Die David-Alaba-Frage – 4 Szenarien und ihre Bedeutung für die Bayern

Alexander Trenner 18.09.2020

Im Folgenden schaue ich mir jedes dieser vier Szenarien kurz im einzelnen an und lege dabei den Fokus auf ihre Bedeutung für den FC Bayern. Dafür bewerte ich jedes Szenario anhand von vier Kategorien: Welche Auswirkungen hat es finanziell (die Finanzen der Bayern), gehaltsstrukturell (die Balance der Gehaltsstruktur im Kader), imagetechnisch (Das Außenbild des Vereins), und sportlich für die Bayern? Die Auswirkungen in jeder Kategorie bewerte ich anhand einer Bewertungsskala von – -/-/0/+/++.

Szenario 1 – Verlängerung zu Alabas Wunschkonditionen

David Alabas Vertrag wird für die medial kolportierten fünf Jahre à €20m+ Gehalt pro Jahr verlängert. Für Alaba wäre dies das Optimalszenario, für den FC Bayern wiederum hätte es schwerwiegende finanzielle, gehaltsstrukturelle und imagetechnische Implikationen:

Finanziell: – –
Mit einem Gesamtpaket von ca. €100m-€125m über fünf Jahre wäre Alaba auf einen Schlag der teuerster Spieler im Kader der Bayern, sowohl bezüglich des Jahresgehalts als auch der insgesamten Kapitalbindung. Hinzu kommt, dass Alabas voraussichtlicher Marktwert (= Wiederverkaufswert) beim projizierten Vertragsende altersbedingt nur noch mäßig bis gering sein dürfte.

Gehaltsstrukturell: – –
David Alaba bezöge ab Unterschrift das höchste Gehalt im Kader, noch vor den aktuellen Topverdienern Robert Lewandowski und Manuel Neuer. Dies würde eine substanzielle Erschütterung der aktuellen Gehaltsstruktur im Kader bedeuten, reichhaltiges Potenzial für Neid und Missgunst unter den Spielern säen („Wieso gerade der?“ „Das habe ich auch verdient!“ „Ich bin doch mindestens genauso wertvoll für das Team!“), und im Endeffekt eine Beschleunigung der Gehaltsspirale nach oben auslösen, weil nicht nur die Stars bei der nächsten Vertragsverlängerung, sondern auch zukünftige, neue Spieler vor der Unterschrift ihre Gehaltsvorstellungen nach oben anpassen würden.

Imagetechnisch: –
Eine Verlängerung zu Alabas Konditionen nach derart langen Verhandlungen wäre eine imagetechnische Niederlage für die Bayern, da es so aussieht, als hätte sich der Verein erpressen lassen oder nicht anders handeln können, da er keine Alternative für den Fall parat hat, dass Alaba geht. Insgesamt würde dieses Szenario ein denkbar schlechtes Licht sowohl auf das Verhandlungs- als auch Transfergeschick der Bayern werfen.

Sportlich: ++
David Alaba hat sich als Innenverteidiger zu einem der – wenn nicht dem – Schlüsselspieler im Defensivbereich der Bayern entwickelt. Er ist ein Leader auf dem Platz und ist mit seinen raumöffnenden, langen Bällen aus dem Hintergrund gerade dabei, klammheimlich das Innenverteidigerspiel neu zu erfinden. Wenn er weitere fünf Jahre bei den Bayern bliebe, wäre das sportlich ein enormer Gewinn für den Verein. Es kommt hinzu, dass kurzfristiger Ersatz auf ähnlichem Niveau nur äußerst schwierig zu beschaffen sein dürfte.

=> Fazit: Trotz Alabas sportlicher Bedeutung wäre meines Erachtens dieses Szenario für die Bayern vollkommen inakzeptabel und von allen vieren das mit Abstand am wenigsten erstrebenswerte. Mit David Alaba sollte nicht für 5 Jahre mit über €20m Euro Jahresgehalt verlängert werden. Insbesondere die Erschütterung der bestehenden Gehaltsstruktur im Kader wiegt für mich schwer, weil sie aus Sicht des Vereins finanziell auf Dauer eine deutliche Extra-Belastung wegen des Signaleffekts an andere Spieler und der Beschleunigung der Gehaltsspirale nach oben bedeuten würde.


Szenario 2: Alaba wird noch vor Ende dieses Transferfensters verkauft

Noch vor dem 5. Oktober 2020 wird David Alaba an einen neuen Verein transferiert. Sowohl für David Alaba als auch den FC Bayern könnte dieses Szenario je nach Ablösesumme und Gehalt für Alaba beim aufnehmenden Verein eine akzeptable Lösung darstellen. Aus Sicht der Bayern schätze ich die Konsequenzen dieses Szenarios wie folgt ein:

Finanziell: 0
In Zeiten von Covid-19 wäre fast jede mittlere zweistellige Mio.-Ablösesumme für einen Spieler von David Alabas Qualität finanziell akzeptabel und sollte am Markt auch zu erreichen sein. Extreme in beide Richtungen (billig/teuer) halte ich nicht für wahrscheinlich.

Gehaltsstrukturell: 0
Ein Abgang Alabas noch in diesem Transferfenster zöge logischerweise keine Konsequenzen für die Gehaltsstruktur im Kader nach sich.

Imagetechnisch: 0
Natürlich würden die Bayern Alaba gerne behalten, er ist einer ihrer wichtigsten Spieler, und es mag auf dem ersten Blick wie eine Niederlage für den Verein aussehen, dass er ihn nicht von einem Verbleib überzeugen konnte. Andererseits hätte sich der Verein aber in den Verhandlungen auch nicht erpressen lassen und sich als konsequent gezeigt.

Sportlich: – –
Siehe Szenario 1. Ein kurzfristiger Verlust von David Alaba wahrscheinlich ohne adäquate sportliche Kompensation würde zweifelsohne einen herben sportlichen Rückschlag bedeuten.

=> Fazit: Trotz David Alabas sportlicher Bedeutung wäre dieses Szenario wohl unter Berücksichtigung aller Faktoren unter dem Strich akzeptabel für die Bayern. Im Vergleich zu den Szenarien 1 und 3 hätte man sich weder imagetechnisch blamiert noch finanziell und in Sachen Gehaltsstruktur des Kaders in schwieriges Fahrwasser begeben.


Szenario 3: Alaba wird nicht verkauft, verlängert aber auch nicht, sondern geht nächsten Sommer ablösefrei

Dieses Szenario sieht für Alaba wie eine durchaus akzeptable Lösung aus, kann er sich doch im nächsten Jahr als „Free Agent“ seinen neuen Verein quasi aussuchen und ein ordentliches Handgeld einstreichen. Für den FC Bayern ist die Lage vielschichtiger:

Finanziell: -/- –
Einen Spieler bei Vertragsende ablösefrei ziehen lassen zu müssen bedeutet finanziell immer eine Niederlage für einen Verein. Sie wäre in diesem Fall etwas gemildert aufgrund des durch Covid-19-bedingten geringeren Marktwerts Alabas.

Gehaltsstrukturell: 0
Ein Verbleib von David Alaba zu aktuellen Konditionen bis zum nächsten Sommer hätte logischerweise keine Auswirkungen auf die Gehaltsstruktur des Kaders.

Imagetechnisch: – –
Der ablösefreie Verlust eines Starspielers kommt meines Erachtens imagetechnisch einem ziemlichen Desaster für den Verein gleich, zeigt er sich doch als unfähig, seine ökonomischen Hausaufgaben zu machen. Nicht umsonst versuchen alle namhaften Fußballvereine, ein solches Szenario um jeden Preis zu verhindern. Wenn es dann doch eintritt, ist es eine umso größere imagetechnische Niederlage und wird als solche in den Medien entsprechend breitflächig diskutiert.

Sportlich: –
Der Verlust Alabas im nächsten Sommer wäre ein herber, allerdings hätten die Bayern immerhin ein Jahr Zeit für die Suche nach äquivalentem sportlichen Ersatz bzw. hätten Lucas Hernandéz und Niklas Süle ein Jahr mehr Zeit, sportlich wieder zu alter Stärke zurückzufinden.

=> Fazit: Ich halte dieses Szenario insbesondere wegen der finanziellen und imagetechnischen Implikationen für problematisch für die Bayern. Nach Möglichkeit sollten die Bayern einen ablösefreien Abgang Alabas im nächsten Jahr vermeiden.


Szenario 4: Der Kompromiss. Alaba und die Bayern einigen sich noch in diesem Herbst auf einen neuen Vertrag über mehrere Jahre zu bisherigen oder leicht verbesserten Bezügen

Für David Alaba würde sich dieses Szenario emotional vielleicht zunächst wie eine Niederlage anfühlen, dürfte ihm aber rational nach etwas Reflektion als durchaus akzeptabel erscheinen. Auch die Bayern dürften sich mit diesem Szenario sehr gut anfreunden können:

Finanziell: +
Ein Verbleib Alabas würde die Verpflichtung eines teuren Ersatzes überflüssig machen, zudem wäre eine moderate Gehaltserhöhung Alabas finanziell für den Verein trotz Covid-19 sicherlich verkraftbar.

Gehaltsstrukturell: 0/+
Eine moderate Gehaltserhöhung Alabas würde im Kader wahrscheinlich ohne Murren oder Missgunst akzeptiert. Unter Umständen wäre sie sogar förderlich als Signal, dass sich kontinuierliche Einsatzbereitschaft und Leistung auf Dauer auch finanziell auszahlen.

Imagetechnisch: +/++
Dieses Szenario würde für den FC Bayern einen Imagegewinn bedeuten, da sich der Verein in der Lage zeigen würde, seine Schlüsselspieler zu vertretbaren Konditionen dauerhaft an sich zu binden und seinen Status als „Destination Club“, zu dem Spieler wechseln um zu bleiben, einmal mehr zu untermauern.

Sportlich: ++
Siehe Szenario 1. David Alaba ist sportlich ein Gewinn für jede Mannschaft.

=> Fazit: Von allen vier skizzierten Szenarien ist dies ohne Zweifel das Traumszenario für den FC Bayern. Man hätte einen sportlich wichtigen Schlüsselspieler zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen mindestens für einige weitere Jahre an sich gebunden und der Fußballwelt gegenüber deutlich vernehmbar demonstriert, dass man sich in Verhandlungen nicht erpressen lässt, sondern standhaft und konsequent bleibt und am Ende auch am längeren Hebel sitzt.


Wie schätzt ihr den Vertragspoker um David Alaba ein? Habe ich eines dieser Szenarien aus eurer Sicht falsch bewertet? Habe ich noch weitere eurer Meinung nach wichtige Bewertungskriterien übersehen (vielleicht die jeweilige Einschätzung aus Sicht der Fans)? Habt ihr vielleicht sogar noch ein fünftes Szenario parat? Fragen über Fragen. Schießt bitte gerne los in den Kommentaren!