Bernat & Vidal im Fokus
Dass die Viererkette des FC Bayern ersatzgeschwächt nicht in Bestbesetzung auflaufen würde, war bereits vor Anpfiff klar. Es sagt jedoch leider einiges über den derzeitigen Stellenwert von Juan Bernat aus, dass dessen Aufstellung dennoch relativ überraschend kam. Der Spanier sollte auf der linken Seite den schnellen Cuadrado im Zaum halten. Alaba wäre die etatmäßige Bestbesetzung gewesen, durch die Versetzung in die Mitte war links der letztjährige Stammplatz von Bernat vakant. Dass Guardiola gegen den Rechtsfuß Cuadrado auf einen Linksfuß setzt, war in der Folge auch sinnvoll – Rafinha hätte zudem klare Geschwindigkeitsnachteile gehabt.
Bernat klar verbessert
Bernat kam so zu seinem erst vierzehnten Einsatz in dieser Saison, dem zehnten in der Startelf. Und er präsentierte sich sehr ordentlich. Defensiv ließ er sich gegen Juves starke rechte Seite mit Cuadrado und Lichtsteiner nichts zu schulden kommen. Die Flankenläufe, die sich sicherlich auch Allegri in seinem Matchplan zurecht gelegt hatte, konnten beide Juve-Spieler nicht zeigen. Auch wenn der erste Gegentreffer aus einer frühen Flanke des Kolumbianers heraus entstand, Bernat verteidigte grundsolide und ließ gegen die unterschätzte rechte Angriffsseite der Turiner wenig zu. Der 22-Jährige taucht zwar in keiner Statistik als Top-Spieler auf, seine Passquote von 85 % ließt sich dennoch gut. In der ersten Halbzeit konnte er leichte Ballverluste von Costa gut ausbügeln und schnelle Umschaltsituationen von Juventus unterbinden.
In der Offensive positionierte sich der Spanier gerade in der ersten Hälfte immer wieder sehr zentral und interpretierte die Linksverteidiger-Rolle sehr Alaba-ähnlich. Er trug so entscheidend zum Plan bei, die Turiner konsequent am eigenen Strafraum zu halten und ihr Spiel nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Das Spiel gegen Juventus war erst die sechste Partie, in der das Duo Bernat/Costa über mehr als eine Halbzeit zum Einsatz kam – in vielen Situationen fehlte es somit noch deutlich an der Abstimmung. Überhaupt: Mit Costa vor sich muss Bernat sein Spiel aus der Vorsaison merklich umstellen. Während Ribery gerne den Weg nach innen wählte und dem Spanier so außen Raum eröffnete, positioniert sich Costa weiter an der Seitenlinie und schließt einen Großteil seiner Aktionen mit einer Hereingabe in die Mitte ab. Mehr denn je ein Grund für Bernat, an seinem Abschluss zu arbeiten. Denn während der schussstarke Alaba sich in solchen Situationen gefährlich am Strafraumrand in Position bringen kann, mangelt es bei Bernat schlichtweg an Torgefahr.
Nichtsdestotrotz: Der Auftritt gegen Turin war für Bernat ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, zumal seine Auftritte vor seiner Verletzung von einer Formkrise geprägt waren. Auch für ihn geht es in dieser Rückrunde darum, möglichst viele Einsatzminuten zu sammeln, um sich für die spanische Nationalmannschaft empfehlen. Ein Bernat auf dem Niveau aus der Saison 2014/15 könnte dem FC Bayern gerade jetzt, da die Verteidigung unterbesetzt ist, gut zu Gesicht stehen.
Vidal der Gewinner des Abends?
Der große Gewinner des Abends könnte jedoch Arturo Vidal heißen. Während er sich in vielen Begegnungen im Spätherbst, aber auch unlängst gegen Leverkusen zurecht Kritik hatte gefallen lassen müssen, überragte der Chilene im Spiel gegen seinen Ex-Verein mit einer physischen, aber keineswegs überharten Spielweise und viel Ballkontrolle im Mittelfeld. Geschickt positionierte er sich immer wieder als Anspielposition für Alaba und Kimmich und sorgte mit Tacklings und guten Läufen immer wieder dafür, dass Juventus-Kombinationen in der ersten Halbzeit eine seltene Erscheinung blieben. Mit 114 Pässen zeigte er, dass er durchaus die Rolle von Xabi Alonso als Dreh- und Angelpunkt im Bayern-Mittelfeld einnehmen kann. Vidals physisches Spiel war gegen Juventus vor allem in der Defensive Gold wert. Vier Interceptions und acht Balleroberungen erreichte kein anderer Münchner. Ein ums andere Mal klärte Vidal auch im Strafraum. Ganz perfekt wäre Vidals Leistung gewesen, hätte er sich nicht einige kleinere Schwächen beim Klären auf Höhe der Mittellinie geleistet, die mitunter hätten bestraft werden können. Seine Statistiken lesen sich dennoch überragend:
Gespielte Pässe | Erhaltene Pässe | Klärungen | Ballgewinne |
---|---|---|---|
114 (109) | 94 | 4 | 4 |
Wieder einmal wurde deutlich, dass der Chilene in der defensiveren Rolle auf der Sechser-Position deutlich mehr Einfluss auf das Bayern-Spiel nehmen kann. Während in den offensiveren Achter-Räumen seine weiterhin bestehenden Schwierigkeiten bei der Spielübersicht auffällig werden, fühlt sich Vidal sichtlich wohler, wenn er das Spiel vor sich hat. Zumal die erhoffte Torgefahr im bisher in vielen Szenen abgeht.
Arturo Vidal zeigte gegen Juventus Turin seinen besten Auftritt im Bayern-Trikot und brachte damit die Kritiker wohl vorerst zum Schweigen. Es bleibt jedoch dabei, dass er sich für regelmäßige Startelfeinsätze auch mit einer offensiveren Positionierung anfreunden werden muss. Während er in der Champions League als Bindeglied zwischen Abwehr und Mittelfeld wertvoll ist, wird Vidal in der Bundesliga immer wieder als zusätzlicher Spieler im Strafraum oder in Strafraumnähe gebraucht werden.