Campus-Talente: Die Zukunft des FC Bayerns oder doch nur Füllmasse für die Vorbereitung?

Andi Trenner 13.09.2024

Ein Sommer voller Nationalmannschafts-Turniere lässt einen Bayerntrainer zum Trainingsauftakt üblicherweise recht wenige Profis begrüßen. Das führt zu Testspielen, die für viele völlig ohne Wert sind. In Partien gegen unterklassige Teams oder Mannschaften, die ebenfalls völlig zusammengewürfelt antreten, geht es um nichts – und dazu wird noch 14-mal gewechselt.

In Formationen, die es so nie wieder geben wird, laufen etablierte Profis zusammen mit Leihrückkehrern ohne Perspektive, Akteuren von den Amateuren und Jugendspielern auf. Über den Verlauf der kommenden Saison ist dabei kaum etwas abzulesen. Am ehesten vielleicht noch der anvisierte Spielstil und die Grundideen eines neuen Coaches.

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Für mich ist genau das eine tolle Zeit. Neben den ersten Eindrücken vom neuen Übungsleiter, kann ich hier alle die sehen, mit denen ich hohe Hoffnung verbinde. Oder auch einfach die bedauernswerten Jungs, in die ich irrational hohe Erwartungen hineinprojiziere. Ist der neue Australier wirklich noch schneller als Alphonso Davies? Und kann er womöglich einen ähnlichen Weg gehen? Ist Ibrahimović in Italien so gereift, dass er direkt ein Teil der Profimannschaft sein kann? Und wer wird eine mir noch völlig unbekannte Überraschung?

Ich gehe davon aus, dass viele von euch diesen Saisonabschnitt ähnlich begeistert verfolgen. Auch wenn es nur an fehlenden Alternativen mangelt. Deshalb habe ich die vier Euro für das FC Bayern TV PLUS-Abo investiert, mir alle Vorbereitungsspiele reingezogen, die Streams der Amateure geguckt und unseren Campus-Experten Martin zu jedem einzelnen Spieler genervt. Hier präsentieren wir euch also eine (fast) abschließende Liste aller vielversprechenden Nachwuchskräfte, die ich diesen Sommer beobachtet habe, damit ihr es nicht tun müsst.

Um nicht völlig den Rahmen zu sprengen, blicken wir nur auf Spieler, die auf mehrere Einsätze kamen. Genauso wird der erste Test gegen den FC Rottach-Egern nicht miteinbezogen, da der Gegner zu niederklassig war und wirklich zu wenige Profis zur Verfügung standen. Ob die Akteure bereits einen Profivertrag unterschrieben haben, ist nicht entscheidend, um in der Auflistung aufzutauchen.

Adam Aznou im Testspiel gegen Grasshopper Zürich
(Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

#48 Adam Aznou (18)

Der aus Barcelona stammende Marrokaner Adam Aznou wurde in vielen Medien als Startelf-Kandidat für den Auftakt in Wolfsburg gehandelt. Die Verletzung von Josip Stanišić hätte seine Chance sein können, um auf der Rechtsverteidigerposition ins Team von Vincent Kompany zu rutschen.

Allerdings ließ der letzte Test gegen Grasshopper Zürich schon vermuten, dass Aznou in der Hierarchie hinter Sacha Boey steht. Der Franzose agierte zusammen mit großen Teilen der A-Elf ab der 62. Minute, während Aznou in einer B-Elf, gespickt mit den nach Spielpraxis suchenden Harry Kane, Alphonso Davies und Michael Olise, begann.

Dass sich der im Sommer 2022 vom FC Barcelona verpflichtete Aznou am Wochenende des Bundesligastarts jedoch statt mit dem VfL Wolfsburg mit den Würzburger Kickers beschäftigte, kam dann doch überraschend. Beim 4:1-Sieg der Bayern Amateure in Würzburg war über 90 Minuten die Rechtsverteidigerposition Aznous Zuhause.

Gerade seine Flexibilität wäre ein guter Grund gewesen, dem gelernten Linksverteidiger einen Kaderplatz in Wolfsburg zu reservieren. Der Linksfuß zeigte in der Vorbereitung keinerlei Probleme, verschiedene Positionen zu bekleiden. Im Test gegen den 1. FC Düren ersetzte er zunächst den verletzten Hiroki Itō links in der Dreierkette, um dann in Hälfte Zwei auf Linksverteidiger zu wechseln. Dort agierte er auch gegen Tottenham Hotspur. Beim zweiten Aufeinandertreffen mit den Engländern rutschte Aznou im Laufe der Partie von Linksaußen auf Linksverteidiger und endete für die letzten Minuten in der Innenverteidigung. Gegen die WSG Tirol waren es beide defensiven Außenbahnen jeweils für eine Hälfte.

Bei den Amateuren bekleidete der La Masia-Schüler diese Saison in vier Einsätzen dreimal die Positionen rechts in der Viererkette und einmal auf der Gegenseite. Nur am 1.Spieltag ging Aznou dabei nicht über die volle Distanz, weil er schwer Gelb-Rot-gefährdet war. Allgemein neigt Aznou dazu, Unzulänglichkeiten mit Foulspielen auszugleichen und sammelt dadurch viele Verwarnungen.

Seine Stärken liegen grundsätzlich eher in der Offensive und nicht im Verteidigen. Das gilt, obwohl Aznou sehr konsequent die Zweikämpfe sucht und Schwächen im Rückzugsverhalten und Stellungsspiel, die im Winter-Test gegen den FC Basel auffällig waren, weniger wurden. Es fehlt allerdings schlicht noch an Durchsetzungskraft. Aznou ist noch sehr schmächtig und konnte sich in den Tests, trotz durch Täuschung oder Tackling errungen Vorteil, häufig dann doch nicht durchsetzen.

Um die dafür fehlende Körperlichkeit zu erlangen, hat Aznou noch reichlich Zeit. Er verfügt bereits jetzt über ein sehr gutes Spielverständnis, hohes Tempo und die Fähigkeit, sich aus aggressivem Gegnerdruck zu befreien. Der Jungstar hat keine Hemmungen, ins Dribbling zu gehen und verfügt dabei über eine große Auswahl an Finten. Er sucht offensiv konsequent die Tiefe, was gut zu Kompanys Spielstil passen würde. Gegen Tirol initiierte er mit zwei starken Aktionen die ersten beiden Treffer.

In der vergangenen Länderspielpause gab Aznou sein beeindruckendes Debüt für die A-Nationalmannschaft Marokkos. Bei einem Last-Minute-Sieg mit 0:1 in Lesotho, kam der Campus-Schüler über die volle Distanz zum Einsatz. Er verdrängte Ex-Bayer Noussair Mazraoui als Linksverteidiger aus der Anfangsformation und lieferte eine Man-of-the-Match-Performance.

Aznou unterschrieb diesen Sommer einen Profivertrag bis 2027 und könnte im Laufe der Saison bereits erste Minuten sehen. Aktuell scheint rechts in der Viererkette vieles möglich, auch wenn Kompany in Wolfsburg lieber wieder Joshua Kimmich aus dem Mittelfeld versetzte und gegen Freiburg etwas ganz Neues mit Schienenspieler Serge Gnabry versuchte. Die optimale Lösung scheint mit Boey, Gnabry oder Stanisic noch nicht gefunden.

Auf Aznous angestammter Position wirkt es so, als würden Davies und Raphaël Guerreiro fest im Sattel sitzen. Allerdings agierte Davies in den vergangenen Saisons sehr wechselhaft und Back-up Guerreiro plagte sich häufig mit Verletzungen. Ein Davies-Abgang im nächsten Sommer steht zudem durch seinen auslaufenden Vertrag weiterhin deutlich im Raum.

Langfristig scheint Aznou als potentielle Davies-Nachfolge möglich, aber ob er bereits nächsten Sommer so weit ist und ob es ihm die Verantwortlichen auch zutrauen, ist eher nicht anzunehmen. Realistischer ist zumindest eine halbe Spielzeit bei den Amateuren. Wenn sich der starke Techniker an die Körperlichkeit des Herren-Fußballs gewöhnt hat, wäre dann eine Leihe zu einem höherklassigen Verein eine Option. Ähnlich wie es seine Jugendbereichs-Konkurrenten um die Davies-Nachfolge gerade in der 3. Liga (Maximilian Hennig; Spvgg Unterhaching), Österreich (Matteo Pérez Vinlöf; Austria Wien) und der Bundesliga (Frans Krätzig; VfB Stuttgart) versuchen.

Noël Aséko Nkili in der Vorbereitung gegen Tottenham Hotspur
(Foto: Han Myung-Gu/Getty Images)

#47 Noël Aséko Nkili (18)

Zusammen mit Aznou und dem aktuell an Sturm Graz ausgeliehenen Lovro Zvonarek unterzeichnete Noël Aséko Nkili diesen Sommer seinen ersten Profivertrag. Der defensive Mittelfeldspieler scheint jedoch noch deutlich weiter weg vom Herrenteam der Bayern als seine beiden Kollegen. Aznou war einer der Gewinner dieses Sommers und Zvonarek gab bereits sein Bundesliga- und Tordebüt.

Trotzdem darf die Vorbereitung für den gebürtigen Berliner als Erfolg gewertet werden. Er konnte sie nämlich fit und vollumfänglich absolvieren. Seit seinem Transfer 2022 von Hertha BSC Berlin nach München, hat das Toptalent anhaltend mit Verletzungen zu kämpfen. In der vergangenen Saison waren für Nkili lediglich zwölf Pflichtspieleinsätze in Regionalliga, Youth League und U19-Bundesliga möglich.

Diese Saison kam er in allen vier Spielen der Amateure zum Einsatz, die sich nicht mit der Profivorbereitung überschnitten haben. Neben drei Startelfeinsätzen im Mittelfeldzentrum reicht es bei einem vollbesetzten Kader gegen Würzburg nur für zwölf Minuten auf dem Platz. Dazu kommen vier Testspieleinsätze für das Kompany-Team.

Der belgische Coach setzte Nkili auf für ihn ungewohnten Positionen in der Innen- und Außenverteidigung ein. Das könnte daran liegen, dass eben dort gerade Bedarf war, genauso aber auch an Nkilis Profil. Der Abräumer verfügt über eine starke Antizipation und Zweikampfführung, was sehr gut zu Kompanys Idee des aggressiven Vorwärtsverteidigens passt. Zusammen mit Nkilis gutem Passspiel könnte ihn das potentiell zu einem idealen Kompany-Innenverteidiger machen.

Dagegen spricht jedoch die Körpergröße des deutschen U20-Nationalspielers, der mit seinen 1,78 Meter nicht prädestiniert für die Abwehrzentrale ist. Im Vordergrund sollte für Nkili, genauso wie für seinen 2005er-Jahrgangskollegen Tarek Buchmann, erstmal stehen, wieder regelmäßig auf den Platz zu kommen. Erst nach kontinuierlichen Einsätzen in der Regionalliga ist für die beiden abzusehen, wie es weitergehen kann. Innenverteidiger Buchmann, ebenfalls mit Profivertrag ausgestattet, verpasste fast die gesamte letzte Saison.

#33 Javier Fernández González (17)

Kaum körperliche Probleme, sich auch gegen zum Teil deutlich ältere Gegenspieler in der Youth League und der Regionalliga Bayern durchzusetzen, hatte Javier Fernández. Der Spanier kam im Januar 2023 von Atletico Madrid und wusste von Beginn an zu überzeugen.

Als jüngerer 2006er Jahrgang agierte er letzte Saison in der U19 so auffällig (unter anderem 5 Treffer in den ersten 5 Partien), dass er bereits in der Rückrunde zu den Amateuren aufrückte. Auch in der Regionalliga konnte sich Fernández mit seinen 1,86 Meter und enormer Robustheit sofort behaupten, war unter Holger Seitz unverzüglich gesetzt und wurde nur am Ende der Saison von Leistenproblemen gebremst. Neben den Amateuren kam Fernández weiterhin in der Youth League zum Einsatz und war dort ein integraler Bestandteil (9 Einsätze, 3 Tore, 2 Vorlagen) der Mannschaft, die erstmals das Viertelfinale erreichte.

Fernández ist im defensiven Mittelfeld zuhause und könnte eine so häufige gesuchte Holding Six mit guter Spielübersicht werden. Der Spanier spielt starke Diagonalbälle, hat ein gutes Auge für Mitspieler und zeigt ein gutes Verständnis für die Verteidigung. Er kann aber auch –wie zuletzt bei den Amateuren– offensiver im Mittelfeld zum Einsatz kommen und so seine Torgefährlichkeit besser ausspielen.

In der Vorbereitung der Profis spielte Fernández überraschenderweise hauptsächlich als Innenverteidiger. Eine Position, die er beim FC Bayern noch gar nicht bekleidet hatte. Das war wahrscheinlich eher der dort vorhandenen Lücke geschuldet, als einem größeren Plan. Fernández löste das aber bei beiden Einsätzen gegen Düren und Tirol auffällig gut. In den restlichen Testspielen stand der zentrale Mittelfeldspieler zwar im Kader, kam aber nicht zum Einsatz.

Eine klare Schwäche hat Fernández allerdings noch. Er neigt zu Disziplinlosigkeit. Fernández sammelt viele Gelbe Karten, verheddert sich gerne in Streit mit Gegenspielern oder den Schiedsrichtern und verliert so den Fokus auf das Spiel. In seinem letzten U19-Bundesligaspiel sah er Rot für eine Tätlichkeit. Nach abgesessener Vier-Spiele-Sperre gab Fernández sein Debüt bei Amateuren, nur um gegen die DJK Vilzing nach 61 Minuten mit Gelb-Rot zum Duschen geschickt zu werden.

Bleibt der hochveranlagte Spanier mehr bei sich, steht ihm die Fußballwelt offen. Die Frage ist nur, wie und ob ihm dann der FC Bayern noch offensteht. Mit Pavlović, Joshua Kimmich, João Palhinha, Konrad Laimer, Leon Goretzka, im Notfall auch Guerreiro und Eric Dier, ist die Konkurrenz im defensiven Mittelfeld enorm. Es sieht also danach aus, als müsste der FC Bayern sich nach einer Leihstation umsehen, wenn Fernández der Regionalliga entwachsen ist. Das könnte schon sehr bald der Fall sein.

Adin Ličina im Einsatz für die deutsche U17-Nationalmannschaft
(Foto: Diogo Cardoso/Getty Images)

#32 Adin Ličina (17)

Zu Beginn der Vorbereitung sah Adin Ličina aus wie der Spieler aus dem Unterbau, der am meisten auf sich aufmerksam machen konnte. Der Linksfuß durfte gegen Düren als einziger Feldspieler durchspielen und bekam auch im ersten Aufeinandertreffen mit Tottenham eine Halbzeit. Mit der Rückkehr der meisten Nationalspieler war die viele Spielzeit jedoch Geschichte.

Es folgten zwei Kurzeinsätze gegen wiederum Tottenham und Tirol, sowie ein Kaderplatz ohne Einwechslung gegen Zürich. Trotzdem bleibt Ličina mit mutigen Dribblings, starker Ballkontrolle und einem auffälligen Arsenal von Tricks im Gedächtnis. Zum Einsatz kam Ličina sowohl bei den Profis als auch bei den Amateuren auf seinen Lieblingspositionen rechts am Flügel und im zentralen offensiven Mittelfeld.

Ličina spielte eine gute letzte Saison, die statistischen Werte (U19-BL: 23 Spiele, 9 Tore, 3 Vorlagen; Youth League: 8 Spiele, kein Scorer) waren allerdings nicht besonders herausragend. Trotzdem ist für den deutschen U18-Nationalspieler mit der herausragenden Technik und dem konsequenten Zug zum Tor eine große Karriere möglich. Als herausragendes Talent spielte Ličina auch eigentlich immer im älteren Jahrgang und war somit mit meist körperlich weiterentwickelten Gegnern konfrontiert.

Das dürfte Ličina diese Saison helfen, denn er ist seit Sommer fester Teil der Amateure und kann die Spielpraxis (4 Einsätze, 1 Vorlage) dort gut gebrauchen, um sich an den körperbetonten Herren-Fußball zu gewöhnen. So wird er auch weiter an seinen Schwächen im Spiel gegen den Ball und im Zweikampf arbeiten können. Noch scheint die Konkurrenz in der Offensive der Profimannschaft zu groß. In der nächsten Sommer-Vorbereitung könnte es dann schon besser aussehen, auch wenn dann andere Top-Talente wie Paul Wanner und Zvonarek von ihren Leihen zurückkehren.

Abzuwarten bleibt, ob Ličinas Umfeld und vor allem seine Berateragentur dafür die nötige Geduld mitbringen. Ličina wird von Leaderbrock Sports vertreten, die bereits den Abgang von Kenan Yıldız aus München forcierte. Damals führte der FC Bayern überzogene Forderung für die Trennung an, die Seite des Spielers fehlende Perspektive. Wenn man Yıldız’ Entwicklung bei Juventus Turin betrachtet, war diese Entscheidung womöglich ein Fehler.

Arijon Ibrahimović im August 2023 gegen AS Monaco
(Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

#20 Arijon Ibrahimović (18)

Ibrahimović ist offiziell schon seit Januar 2023 Teil des Profikaders der Bayern. Bei seinem bisher einzigen Einsatz über 13 Minuten im Februar 2023 gegen den VfL Bochum ist er aber in dieser Liste weiterhin richtig aufgehoben. Ibrahimović stand in der Saison 2022/23 noch sieben weitere Male im Kader der großen Bayern, aber zum Einsatz kam er hauptsächlich in der U19-Bundesliga, der Youth League und der Regionalliga Bayern.

Der 23-fache deutsche U-Nationalspieler überragte in jeder Altersklasse und stand bereits mit 16 einmal im Kader der Profis. 2005 geboren, spielte er seit der U16 immer in einem älteren Jahrgang. Die Saison 2022/23 begann der talentierte Rechtsfuß in der U19 und wurde nach 13 Treffern und drei Vorlagen in elf Spielen zu den Profis befördert, um dort zu trainieren und regelmäßig bei den Amateuren zu spielen. Auch bei der Zweitvertretung wusste Ibrahimović mit sieben Scorern (3 Treffer, 4 Vorlagen) in neun Einsätzen zu gefallen. In seinem 29-minütigen Amateurdebüt bereitete Ibrahimović direkt zwei Tore vor.

Auf dieses starke Jahr sollte mit Erstligafußball in Italien der nächste Schritt folgen. Die Leihe zum Aufsteiger Frosinone Calcio brachte den erhofften Erfolg allerdings nur bedingt.
Ibrahimović sammelte in Pokal und Liga 18 Einsätze und kam dabei in ca. 600 Minuten auf zwei Treffer und eine Vorlage. Zu Beginn sah es noch sehr gut aus, konnte sich der starke Dribbler doch über Kurzauftritte für erste Startelfnominierungen im November empfehlen. In seinen ersten beiden Spielen von Beginn an lieferte der offensive Mittelfeldspieler direkt die drei Scorerpunkte, was zu mehreren Berufungen in die Anfangself führte. Eine kurze Pause, durch einen grippalen Effekt bedingt, beendete diese Entwicklung jäh. Danach reichte es die restliche Saison lediglich für acht Einwechslungen mit sehr geringer Spielzeit.

Aus Sicht des FC Bayern war die Leihe trotzdem ein gewisser Erfolg. Ibrahimović soll in Italien als Typ sehr gereift sein. Das Vertrauen der Verantwortlichen scheint jedenfalls vorhanden, denn sein Vertrag wurde nach der Leihe bis 2027 verlängert und er wurde fester Teil des Münchener Profiteams.

Die Vorbereitung lief für Ibrahimović denkbar ungünstig, er zog sich vor der Korea-Reise einen Muskelbündelriss im linken hinteren Oberschenkel zu und nahm erst vor kurzem das Lauftraining wieder auf. Folglich kam er nur im Test gegen Düren zum Einsatz. Von der Bank kommend waren es 30 Minuten im linken offensiven Mittelfeld.

Das ist der Bereich des Platzes, auf dem sich der exzellente Eins-gegen-Eins-Spieler am wohlsten fühlt. Im offensiven Mittelfeld, als Linksaußen oder hängend hinter der Spitze kommen seine Stärken am deutlichsten zum Tragen. Dabei zieht Ibrahimović am liebsten von links nach innen, um auf den starken rechten Fuß zu kommen, mit dem er aus der Distanz und bei Standards gefährlich ist. Die Münchner Nummer 20 verfügt über eine herausragende Handlungsschnelligkeit und geht mit großer Dynamik in Zweikämpfe. Auf höchstem Niveau kann er sich allerdings noch nicht immer durchsetzen.
Der Jugend-Überflieger lässt sich auch manches Mal noch zu viel Zeit am Ball, wohl weil er es aus Nachwuchstagen noch so gewohnt ist.

Zurück bei voller Fitness dürften auf Ibrahimović erstmal Einsätze bei den Amateuren warten. Sogar mit einem –mittlerweile durchgefallenen– Coman-Abgang schien die Bayern-Offensive zu voll, um dort signifikante Spielzeit zu erobern. Ist Ibrahimović wieder voll in München angekommen, kann die Situation im Winter neu beurteilt werden.

Gabriel Vidović im letzten Vorbereitungsspiel gegen Zürich
(Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

#46 Gabriel Vidović (20)

Geboren im Dezember 2003 ist Gabriel Vidović mit fast 21 Jahren der älteste Spieler in dieser Aufzählung. Der aus Augsburg stammende Kroate hat aber auch schon einiges vorzuweisen. Nachdem er von 2016 an alle Jugendmannschaften des FC Bayern durchlaufen hatte, unterschrieb der Angreifer im Februar 2022 seinen ersten Profivertrag in München.

Den hatte er sich durch eine überragende erste Herrensaison bei den Amateuren verdient. Vidović kam 2021/22 in 30 Regionalliga-Einsätzen auf 31 Scorerpunkte (21 Tore, 10 Vorlagen) und bei den Profis auf drei Bundesliga-Kurzeinsätze. Die beiden folgenden Jahre verbrachte er bei Leihvereinen in kleineren Ligen. Zuerst verbuchte er durchwachsenen Erfolg bei Vitesse Arnheim (25 Einsätze, 1217 Minuten, 4 Tore) in den Niederlanden. Zuletzt bei Dinamo Zagreb in Kroatien konnte Vidović in 40 Spielen mit neun Toren und drei Vorlagen zur Meisterschaft, dem Pokalsieg und dem Einzug ins Conference League Achtelfinale beitragen.

Bei seinen Leihstationen kam Vidović hauptsächlich auf Linksaußen und vereinzelt im linken und zentral offensiven Mittelfeld zum Einsatz. In der Zentrale kommen die Stärken des kroatischen U21-Nationalspielers im Bespielen enger Räume, der Spieleinschätzung und -erfassung sowie im Abschluss am besten zur Geltung. Bei den Amateuren agierte Vidović im Wechsel auf der Zehn, als hängende Spitze und sogar als Mittelstürmer.

In diesem Bereich scheint ihn auch Kompany zu sehen. Er setzte Vidović in allen Testspielen entweder auf einer abwechselnd in den Sturm rückenden Doppelzehn oder als alleiniger Zehner hinter einer Spitze ein. Der neue Übungsleiter soll zufrieden mit dem Leihrückkehrer sein und ein Kaderplatz im DFB-Pokal gegen Ulm wäre zu erwarten gewesen. Diese Partie verpasste Vidović dann angeschlagen.

Zum Ende des Transferzeitraums zeichnete sich, um an der fehlenden Konstanz und ausbaufähigen defensiven Bewegungen zu arbeiten, ein erneutes Leihgeschäft ab. Ziel sollte wohl eine leistungsstärkere Liga sein. Lange wurden Eintracht Frankfurt und der französische Champions-League-Teilnehmer Stade Brest gehandelt. Am Ende ging Vidović zu Mainz 05. Eine doch etwas überraschende Adresse.

Die Rheinhessen agieren unter Bo Henriksen wie die Jahre zuvor auch in einem 3-4-2-1-System mit lediglich drei klassischen Offensivspielern. Eine Position scheint fest an Aushängeschild und Vize-Kapitän Jonathan Burkardt vergeben. Folglich konkurriert Vidović mit den über Jahre etablierten Karim Onisiwo und Jae-sung Lee, dem gerade erst für vier Millionen Euro verpflichteten Hyun-seok Hong, sowie mit Armindo Sieb einen weiteren Bayern-Leihspieler um lediglich zwei freie Plätze. In Zagreb agierte der Campus-Alumnus zwar vereinzelt auch als linker Schienenspieler in einer Dreier- bzw. Fünferkette, seine Stärken akzentuiert das aber wirklich nicht. Es muss sich zeigen, wie sinnvoll dieses Leihgeschäft für die Münchner und ihre Nachwuchshoffnung wird.

Nestory Irankunda am Campus gegen Grasshopper Club Zürich
(Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

#31 Nestory Irankunda (18)

Der zu Beginn des Textes erwähnte Australier hört auf den Namen Nestory Irankunda und ist wirklich beeindruckend schnell. Was Geschwindigkeit angeht, muss sich Irankunda nicht mal vor dem Vergleich mit Davies fürchten. In der australischen Liga wurden beim Flügelspieler schon über 37 km/h im Sprint gemessen. Ein Wert, der in der Bundesliga seit Beginn der Messungen 2011 noch nie erreicht wurde.

Naheliegend ist der Vergleich mit Davies nicht nur wegen der Geschwindigkeit, die beide Spieler mitbringen. Irankunda kommt ebenfalls als Rohdiamant aus einer kleineren Liga, ist bereits Nationalspieler und bringt eine Fluchtgeschichte mit. Wie Davies wurde auch Irankunda in einem Lager für Geflüchtete geboren. Seine Eltern waren vor dem Krieg in Burundi geflohen und waren in Tansania untergekommen, bevor es weiter nach Australien ging.

Bei seinem Wechsel von Adelaide United nach München diesen Sommer brachte Irankunda für einen im Februar 2006 geborenen Spieler bereits jede Menge Profi-Erfahrung mit. Der sehr kräftige Rechtsfuß lief bereits 60-mal in der australischen A-League auf, in der er bereits kurz vor seinem 16. Geburtstag debütierte und schon sowohl 16 Treffer als auch acht Vorlagen vorzuweisen hat.

Noch vor seinem Wechsel debütierte der 1,75 Meter große Offensivspieler dazu in der australischen Nationalmannschaft. In seinem zweiten Einsatz erzielte er per Elfmeter direkt seinen Premieren-Treffer, bei einem 5:0-Sieg über Palästina. Sein erstes Tor im Bayerndress ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten. Bereits gegen Rottach-Egern trug Irankunda sich in die Torschützenliste ein und rettete dann gegen Düren mit einem Abstauber das 1:1 Unentschieden.

Abstauber gehörten in der Vorbereitung zu seinem Stellenprofil, denn Kompany setzte den Neuzugang zumeist als Angreifer ein. Im Zentrum durfte der Australier gegen Düren und Zürich etwa 30 Minuten, sowie gegen Tirol eine Halbzeit stürmen. Nur im ersten Spiel gegen Tottenham kam der Speedstar über den Flügel. Direkt zu sehen war dabei, dass ein einziger Gegenspieler Irankunda kaum stellen kann.

Sein Antritt ist unwiderstehlich, aber er verliert danach noch zu oft den Überblick, übersieht freie Mitspieler und nimmt es mit zu vielen Gegnern auf. Irankunda ist auch schnell nur auf den eigenen Abschluss bedacht. Der wiederum ist aus kurzer und weiter Entfernung sehr gut und mit viel Dampf versehen. Passspiel und Ballkontrolle sind ebenfalls noch ausbaufähig, die Ansätze reichten Kompany aber für eine Kadernominierung gegen Ulm.

Zu einem Einsatz reichte es nicht. Auch in der darauffolgenden Woche gab Irankunda nicht sein Pflichtspieldebüt für die Profis. Ein erstes Mal feierte er trotzdem. In seinem zweiten Einsatz für Amateure überragte er vom Flügel kommenden beim 4:1 in Würzburg mit zwei Treffern und einer Vorlage. Am darauffolgenden Spieltag kam Irankunda dann in keinem Bayern-Team zum Einsatz, da er früher zur australischen Nationalmannschaft reiste.

Eine für Irankunda vermutlich relativ ernüchternde Reise. Er kam zwar zweimal zum Einsatz. Als Einwechselspieler am Flügel gegen Bahrain (0:1) und in der Startelf als Teil einer Doppelspitze gegen Indonesien (0:0), doch reichte es für die Socceroos nur zu einem Punkt in der WM-Qualifikation.

Nach seiner Rückkehr wird er höchstwahrscheinlich wieder bei den Amateuren spielen, aber mit seinen punktuell herausragenden Fähigkeiten sind Einsätze beim Profi-Team nicht abwegig. Der junge Spieler muss sich erstmal an Deutschland, das neue Umfeld und das Niveau beim FC Bayern gewöhnen. Danach scheint vieles möglich.

Keine bloße Füllmasse – der direkte Sprung scheint trotzdem schwierig

Sieben Namen stehen auf meiner Liste, sieben extrem talentierte Spieler, von denen bestimmt noch der ein oder andere eine Rolle beim FC Bayern spielen wird. Nur nach viel Spielzeit bei den Profis sieht es diese Saison nicht unbedingt aus. Bei Irankunda und Aznou könnten Minuten abfallen, aber für mehr scheint der von Max Eberl gebaute Kader einfach zu voll.

Die einzigen Positionen, auf denen aktuell Raum scheint, um in die erste Mannschaft hineinzustoßen, sind die Innenverteidigung und die rechte Defensivseite. Diese Stellen kann der Nachwuchstalentpool im Moment allerdings nicht wirklich bedienen. Aznou wird wahrscheinlich deshalb auf Rechtsverteidiger ausprobiert, weil es eben dort eher eine Möglichkeit gibt.

Heißt das also, dass die Testspiele doch für die Katz’ waren? Völlig ohne Aussagekraft? Die Talente nur die Trainingsübungen auffüllen und Sparringspartner für die Stars sind? Ich glaube nicht. Unter Sportdirektor Christoph Freund wirkt der Weg von der Jugend zu den Profis wieder klarer. Er scheint nur über Leihen zu gehen. Vereinzelte wie Jamal Musiala und Pavlović mögen die Qualität haben, direkt den Sprung von der U19 oder den Amateuren zu den Profis zu schaffen. Für die meisten scheint es nach schnellstmöglicher Gewöhnung an den Erwachsenen-Fußball in der Regionalliga darum zu gehen, die richtige Leihstation im höherklassigen Fußball zu finden.

Die gute Nachricht ist: Es gibt sie, die Talente, denen zuzutrauen ist, nach Pavlović als nächster ehemaliger Jugendspieler bei den Bayern-Profis eine große Rolle zu spielen. Nur lernen wir sie und sie die große Bühne voraussichtlich – wie aktuell Paul Wanner (Jonathans Einschätzung zu Wanner gibt es hier) beim FC Heidenheim – über andere Vereine kennen.



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