Voigt: „Sicherlich historisch für den deutschen Basketball“

Maurice Trenner 16.04.2021

André Voigt ist in der Berichterstattung über den deutschen Basketball die erste Adresse. Der bekennende Anhänger des VfL Wolfsburg ist Gründer und Chefredakteur des Basketball-Magazins FIVE, Host des GotNexxt-Podcast und auch immer wieder für DAZN im Einsatz. Zudem begleitet er seit Ende letzten Jahres als Host des Open Court-Podcast die Basketballer des Rekordmeisters. 

In den letzten Jahren waren die Münchner oft national top, aber international flop. Dieses Jahr konnte man die Gruppenphase der EuroLeague auf dem fünften Platz abschließen und damit erstmals in der Vereinsgeschichte in die Playoffs der europäischen Königsklasse einziehen. Was läuft dieses Jahr besser?

Der FC Bayern verteidigt auf einem ganz anderen Niveau als in der Vorsaison. Generell verfügt die Mannschaft über viel mehr Athletik im Kader und hat zudem mit Wade Baldwin einen Spieler bekommen, der auch auf europäischem Niveau den Unterschied ausmacht. 

Welche Rolle spielt dabei der neue Trainer Andrea Trinchieri?

Seine Rolle ist immens. Trinchieri hat von Anfang an der Mannschaft seine Handschrift verpasst. Er ist ein sehr kompromissloser und leidenschaftlicher Trainer, der dem Team diese Intensität vorlebt und die Mannschaft schafft es, diese Intensität, trotz der aktuellen Situation, aufs Parkett zu bringen. Er ist ganz klar der Vater des Erfolges.

Wenn du einen Spieler hervorheben müsstest, wer ist bisher dein Münchner MVP der Saison?

Für mich ist es Vladimir Lučić. Der oben erwähnte Wade Baldwin ist sicherlich ein großartiger Spieler, der viele mit seinen Leistungen überrascht hat. Aber gerade in den entscheidenden Situationen der EuroLeague war Lučić immer wieder da und ist das Herz der Truppe. 

Im Viertelfinale geht es nun in einer Best-Of-Five-Serie gegen Emporio Armani Mailand. Mit was für einem Gegner müssen die Bayern rechnen?

Olimpia Mailand ist ganz klar ein Spitzenteam und einer der Favoriten auf den Titel. Die Italiener haben einige Ex-NBA-Profis im Kader und mit Ettore Messina einen der größten europäischen Trainer aller Zeiten an der Seitenlinie. Das ist ein knüppelharter Gegner für diese Runde.

Mit welcher Zielsetzung geht der Verein nun in die Playoffs und was traust du den Münchnern zu?

Die Zielsetzung muss es dennoch sein, Mailand zu schlagen und das ist auch möglich. Die Scarpette Rosse kamen auf Platz Vier in die Playoffs und die Münchner auf Platz Fünf. Mailand ist zwar der klare Favorit, aber die Bayern können die Serie mit einer perfekten Leistung gewinnen. Diese Chance besteht auf jeden Fall.

Die Münchner stehen auch als erster deutscher Verein überhaupt in den Playoffs der Europa League. Welche Bedeutung hat dieser (Zwischen-)Erfolg für den deutschen Basketball?

Das Einziehen war sicherlich historisch für den deutschen Basketball. Ich glaube aber, das ist ein Erfolg für die Rekordbücher und keiner, der eine Euphorie im Basketball-Deutschland auslösen wird. Es sei denn, die Münchner schaffen das vermeintlich Unmögliche, ziehen ins Final Four nach Köln ein und gewinnen möglicherweise das Ding. Das wäre dann etwas, was Basketball in Deutschland insgesamt mitnehmen und nach vorne bringen könnte. Der reine Einzug in die Playoffs ist zwar eine große Errungenschaft für die Bundesliga und ein großer Schritt für die Bayern, aber für den Sport im Land zu vernachlässigen.

In der Liga sind die Münchner dafür aktuell nur Tabellendritter. Kann man sagen, dass man bewusst den nationalen Wettbewerb zugunsten von Europa hinten angestellt hat?

Nein, das würde ich so nicht sagen. Der Spielplan ist einfach mörderisch. Da muss man nur anschauen, wie viele Spiele die Münchner absolviert haben im Vergleich zu anderen Teams, die nicht europäisch spielen. Das ist eine Saison wo man durch die Corona-Pandemie aber auch die Hektik im Spielplan ein einzelnes Spiel in der Liga liegen lässt. Nicht weil man darauf keinen Fokus legt, sondern weil man müde und kaputt ist. Diese einzelnen Niederlagen sind sicherlich irgendwo eingepreist und sollten sich zu den Playoffs normalisieren.

Zuletzt geriet man mit der BBL aneinander, da diese das Finalturnier des nationalen Pokal genau vor die ersten Viertelfinalspiele der Münchner legte. Eine verständliche Aufregung?

Ich kann es total verstehen, dass der FC Bayern sich hier aufregt. Allerdings kann ich auch die BBL verstehen, dass sie für den Pokalwettbewerb keinen perfekten Zeitpunkt gefunden haben. Bei dem engen Spielplan hätte sich jeder Verein irgendwann benachteiligt gesehen. Eine perfekte Lösung gab es nicht, aber dennoch ist die Situation nun maximal unglücklich gelaufen. Da schafft eine Mannschaft den historischen Einzug in die EuroLeague-Playoffs und muss dennoch ein paar Tage vorher im Pokal antreten.

Die Bayern bestreiten sowieso einen XXL-Spielplan. Wie schafft es die Mannschaft dennoch solche Leistungen zu vollbringen? Wie viele Verletzte waren/sind zu beklagen?

Dieser XXL-Spielplan hat den Medizinern wie Teamärzten und Physios große Sorgen bereitet. Ich hatte auch schon Marcus Lindner vom Performance Staff und zwei der Ärzte im Podcast. Sie haben mir auch gesagt, dass dies aktuell eine Mammutaufgabe ist, das zu managen. Im Idealfall greift die medizinische Abteilung bereits ein, bevor eine Verletzung auftritt, versucht zu verhindern und zu erkennen, wo sich etwas anbahnt. Das ist in einer Saison ohne Ruhepause natürlich fast unmöglich. Zwar gab es einige Verletzte, doch insgesamt ist es wahnsinnig gut gelaufen.

Was muss in den nächsten vier Wochen passieren, damit der FC Bayern am Saisonende von einer erfolgreichen Spielzeit sprechen kann?

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie der Verein intern Erfolg im Basketball definiert. Im Fußball muss es natürlich immer das Triple sein, das wissen wir. Ich denke realistisch sind es zwei Titel – das Top Four im Pokal und die Meisterschaft. In der EuroLeague hat man schon einen beträchtlichen Erfolg eingefahren mit dem Einzug in die Playoffs, aber da wird man sich auch nicht zurücklehnen. Meisterschaft und Pokal – das wäre für mich eine erfolgreiche Spielzeit.