Die Gefahren eines WM-Sommers

Steffen Trenner 07.05.2014

Eine WM ist eine hohe physische und vor allem mentale Belastung. Die WM-Teilnehmer steigen häufig mit deutlicher Verzögerung ins Mannschaftstraining für die neue Saison ein. Die Aufgabe für das Trainerteam wird sein, ein Team der zwei Geschwindigkeiten zu managen und in kürzester Zeit taktische Akzente einzustudieren.

Im Jahr 2002 war die Situation noch etwas anders. 10 Münchener hatten an der WM in Japan und Südkorea teilgenommen. Borussia Dortmund war Deutscher Meister geworden und die Bayern hatten mit Michael Ballack, Zé Roberto und Sebastian Deisler kräftig investiert. Sie hatten nach Platz Drei im Vorjahr etwas zu beweisen und zudem neue Schlüsselspieler an Bord. Hitzfeld gelang die souveräne Meisterschaft im Jahr 2003.

Seitdem hat die Zahl der WM-Fahrer im Bayern-Kader immer weiter zugenommen.

An der WM 2006 in Deutschland nahmen ebenfalls 10 Spieler aus dem Bayern-Kader des Folgejahrs teil: Oliver Kahn, Philipp Lahm, Lucio, Willy Sagnol, Mark van Bommel, Bastian Schweinsteiger, Owen Hargreaves, Ali Karimi, Lukas Podolski und Roque Santa Cruz.

An der WM 2010 in Südafrika nahmen schon 13 Spieler aus dem Bayern-Kader des Folgejahrs teil: Hansjörg Butt, Philipp Lahm, Holger Badstuber, Edson Braafheid, Martin Demichelis, Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos, Franck Ribéry, Mark van Bommel, Mario Gomez, Miroslav Klose und Arjen Robben.

Zum Vergleich: Der große nationale Konkurrent und deutsche Meister 2011 Borussia Dortmund hatte in der Saison mit Neven Subotic und Lucas Barrios nur zwei WM-Fahrer in seinen Reihen. Louis van Gaal schimpfte damals über eine „lächerliche Bundesliga-Vorbereitung“. 11 Bayern-Spieler standen im Halbfinale der WM und stiegen erst Anfang August ins Training ein. Das Trainingslager am Gardasee absolvierte van Gaal mit einer Rumpftruppe und einigen Spielern aus der Amateur-Mannschaft. Der niederländische Coach versuchte in jeder Pressekonferenz auf die schwierige Situation hinzuweisen. Wohl auch, um dem erwartet schweren Saisonstart kommunikativ vorzubeugen. Bayern startete mit nur drei Siegen aus den ersten neun Partien in die Saison, war zu diesem Zeitpunkt Elfter. Der Rückstand konnte nie wieder ganz aufgeholt werden. Gewiss war die WM nicht der einzige Grund warum es am Ende zum Bruch mit van Gaal kam, aber die komplizierte Vorbereitung hat mit Sicherheit seinen Beitrag geleistet.

Die WM 2014 wird wohl eine noch größere Herausforderung für den Rekordmeister als alle Weltmeisterschaften zuvor.

An der WM in Brasilien könnten bis zu 15 Spieler des FC Bayern teilnehmen: Neuer, Dante, Lahm, Boateng, van Buyten, Müller, Kroos, Götze, Robben, Ribéry, Schweinsteiger, Shaqiri, Martínez, Thiago und Mandzukic.

Mit den sieben Deutschen, Thiago, Martínez und Dante stehen mindestens 10 Bayern im Kader, die große Chancen darauf haben wieder mindestens ins Halbfinale einzuziehen. Selbst bei einem Einzug ins Viertelfinale und anschließendem mindestens dreiwöchigen Urlaub steigt der Großteil des Kaders erst Anfang August ins Mannschaftstraining ein. Es bleiben dann höchstens 20 Tage bis zum Saisonstart. Auf Grund der Verpflichtungen in diversen Vorbereitungsturnieren wird es möglicherweise keine Möglichkeit auf ein weiteres intensives Trainingslager für die WM-Fahrer geben. Das ist nicht nur aus konditionellen Gesichtspunkten ein Problem. Gerade die taktische Schulung, die unter Guardiola einen großen Stellenwert einnimmt, muss auf die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Bayern-Spieler in der Vorbereitung angepasst werden. Weite Teile der Vorbereitung wird Guardiola auf jeden Fall ohne die Nationalspieler absolvieren müssen. Zum Vergleich im Jahr 2013 stieg Guardiola Ende Juni ins Training ein. Bis zum Saisonauftakt am 09. August blieben so über vier Wochen.

Auch wenn die Zahl der WM-Fahrer in der Geschichte des FC Bayern noch nie so hoch war wie in diesem Jahr, sollten die Münchener die Erfahrungen aus der Vergangenheit nutzen. Weniger Testspiele ab August, dafür mehr Trainingseinheiten zur konditionellen und taktischen Vorbereitung, könnte eine Konsequenz lauten. Auch der Bedarf an neuen Kräften, die sich im kommenden Saison unabhängig von einer möglichen WM-Teilnahme in München beweisen müssen und damit neuen Zug in die Mannschaft hineinbringen, ist vor diesem Hintergrund umso sinnvoller. Auch die gesamte Trainingssteuerung muss haarklein auf die unterschiedlichen Einstiege der Nationalspieler ausgerichtet werden.

Der große Konkurrent aus Dortmund hat im Übrigen nicht unbedingt die gleichen Probleme. Zwischen 6 und 9 Dortmunder könnten an der WM teilnehmen. Darunter Ersatztorwart Langerak (Australien), Neuzugang Ji (Südkorea) und Innenverteidiger Sokratis (Griechenland). Anders als bei den meisten Bayern wird von möglichen WM-Teilnehmern wie Roman Weidenfeller, Sven Bender oder Marcel Schmelzer zudem nicht erwartet das Nationalteam in Brasilien zu tragen. Die WM-Teilnahme von Neuzugang Adrian Ramos ist zudem ungewiss. Für die Dortmunder kann das im kommenden Jahr ein Vorteil sein. Bayern sollte vorbereitet sein, um die Probleme der Jahre 2006 und 2010 gerade zum Saisonstart zu vermeiden.