Die Alternativen Awards 2016

Tobi Trenner 02.01.2017
Unsere alternativen Awards des Jahres 2016.
(Bilder: Coman, Sammer – Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images;
Atletico – Adam Pretty/Getty Images;
Alonso – Christof Stache/AFP/Getty Images;
Rafinha, Müller, Alaba – Marc Mueller/Getty Images)

Tor des Jahres: Xabi Alonso gegen Werder Bremen

Die neue Saison ist gerade erst aufgewacht, eigentlich liegt sie noch im Bett. Plötzlich kracht es.

Xabi Alonsos Treffer zum 1:0 gegen Werder Bremen. (Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images)
Xabi Alonsos Treffer zum 1:0 gegen Werder Bremen.
(Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images)

Es gab wichtigere Tore, es gab ähnlich außergewöhnliche Tore. Aber es gab im Bayernjahr 2016 kein Tor, das so schön und formvollendet war. Ballannahme, Fokus, Technik – hier war nichts Glück oder Zufall. Dieser Treffer von Xabi Alonso gehört in sämtliche Lehrbücher des Fußballs, einen Distanzschuss kann man technisch nicht sauberer ausführen.

Einwechslung des Jahres: Kingsley Coman gegen Juventus

Bayerns 4:2-Erfolg gegen Juventus im März ist eines dieser Spiele, an das sich Fans noch längere Zeit erinnern werden. Eine grauenvolle erste Halbzeit, nach der das Überleben in der Champions League am seidenen Faden hing. Ein unerwartetes Comeback, geprägt von purem Willen. Und Kingsley Coman als Wendepunkt.

Der von Juventus ausgeliehene Franzose durfte erst in der 60. Minute das Spielfeld betreten, als er Xabi Alonso ersetzte und die verzweifelte Schlussoffensive einläutete. Zu diesem Zeitpunkt stand es 0:2, ein faireres Ergebnis wäre wohl ein 0:4 gewesen, doch der FCB brauchte nur irgendwie zwei Tore, um sich in die Verlängerung zu retten.

Der überlebenswichtige Treffer zum 2:2 gelang Thomas Müller per Kopf in der 90. Minute. Vorbereitet und entscheidend eingeleitet wurde er aber von Coman, der den Münchner Flügel belebte und schon am Anschlusstreffer beteiligt war. In der Verlängerung dann die Krönung: Erst erzielte Thiago den Führungstreffer und nur kurz darauf gelang dem damals 19-Jährigen in Weltklassemanier die Entscheidung gegen seinen ehemaligen Verein. Sein Sprint über das halbe Feld mit überragendem Abschluss (mit links!) erinnerte nicht nur an Arjen Robben, es war auch ein erstes Anklopfen an die Weltklasse. Hoffen wir, dass er im kommenden Jahr zu dieser Form zurückfindet, denn dieser Kingsley Coman kann ganz große Spiele entscheiden. Einmal gelang es ihm bereits.

Spiel des Jahres: FC Bayern – Atletico Madrid

An diesem Abend im Mai schied der FC Bayern aus der Champions League aus, erneut war für Trainer Guardiola im Halbfinale Schluss. Doch selten war das kollektive Bayernherz trotz einer Niederlage so mit Stolz erfüllt wie am 04.05.2016.

Irgendwie war die Mannschaft schon totgesagt, das 0:1 im Hinspiel eine schlechte Ausgangslage gegen diesen Gegner und auch in der Liga quälte man sich nur noch von Sieg zu Sieg. Umso überraschender und emotionaler das Feuerwerk, das der FCB nun in der Allianz Arena abbrannte. Insbesondere die erste Halbzeit war eine der dominantesten und besten Leistungen in der jüngeren Vereinsgeschichte, der Halbzeitstand von 1:0 eigentlich ein schlechter Witz. Wer sah, wie sehr der brillante Abwehrverbund Atleticos wackelte, der konnte sich nur verwundert die Augen reiben.

Das Bayernpublikum, grundsätzlich ein verwöhntes und anspruchsvolles, erkannte hier geschlossen die Leistung der Mannschaft. Am Ende zählt im Sport immer das Ergebnis, an diesem Abend musste es aber warten, denn die ausscheidende Mannschaft hatte gerade eine unfassbare Partie abgeliefert. Wenn selbst ein solch erfolgsverwöhntes Publikum aufgrund einer Mannschaftsleistung überwältigt wird, dann muss es eine verdammt gute Partie gewesen sein. Bayern gegen Atletico war nicht weniger als ein unvollendetes Meisterstück.

Karma des Jahres: Müller & Alaba

Thomas Müller und David Alaba sind die wohl prominentesten und überraschendsten Opfer einer Formkrise. Sowohl bei der EM 2016 als auch in der aktuellen Hinrunde enttäuschten die beiden Vereinssäulen – zumindest, wenn man die bisherigen Leistungen als Maßstab nimmt.

Nun könnte man hier Problemanalysen taktischer oder mentaler Natur verfassen. Muss man aber nicht. Stattdessen nur dieser Hinweis: Diese qualitativ kontroverse Performance fand nach dem Pokalfinale 2016 statt.

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Was folgte darauf? Eine durchwachsene EM und eine mittelmäßige Hinrunde für Müller und Alaba. Karma?

Zwölfter Mann des Jahres: Rafinha

Noch vor einem Jahr konnte man Rafinha als Auslaufmodell bezeichnen, ohne sich irgendwie schuldig fühlen zu müssen. Ein Ü30-Spieler, dessen Auftritte zwar solide und verlässlich waren, jedoch kaum überzeugend oder inspirierend? Eine Frage der Zeit, bis man ihm ein junges Talent vor die Nase setzt und auf die Tribüne verbannt.

Inzwischen wird der Mehrwert des Brasilianers aber immer deutlicher. Ob dies an einer Leistungsexplosion seinerseits oder am menschlich werdenden Philipp Lahm liegt, so richtig sicher ist man sich nicht, letztendlich liegt die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen.

Im Jahr 2016 galt mehr denn je: Rafinha geht immer. Der FC Bayern sollte sich glücklich schätzen, eine solche Stabilitätsgarantie auf der Bank zu haben, die jederzeit bereit und auch bei geringer Spielzeit eine Frohnatur ist.

Verlust des Jahres: Matthias Sammer

Es gibt im Verein Leute, die für das Tagesgeschäft verantwortlich sind, und dann gibt es Personen, deren Hauptaufgabe es ist, dass der FC Bayern am Ende des Tages solide aufgestellt ist. Dazwischen ist nicht viel.

Dieses Vakuum im Zwischenraum konnte ein Mann ausgezeichnet füllen. Bis heute wird Matthias Sammer häufig als „Der Mahner“ betitelt. Was von vielen zunächst als spöttische Kritik ausgelegt war – man unterstellte ihm, nicht viel mehr als ein medialer Lautsprecher und Wachhund zu sein – ist inzwischen vielerorts ein mit Anerkennung und Respekt gefüllter Titel. Denn spätestens seit seinem Ausscheiden im Sommer ist immer deutlicher geworden, dass Sammer eine wichtige Balance an die Säbener Straße brachte.

So war seine erste Aufgabe nach Amtsantritt im Sommer 2012, einen geradezu depressiven Verein aufzurichten. Das Timing hätte besser nicht sein können. Als Außenstehender war er, im Gegensatz zu den anderen Verantwortlichen, nicht vom Trauma dahoam betroffen. Sammer verstand es, die Trauer und Verunsicherung, die den Verein für einige Zeit lähmten, zu bekämpfen und stattdessen eine „Jetzt erst recht“-Stimmung zu verbreiten.

Dem Mahner entging nichts. Wir danken ihm für seine herausragende Arbeit. (Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)
Dem Mahner entging nichts. Wir danken ihm für seine herausragende Arbeit.
(Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Eine weitere Spezialität des gebürtigen Dresdners war es, Formkrisen jeglicher Art frühzeitig zu erkennen und im Keim zu ersticken. Unvergessen ist seine öffentliche Kritik an der Mannschaft im September 2012. Man konnte gerade ein zähes Auswärtsspiel in Bremen gewinnen, der FCB hatte zu diesem Zeitpunkt alle acht Pflichtspiele gewonnen und dabei ein Torverhältnis von 25:3. Doch Sammer fiel auf, dass die Leistung ungenügend und der 2:0-Erfolg eher den Faktoren Glück und individuelle Überlegenheit zuzuschreiben war. Vier Tage später setzte es eine peinliche Niederlage in Borisov und die Spieler mussten nachträglich einsehen, dass die Kritik nicht ganz unverdient war.

Matthias Sammer war das Bindeglied zwischen Mannschaft (inklusive Trainerteam) und Vorstand. Er kritisierte die Mannschaft in einer Schärfe, die sich ein Trainer aufgrund des Vertrauensverhältnisses nicht erlauben kann, konnte diese aber ebenso gut vor verunglückten Aussagen des Vorstandes schützen. Sammer achtete darauf, dass der FC Bayern nicht im eigenen Saft schmort, bis es zu spät ist.

Sammer legte stets den Finger in die Münchner Wunden.

Sammer knew.

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