kaders durfte Joshua Zirkzee mit den Profis ins Trainingslager nach Qatar reisen. Zu Saisonbeginn waren seine Leistungen eher wechselhaft, ehe er im November deutlich zulegte. In dieser Saison wird er mit immer körperlich stärkeren Gegenspielern konfrontiert, gegen die er lernen musste, sich zu behaupten. An welchen Aspekten seines Spiels arbeiten Sie mit ihm am meisten?

Gerade bei der Ballkontrolle muss er, bei unserem Spielstil, eine gewisse Vororientierung haben: Wo ist der Gegner, wo sind die Mitspieler. Er hatte bisher meistens körperliche Vorteile gegenüber seinen Gegenspielern. Da musste er kaum mit seinem Körper arbeiten. Jetzt ist er in der U19, die anderen Jungs haben aufgeholt, besitzen die nötige Robustheit und Pfiffigkeit, um ihn unter Druck zu setzen.

Jetzt muss er lernen, noch mehr mit seinem Körper zu arbeiten. Da hat er sich in den letzten Monaten bereits gut gesteigert. Die Zeit bei den Profis wird ihn weiter voranbringen.

Ihre Rückrunde startet am 3. Februar mit einem Auswärtsspiel beim FC Ingolstadt. Mit welcher Zielvorgabe schicken Sie Ihre Jungs in die restlichen Spiele?

Wir wollen die Rückrunde besser gestalten als die Hinrunde, also am Ende mehr Punkte auf dem Konto haben. Konkret bedeutet das, dass wir weniger Gegentore kassieren und mehr Tore erzielen müssen. Das wäre die beste Bestätigung dafür, dass wir uns weiterentwickelt haben. Was dann in der Tabelle dabei rumkommt, werden wir sehen.

Wichtiger als das Thema Meisterschaft ist die Weiterentwicklung der Jungs. Letztes Jahr haben wir die Endrunde aufgrund des Torverhältnisses verpasst, aber konnten einige Spieler so weiterentwickeln, dass sie einen Profivertrag unterzeichnen durften und näher an die Profimannschaft gerückt sind. Das muss das übergeordnete Ziel der Nachwuchsarbeit am FC Bayern Campus sein.

Die U19 des FC Bayern schloss den Mercedes-Benz Junior Cup 2019 auf dem dritten Platz ab. Mehr Infos zum Turnier gibts hier, eine interessante Podcastfolge dazu gibts auch vom Rasenfunk. Das Interview entstand im Rahmen einer Presserunde am Abend des ersten Turniertags. Die Kosten für Anreise und Unterkunft des MSR-Redakteurs wurden von Mercedes-Benz übernommen.