Bayern-Rondo: Erste Bayern-Krise? Um die wird Nagelsmann beneidet

Justin Trenner 08.03.2022

So schnell die Ruhe beim FC Bayern München nach dem 1:0-Erfolg bei Eintracht Frankfurt gekommen war, so schnell war sie nun wieder weg. Ein unbefriedigendes 1:1 gegen Bayer 04 Leverkusen führt dazu, dass in München die Sorgenfalten vor der möglicherweise entscheidenden Saisonphase größer werden.

Nach wie vor muss Trainer Julian Nagelsmann auf Schlüsselspieler wie Alphonso Davies oder Leon Goretzka verzichten, nach wie vor findet er keine Lösungen für die großen Defensivprobleme. Auf eine starke Anfangsphase folgten eine schwache Schlussphase der ersten und ein eher uninspirierter Auftritt in der zweiten Halbzeit.

Gibt es jetzt großen Grund zur Sorge? Das soll in dieser Woche das Hauptthema des Bayern-Rondos sein. Außerdem schauen wir auf die Wochen der Wahrheit bei den FC Bayern Frauen und eine unseriöse Meldung, die zu Paul Wanner gemacht wurde.

Verliert Nagelsmann die Kontrolle?

Ein kurzer Blick auf den aktuellen Spielplan des FC Bayern München genügt, um festzustellen, dass die aktuelle Saisonphase Julian Nagelsmann vor große Herausforderungen stellt:

  • Bochum (A) – 2:4
  • Salzburg (A) – 1:1
  • Fürth (H) – 4:1
  • Frankfurt (A) – 1:0
  • Leverkusen (H) – 1:1

Es ist zudem nicht das erste Mal in der laufenden Spielzeit, dass die Bayern sich anfällig präsentieren. 1:2 daheim gegen Frankfurt, 0:5 in Gladbach, 1:2 in Augsburg und 1:2 zum Rückrundenauftakt gegen Gladbach. Jedes dieser Spiele erzählt seine eigene Geschichte, nicht alle hängen unmittelbar mit einem Muster zusammen. Wer analysiert, dass die Gesamtzahl dieser Spiele zeige, dass die Bayern eine zu schwache Defensive hätten, macht es sich sehr einfach.

Stattdessen liegen die Probleme in ganz verschiedenen Bereichen. Und zwar in derart vielen, dass man sich in München eher die Frage stellen, warum sie alle auf einmal zusammenkommen. Aber der Reihe nach:

Ausfälle

Der mitunter mäßige Start in die Rückrunde lässt sich teilweise dadurch erklären, dass auf wichtigen Positionen Spieler ausgefallen sind. Neben den Langzeitausfällen Alphonso Davies und Leon Goretzka gab es zahlreiche Coronafälle, kleinere Verletzungen oder anderweitige Ausfälle (beispielsweise die Hernandez-Sperre zuletzt). Für die Bayern war es beinahe unmöglich, in diesem Kalenderjahr einen richtigen Rhythmus aufzunehmen.

Kaderplanung

Nagelsmann musste während der Ausfallzeit von Davies und Goretzka, aber auch schon wegen Verletzungen von Marcel Sabitzer und Corentin Tolisso viel rotieren. Er musste aber auch die Grundordnung anpassen. Musste, weil der Kader offenbar zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausreichend ausbalanciert ist. Das bedeutet nicht, dass er rein von der Anzahl der Spieler her zu dünn ist. Viel mehr ist es ein Problem, dass es für einzelne Rollen keinen 1:1-Ersatz gibt.

Davies ist 21 Jahre jung. Sein Ausfall darf und muss aufgrund seiner Qualität schmerzen. Wenn dieser Umstand aber dazu führt, dass die Balance des gesamten Spielaufbaus und auch der Rückwärtsverteidigung ins Wanken gerät, ist das ein Symptom eines nicht gut ausbalancierten Kaders.

Sowohl in der Spitze als auch in der Breite haben die Münchner ihre Baustellen. Unter den ersten 13, 14 Spielern fehlt beispielsweise ein Innenverteidiger, der einerseits im Spielaufbau Stabilität reinbringt und andererseits in der Arbeit gegen den Ball klare Kommandos verteilt. In der Breite fehlen Spieler, die Formschwächen oder Verletzungen von etablierten Kräften sofort auffangen können.

Formschwächen

Denn davon gibt es aktuell genug. Robert Lewandowski? Wirkt vorn zu oft wie abgeschnitten. Eine Systemfrage? Möglich. Genauso möglich ist es aber, dass seine Mitspieler ihn nicht mehr so zuverlässig bedienen wie noch über weite Strecken der restlichen Saison, wo der Pole hervorragende Leistungen zeigte. Denn auch Thomas Müller steckt in einem Loch, kann nicht mehr so konstant die Verbindungen im Angriffsdrittel knüpfen wie gewohnt.

Serge Gnabry ist ebenfalls ein erfahrener Spieler im Team, der aber sehr mit sich selbst zu tun hat. Auf gute Leistungen folgen regelmäßig zwei oder drei schwächere. Und selbst Joshua Kimmich erlaubt sich, wenn auch nach wie vor auf hohem Niveau, den einen oder anderen Fehlpass zu viel. Häufig wird über Spieler wie Dayot Upamecano, Marcel Sabitzer oder Lucas Hernandez diskutiert. Die Diskussion sollte sich dieser Tage aber mehr in Richtung Führungsspieler verlagern.

Sie sind jetzt gefordert, ihre Form in den Griff zu bekommen und den Neuzugängen sowie jungen Spielern eine Stütze zu sein. Eine Mannschaft funktioniert nicht, wenn die Spieler im unteren Bereich der Hierarchie die Verantwortung tragen müssen. Ob das intern bei den Münchner so ist, ist ohnehin fraglich. Die Diskussionen, die von außen geführt werden, packen die Probleme aber an den falschen Stellen an.

Hektik und fehlende Sommervorbereitung

Sowohl Hansi Flick, als auch jetzt Julian Nagelsmann versuchten sich daran, das hektische Ballbesitzspiel der Bayern zu beruhigen – mit mal mehr, mal weniger Erfolg. Gerade ist wieder so eine Phase, in der sich die Münchner schwer damit tun, wilden Spielphasen den eigenen Stempel und das eigene Selbstverständnis aufzudrücken. Die Minuten nach dem Eigentor von Müller gegen Leverkusen sind bezeichnend dafür.

Es mag in der Verantwortung des Trainers liegen, das anzupacken. Was aber unter Flick galt, gilt jetzt auch für Nagelsmann: Die Bayern hatten seit 2019 keine vollständige Sommervorbereitung mehr. Flick übernahm in der laufenden Saison, wurde dann von Corona überrumpelt. Im Sommer gab es ein Champions-League-Turnier, fast nahtlos folgte die neue Saison. Es übernahm Nagelsmann im Sommer 2021, der zwar eine Sommervorbereitung hatte, diese aber nicht mal zehn Tage lang mit dem kompletten Kader verbringen durfte, weil es Sonderurlaub nach der Europameisterschaft gab.

Ist das ausreichend als Begründung? Sicher nicht. Gute Trainer schaffen es, einem Team sehr schnell den eigenen Stempel aufzudrücken. Insbesondere bei Kadern mit dieser Qualität. Denn so berechtigt Kritik an der Balance des Kaders ist: Das ist Kritik auf hohem Niveau. Trotzdem: Wer sich mit Trainer:innen aller Spielklassen unterhält, wird oft eine ähnliche Antwort zu hören bekommen. Sommerarbeit ist Grundlagenarbeit – und diese Grundlagen gehen den Bayern seit geraumer Zeit mindestens auf sehr hohem Level ab.

Nagelsmann wurde diese Grundlagenarbeit verwehrt. Er musst im Prinzip das übernehmen, was ihm übergeben wurde und daraus das Beste machen. Zumal wichtige Eckpfeiler auf und neben dem Platz wegbrachen. Verbunden mit der viel zu hohen Erwartungshaltung vieler Fans und im Umfeld ist das alles andere als einfach.

Erwartungshaltung

Denn die ist wahrlich enorm. Ordnen wir doch mal ganz sachlich ein: Die Bayern sind im DFB-Pokal blamabel in Gladbach ausgeschieden, haben darüber hinaus aber bisher eine fast makellose Champions-League-Saison gespielt und stehen in der Bundesliga mit großem Abstand vor Borussia Dortmund. Vor dem 2:4 in Bochum gab es in elf Partien zehn Siege und die Niederlage gegen Gladbach, die sich aufgrund der Coronasituation angebahnt hatte.

Auch davor gab es 14 Siege und drei Niederlagen. Im Schnitt holen die Bayern aktuell 2,36 Punkte in der Bundesliga. Hochgerechnet sind das 80 Zähler. Nur ein anderer Klub erreichte diesen Wert bisher: Der BVB in der Saison 2011/12. 76 Tore sind zum jetzigen Zeitpunkt Rekordkurs, 27 Gegentore sind angesichts anderer Vergleichswerte aus den Vorjahren etwas viel, aber immer noch um rund 0,2 Gegentreffer pro Spiel besser als im Vorjahr.

Ohnehin hat sich das Team von Julian Nagelsmann in vielen statistischen Werten im Vergleich zur letzten Saison gesteigert. Expected Goals, expected Goals against, Tore, Gegentore, Punkteschnitt, Abschlüsse, zugelassene Abschlüsse – das sind nur einige Beispiele. Das Gefühl der sich anbahnenden Krise resultiert einzig und allein aus den jüngst gezeigten Leistungen.

Normale Leistungsdelle?

Was die Frage aufwirft, ob diese Phase nicht während einer Saison auch ganz normal ist. In der ersten Triple-Saison holten die Bayern zwischen dem 17. November und dem 14. Dezember 2012 folgende Ergebnisse:

  • Nürnberg (A) – 1:1
  • Valencia (A) – 1:1
  • Hannover (H) – 5:0
  • Freiburg (A) – 2:0
  • Dortmund (H) – 1:1
  • Borisov (H) – 4:1
  • Augsburg (A) – 2:0
  • Gladbach (H) – 1:1

Vier Unentschieden in acht Partien. Dazu ein 2:0-Sieg in Freiburg, der alles andere als souverän war – trotz Überzahl. Bayern tat sich damals schwer, seinen Rhythmus aufrecht zu halten. In der Liga war man schon weit davon, die Spiele liefen nicht von selbst. Eine Niederlage gab es dennoch nicht, obwohl sie in der Luft lag.

Auch im zweiten Triplejahr gab es im Januar und Februar trotz reihenweise guter Ergebnisse viel Kritik an Hansi Flick und seiner Spielweise. Mehrfach wirkte es so, als würden die Bayern auf dem Zahnfleisch gehen. Ein knappes 3:2 gegen Paderborn, ein mühsames 1:0 auf Schalke im Pokal, Probleme beim 4:3 gegen Hoffenheim oder trotz 3:0-Führung in Mainz – Bayern hatte die Spielgeschichte oft auf seiner Seite.

Aktuell geht ihnen das ab. Die oben beschriebenen Problemen überschneiden sich derartig, dass es nochmal schwerer für sie ist, in dieser Phase dennoch die entsprechenden Ergebnisse einzufahren. Wobei sich die Kritik an den Ergebnissen schon dann relativiert, wenn man sie im Kontext der gesamten Saison sieht.

Kritik ist dennoch richtig

Holen die Bayern jetzt Siege gegen Salzburg, Hoffenheim und Union, sieht die Welt ganz anders aus. Dann wären es fünf Siege und zwei Unentschieden aus den letzten sieben Spielen. Dass die Bayern eine solche Formkrise haben, ist nicht die große Nachricht. Das passiert ihnen selbst in den erfolgreichen Jahren mindestens einmal.

Die große Frage ist, wie schnell sie da rauskommen. Denn all die Argumente sind zwar nachvollziehbar und berechtigt, aber sie führen nicht dazu, dass die sachliche Kritik an den gezeigten Leistungen falsch ist. Der Anspruch des FC Bayern ist es, jedes Spiel zu gewinnen. Prinzipiell bedeutet das also, dass das Unmögliche möglich sein soll. Daran müssen sich alle messen lassen.

Julian Nagelsmann aber hat einen Punkt, wenn er darauf hinweist, dass nicht nach jedem schlechten Ergebnis ein Untergangsszenario gezeichnet werden sollte. Das, was bei den Bayern als „schlechte Leistung“ gilt, wird selbst bei anderen Top-Klubs wie dem FC Barcelona, Juventus Turin, Manchester United oder in Teilen auch Real Madrid mit einer Portion Neid beobachtet.

Drei Spiele sind es noch bis zur nächsten längeren Unterbrechung. Drei Spiele, in denen Nagelsmann und das Team die Chance haben, sich das Spielglück wieder auf ihre Seite zu holen – und damit dann auch die Ruhe, die ihnen wegen eines Unentschiedens gegen einen formstarken Tabellendritten abhanden ging. Eigentlich verrückt.

FC Bayern Frauen: Wochen der Wahrheit

Die Bayern Frauen hatten im bisherigen Kalenderjahr einen Spielplan, der ihnen entgegen kam. Ihre deutlichen Siege zuletzt brachten das Selbstvertrauen, das sie jetzt benötigen werden. Auch sie spielen am kommenden Wochenende in Hoffenheim (Samstag, 13.00 Uhr, MagentaSport). Für die Meisterschaft ein ganz entscheidendes Spiel. Schon im Hinspiel taten sie sich schwer gegen die TSG, in der vergangenen Saison verloren sie sogar ein Duell.

Wolfsburg kann in Köln bereits am Freitag vorlegen. Gewinnen sie, sind sie mit einem Punkt vorne – bei einem Spiel weniger. Das Nachholspiel gegen Sand folgt in der Woche darauf und wenn kein Wunder geschieht, werden sie souverän drei Punkte einfahren. Verlieren die Bayern also in Hoffenheim, käme dieses Szenario einer Vorentscheidung gleich. Vier Punkte wären ein dickes Brett, das dann gebohrt werden müsste.

Doch es geht anschließend direkt weiter: Daheim gegen Frankfurt (Tabellenvierter), Champions-League-Hinspiel gegen Paris, daheim gegen Essen, Rückspiel in Paris, in Wolfsburg – dieses Programm hat es in sich. Im schlechtesten Fall sind zwei Titel danach schon weg. Im besten Fall gibt diese Saisonphase einen wichtigen Push für den Endspurt. Denn nach der Länderspielpause geht es direkt wieder gegen Wolfsburg – diesmal daheim. Im DFB-Pokal-Halbfinale wird ein Finalticket vergeben. Das andere geht an Leverkusen oder Potsdam.

Wanner nur bis 2024? Eine Einordnung

Dass Paul Wanner beim FC Bayern verlängert hat, ist kein Geheimnis. Bisher war war aber die Vertragslaufzeit unbekannt – vermeintlich. Wie das News-Portal FCBinside nun „enthüllte“, hat das Talent „nur bis 2024“ verlängert. Das sei beim DFB einsehbar. Die relativ kurze Laufzeit sei eher unüblich, „vor allem bei Nachwuchstalenten, welche ein so hohes Ansehen genießen wie Wanner“, heißt es in der News dazu.

Tatsächlich aber ist genau dieses Vorgehen sehr üblich. Für Wanner und die Bayern gab es nämlich kaum eine andere Möglichkeit. Mit 16 Jahren erlaubt das Arbeitsrecht keine Unterzeichnung eines klassischen Lizenzspielervertrages, wie ihn beispielsweise Jamal Musiala unterschrieben hatte. Lediglich ein Vertragsspieler-Vertrag ist alternativ zum Jugendspielervertrag möglich. Dieser darf einmalig für drei Jahre, danach für maximal zwei Jahre unterschrieben werden.

Nach Miasanrot-Informationen hatte Wanner bereits einen solchen Vertrag für zwei Jahre unterschrieben. Dementsprechend wäre es auch möglich gewesen, einen solchen bis 2025 zu datieren. Da der junge Mittelfeldspieler in zwei Jahren volljährig wird, darf er dann aber einen Lizenzspielervertrag unterschreiben. Die Verlängerung bis 2024 deutet eher darauf hin, dass sich beide Parteien sehr einig darüber sind, wie es danach weitergeht.

Nach unseren Informationen wurden erste Rahmenbedingungen für den dann folgenden Vertrag sogar schon festgelegt. Es wäre sogar möglich, eine Option für den Lizenzspielervertrag im Jugendvertrag zu integrieren, die dann während seines 18. Lebensjahres gezogen werden könnte. Ob etwaige Abmachungen irgendwo vertraglich festgehalten wurden, ist nicht bekannt. Grundsätzlich spricht aber alles für einen vertrauensvollen Umgang zwischen beiden Parteien.