Abschied als Triple-Sieger: Das Jahr des Phillipe Coutinho

Maurice Trenner 02.09.2020

Dieser Text wurde von Gastautor Florian Papenfuhs verfasst. Florian hospitierte bereits bei Sky Sport sowie 11Freunde und möchte darüber hinaus weiterhin sportjournalistisch arbeiten.

Vor ziemlich genau einem Jahr schreibt der FC Bayern Rekordzahlen. Keine sportlichen, schließlich gibt es Mitte August wenig zu gewinnen. Im Internet katapultiert der deutsche Rekordmeister seine Sichtbarkeit jedoch in ungeahnte Höhen. Der Grund? #ServusCoutinho. Mit dem Hashtag begrüßt der FC Bayern seinen neuen Mittelfeldzauberer. 

Die Leihgabe vom FC Barcelona ist, zumindest für ein Jahr, der Bundesliga-Spieler mit den meisten Instagram-Followern. Zu ungefähr der selben Zeit beginnt der Klub, zu gewissen Anlässen Livestreams auf YouTube anzubieten. Die Übertragungen mit den meisten Aufrufen sind (nach dem Abschied von Uli Hoeneß) die Vorstellung sowie das erste Training von Phillipe Coutinho.

Umstrittener Sané-Ersatz

Doch was brachte dem FC Bayern der Deal auf dem Feld? Sportlich war Coutinho von Beginn an keine unumstrittene Figur. Denn eigentlich war das Trikot mit der Nummer Zehn nicht für den Brasilianer vorgesehen, sondern für den deutschen Nationalspieler und damaligen Manchester City-Angreifer Leroy Sané. Da der sich bekanntermaßen noch im Dienste der Skyblues verletzte, brauchte der FC Bayern so überraschend wie dringend einen Plan B. Mit Coutinho bekam die Bundesliga einen wohl noch größeren Superstar, der FC Bayern jedoch nur einen bedingt passenden Spieler.

Gesucht wurde beim FCB nach den Abgängen von Franck Ribéry und Arjen Robben eigentlich ein dribbelstarker, schneller Außenspieler, der Eins-gegen-Eins-Duelle gewinnen kann. Ein Spieler wie Sané eben. Coutinho ist zwar dribbelstark, verfügt jedoch nicht über eine herausragende Schnelligkeit, manche würden ihn wahrscheinlich nicht einmal als Außenspieler bezeichnen. Nichtsdestotrotz hofften die Bayern-Fans, dass die herausragende Technik Coutinhos und sein Spielwitz ein Gegenmittel zu den oft dicht gestaffelten Abwehrreihen der Bundesliga-Gegner darstellen.

Der Schrecken der unteren Tabellenhälfte

Schaut man nun ein Jahr später auf die Zahlen Coutinhos, war er keinesfalls der Flop, zu dem er teilweise gemacht wurde. In 38 Einsätzen war er an 20 Treffern beteiligt. Keine schlechte Quote für einen Spieler, der ohne Vorbereitung nicht nur in eine neue Mannschaft, sondern in eine ihm unbekannte Liga kommt und im Saisonendspurt acht Spiele aufgrund von Verletzungen verpasst. Fairerweise muss man auch sagen, dass diese Zahlen durch zwei Freak-Spiele der Bayern etwas verzerrt werden. Von seinen 14 Bundesliga-Scorern steuerte Coutinho gleich fünf bei einem 6:1 gegen Werder Bremen Mitte Dezember bei, mit dem 3:1 auch einen der schönsten Treffer, den ich je gesehen habe. Die Hälfte seiner sechs Torbeteiligungen in der Königsklasse gelangen dem Brasilianer in der Schlussphase des 8:2-Sieges gegen eine dysfunktionale Mannschaft aus Barcelona.

Gemäß seiner Ablösemodalitäten gelten für Coutinho zwei Wahrheiten. Gemessen an der Leihsumme von 8,5 Millionen Euro, die den Katalanen überwiesen wurden, hat der 28-Jährige deutlich überperformt. In den Bereich, seine Kaufoption von 120 Millionen Euro zu rechtfertigen, kam er nie auch nur ansatzweise. Ironischerweise überzeugte er, entgegen dem ihm aufgedrückten Weltstar-Status, gerade als verlässliche Zweitbesetzung auf den Flügeln. Es gab lediglich zwei Spiele, in denen er nicht eingesetzt wurde und sowohl in der Startelf als auch (häufiger) von der Bank half er dem Klub vor allem gegen Gegner wie Paderborn, Köln, Düsseldorf, Schalke oder eben Werder Bremen.

FCB beweist gutes Händchen für Leihspieler

Wie bewertet man das Projekt Coutinho nun abschließend? Natürlich gut. Der FC Bayern hat für 8,5 Millionen einen verlässlichen Scorer für die zweite Reihe bekommen, konnte den Transfer von Leroy Sané ein Jahr überbrücken und hat den ein oder anderen Instagram-Follower dazugewonnen. Leihspieler stehen dem FC Bayern in letzter Zeit ohnehin gut zu Gesicht. James Rodriguez wurde in seinen beiden Bayern-Jahren in puncto Torbeteiligungen nur von Robert Lewandowski überstrahlt, auch ohne Deutsch-Kenntnisse. Im Gegenteil zu James Rodriguez und Phillippe Coutinho ist Ivan Perišić kein weltbekannter Ballzauberer für den Mondpreise aufgerufen werden. Viel schlechter gespielt als die beiden hat er aber auch nicht, weswegen er sich sogar Hoffnungen auf eine Festanstellung machen darf.

Die Leih-Politik des FC Bayern wirkt in den letzten Jahren zunehmend durchdacht. War die Verpflichtung von James Rodriguez noch etwas überraschend, hatten die drei Leihdeals in dieser Saison allesamt Hand und Fuß (Álvaro Odriozola kann schließlich nichts dafür, dass die Bayern-Defensive in der Rückrunde surreal gut funktionierte). Vor wenigen Tagen schrieb der FC Bayern im Rahmen des Champions-League-Sieges gegen PSG erneut Rekordzahlen im Internet. Und daran haben auch die drei Leiharbeiter ihren Anteil.