Flicks Weste mit dem ersten Fleck: Bayern verliert 1:2 gegen Leverkusen

Daniel Trenner 30.11.2019

Falls Ihr es verpasst habt

Die Aufstellung

Im Vergleich zum Spiel in Belgrad rotierte Hansi Flick seine Aufstellung auf 5 Positionen. In der Innenverteidigung starteten Martínez und Alaba, während Pavard und Davies abermals die Außenbahnen bekleideten. Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Thomas Müller bildeten das Mittelfeld, Lewandowski und Gnabry stürmten wie gewohnt über rechts beziehungsweise durch die Mitte. Nachdem zuletzt weder Kingsley Coman, noch Philippe Coutinho überzeugen konnten, durfte sich gegen Bayer Ivan Perišić beweisen.

Nach überstandener Verletzung begann Transferziel Kai Havertz für Bayer Leverkusen auf der Bank, auf der auch Kerem Demirbay und Karim Bellarabi saßen. In Peter Boszs 4-2-3-1-System starteten beide Bender-Zwillinge in der Viererkette, Sven halb-links und Lars ganz rechts. Im defensiven Mittelfeld begannen die robusten Baumgartlinger und Aranguiz, während die wuseligen Diaby, Amiri und Bailey offensichtlich mit Geschwindigkeit überzeugen sollten.

1. Halbzeit

Beide Mannschaften starteten ähnlich indem sie beide den Gegner sehr hoch pressten und den Ball bereits unweit des Strafraums gewinnen wollten. Die erste Topchance erspielten sich die Münchener nach 8 Minuten, als Gnabry sich von Tah wegschlich und den Ball im 1 gegen 1 an den Pfosten setzte. Fast im direkten Gegenzug kassierten die Flick-Bayern in ihrem fünften Spiel ihr erstes Gegentor. Diaby nahm an der Mittellinie Davies den Ball ab, der Ball gelang zu Volland, der wiederum Martínez wegzog. In diesen Raum spielte er zum gestarteten Bailey, der mit seinem rechten Fuß vor Manuel Neuer einen kühlen Kopf bewahrte.

Bayern konnte in dieser Phase nur schlecht mit Leverkusens Pressing umgehen, konnten sie sich jedoch befreien, wurde es gefährlich. Kimmich lupfte in die Mitte, Wendell konnte nicht nur gegen Gnabry blocken, sondern auch gegen den einschussbereiten Müller (19.). Kurz darauf begann Leverkusens gefährlichste Phase in der 1. Halbzeit indem sie immer wieder ganz kurz vor einer Zwei-Tore-Führung waren. Mal rettete Neuers Faust gegen Diabys Effetschuss (25.), mal wurde in letzter Instanz die Situation durch einen gefährlichen Zweikampf bereinigt.

Bayern schaffte es diese Phase unbeschadet zu überstehen und begann ihrerseits eine Powerphase. Leon Goretzka trieb einen Konter über ¾ des Spielfelds, der nur im gegnerischen Strafraum sein Ende fand, während Gnabry mit einem gefährlichen Schuss aus 23 Metern nur knapp über das Tor traf. In dieser Phase gelang Bayern in der 33. Minute auch der Ausgleich. Nach einem Einwurf Leverkusens pressten sie Sven Bender früh, über Pavard gelang der Ball zu Müller, der mit einer Körpertäuschung verzögerte und durch die Beine Lars Benders traf, der den Ball auch noch abfälschte.

Keine zwei Minuten später gelang Leverkusen jedoch postwendend der Ausgleich, Bayern verlor hoch den Ball, an der Mittellinie kam Bailey an den Ball, spielte zu Volland, der wiederum zurück passte. Pavard war aufgerückt, sodass Bailey es mit Martínez aufnehmen musste, den er verlud. Den anschließenden Schuss aus recht spitzem Winkel versuchte Manuel Neuer in Handballtorwartmanier mit seinem linken Bein zu parieren, obwohl es den Anschein hatte, dass eine versuchte Handabwehr die bessere Entscheidung gewesen wäre.

Die Bayern ließen nun nicht nach und griffen weiter an. Kurz vor dem Abpfiff der Halbzeit wurde es dann noch einmal vollkommen absurd. Nach einem leichtfertigen Fehler konnte Gnabry den Ball mit dem Kopf vorbei legen und durchbrechen. Gemeinsam mit Müller und Perišić lief er für ein Drei-gegen-Eins auf Lukáš Hrádecký zu und scheiterte trotzdem. Gnabry verzögerte so lange, dass Lars Bender noch dazwischen grätschen konnte.

2. Halbzeit

Ohne Wechsel kamen die Mannschaften aus der Kabine. Die erste Chance hatte jedoch Leverkusen. Diaby spielte Davies aus, gab zu Amiri, der Neuer zu einer großen Rettungstat zwang.

Nun war Bayern wieder an der Reihe Großchancen zu vergeben. Müller behauptete den Ball, legte auf Lewandowski ab, der setzte aus gut 18 Metern zu einem Außenristschuss an, vergaß jedoch den Effet (55.). Minuten darauf brachte Müller eine Flanke punktgenau auf den heransprintenden Perišić, der aus gut 5 Metern jedoch statt seinen Kopf den Fuß nahm und das Kunststück schaffte, den Ball nicht nur über das Tor, sondern wohl auch aus dem Stadion zu schießen.

Die Bayern legten nun eine kurze Kunstpause darin ein beste Torchancen vorbei zu schießen und scheiterten ausnahmsweise mal am Torwart. Hrádecký hielt zweifach brillant zunächst zentral gegen Lewandowski, dann fast im Liegen gegen Müller (60.).

Bayern-Schreck Leon Bailey humpelte nun vom Feld und wurde von Karim Bellarabi abgelöst, kurz darauf tauschte Leverkusen auch die Außenverteidiger, als Sinkgraven für Wendell kam.

In der 69. Minute wechselte auch Hansi Flick positionstreu doppelt: Coman und Coutinho kamen für Perišić und Müller.

In die Liste der Pfostenschützen trug sich nach einer Ecke auch Leon Goretzka ein, als sein Kopfball an den langen Pfosten prallte (76.). Für den verletzten Aránguiz brachte Peter Bosz Demirbay. Flick nutzte gleichzeitig seinen letzten Wechsel indem er Thiago für Martínez brachte. Pavard rotierte ins Zentrum, Kimmich auf die Rechtsverteidigerposition.

In der 82. Minute wurde kurz vor dem Stafraum der Ball zu Coutinho durchgesteckt, Tah brachte ihn zu Fall und sah die rote Karte für eine Notbremse. Auch in der Folge kam Bayern zu Top-Chancen, vergab diese jedoch reihenweise. Alleine in der Nachspielzeit traf Lewandowski zu einem Wembley-”Tor”, Gnabry verzog aus gut 16 Metern freistehend einen volley derart stark, dass er fast im Seitenaus landete und wieder Lewandowski wuselte sich noch Sekunden vor Abpfiff in den Strafraum, nur um erneut im direkten Duell mit Hrádecký zu scheitern. So konnte Bayern trotz reihenweise bester Gelegenheiten nicht mehr zum Ausgleich kommen und unterlag 1:2.

Nächste Woche geht es zum Tabellenführer und “Angstgegner” Borussia Mönchengladbach.

Dinge, die auffielen

1. Schatten der Kovač-Bayern

Viel wurde in den letzten Wochen über Hansi Flicks Maßnahmen beim FC Bayern geschrieben. Sie alle fruchteten derart erfolgreich, dass man mitunter Angst bekam, Flick würden gleich noch magische Kräfte attestiert. Doch was gegen Piräus, Düsseldorf, Belgrad und ein merkwürdiges Dortmund noch widerstandslos klappte, kam heute auf den Prüfstand.
Leverkusens Plan war es hoch zu pressen und die Außenverteidiger zu isolieren. Gerade letzteres versuchte Dortmund zwar auch, doch wusste Leverkusen auch was sie taten. Dortmund hingegen “wussten nicht wie wir pressen sollten”. Das sagte Marco Reus zwar über Paderborn, doch war es gegen die Bayern ebenfalls der Fall.

Bayer zog Bayern auseinander, gerade Perišić ließ den jungen Davies zu oft alleine, sodass er in Schwierigkeiten gelang, wie es vor dem 0:1 der Fall war. Auch anderswo waren die Bayern etwas zu weit entfernt, sodass sie zu oft den Hauch zu spät kamen. Ähnliche Probleme wurden auch Kovačs Bayern attestiert, doch war dies kein simpler Rückfall in Zeiten, wo im Mittelfeld 20 Meter breite Löcher klafften. Hansi Flick hat dem Patienten FC Bayern gut wirkende Medizin verabreicht, ihn aber noch nicht geheilt.
Neben der besseren, aber nicht perfekten Staffelung ist hier auch das koordinierte hohe Pressing zu nennen. Bayern presst nun früh und es ist wichtig, dass sie es tun. Mitunter auch erfolgreich, wie vor dem 1:1 Ausgleichstor. Doch hat es immer noch Lücken, wie wenige Sekunden später eine ähnliche Situation vor dem 1:2 zeigt. Das Pressing schlägt fehl und man ist direkt in der Abwehr entblößt.

Es ist bemerkenswert wie viel Flick bereits verbessert hat, doch perfekt sind die Dinge nicht. Was ja auch nur logisch sein kann.

2. Hello Chancenverwertung, my old friend

Lange Jahre war sie der größte Feind eines jeden Bayern-Beobachters: Die Chancenverwertung. Immer wieder war nur sie Schuld an diversen Remis und Niederlagen. Oft wurden sogar beste Stürmer dafür verteufelt, obwohl ihre Torquote exzellent war. Immerzu schossen die Bayern weniger Tore, als sie statistisch erwartet waren. Unter Niko Kovač hatte sich dies diese Saison komplett gedreht. Regelmäßig schossen die Bayern mehr Tore als expected goals es vorhersah. Am plakativsten natürlich gegen Tottenham, als man siebenfach traf und sich der Gegner trotzdem einen höheren expected Goals Wert erspielte. Gewiss hat dies auch mit Robert Lewandowskis Überform zu tun, doch spiegelte es Bayerns Spiel wieder. Man erspielte sich kaum Chancen, aber die, die man bekam, wurden eiskalt verwandelt.

War man in den letzten Wochen unter Flick noch dominant und konsequent im Abschluss, verzweifelte man gegen Leverkusen vollkommen vor dem Tor. Ja, Leverkusen kam an den Rand ihrer Leistungsgrenze, ja, sie bespielten Bayerns Problemzonen gut und ja, sie hatten auch mehrere Chancen zur einer Zwei-Tore-Führung, doch ändert dies nichts daran, dass man aus 24 abgegebenen Schüssen, 2,25 expected goals, vier Aluminiumtreffern und reihenweise Eins- oder gar Drei-gegen-Eins-Situationen schlicht und ergreifend mehr als ein Tor schießen muss.

3. Die Leiden des jungen Davies

Wie Dortmund zuvor, attackierte auch Leverkusen fokussiert über Alphonso Davies’ Seite. Doch taten sie es mit einem Plan, einer besseren Durchführung und schlicht besser spielenden Spielern. Alphonso Davies musste so richtig leiden gegen Bayer 04. Am ersten Gegentor trägt er die Hauptschuld, als er den Ball in einer Situation und Zone verliert, wo dies nicht geschehen darf. Auch kurz nach der Halbzeit wird er überspielt und Manuel Neuer muss Bayern daraufhin spektakulär im Spiel halten.

Es ist insgesamt sicherlich kein gutes Spiel des mittlerweile Stamm-Linksverteidigers. Doch ist es gerade in seiner Durchwachsenheit ein so bemerkenswertes. Davies ließ sich einfach nicht unterkriegen, versteckte sich nicht einfach hinten, um seine zuvor begangenen Fehler zu bereinigen, sondern griff mit an. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit ging er noch wie selbstverständlich in ein Dribbling gegen drei Gegenspieler, was nicht wirklich eine kluge Entscheidung war, doch behauptete er den Ball.

Es ist nur selbstverständlich, dass nach der Flut exzellenter Spiele, auch mal ein Tief kommen musste, gerade gegen eine gut spielende Mannschaft und gut performende direkte Gegenspieler wie Diaby. Doch wie Davies an diesem Tag mit dem Tief umging, ist nicht selbstverständlich und es ist ein weiteres Zeichen, dass es sich hierbei nicht um ein alltägliches Talent handelt.

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