Nur Dritter in der Finalturnier-Hauptrunde! FCBB-Experte Heusel: „Coach Kostić hat seine Playoff-Rotation noch nicht gefunden“

Maurice Trenner 16.06.2020

Robert Heusel ist freiberuflicher Basketball-Journalist und schreibt unter anderem für das BIG-Magazin. Sein Fokus liegt dabei vorrangig auf den Münchner Korbjägern. Bereits im Januar stand er für uns im Interview Rede und Antwort.

Hallo Robert. Die Vorrunde im Finalturnier ist vorüber. Welches erste Zwischenfazit können die Verantwortlichen der BBL ziehen? Wie wird der Modus von Spielern, Funktionären aber auch Fans angenommen?

Aus Sicht der Verantwortlichen kann das Fazit bislang nur positiv ausfallen. Es hat alles geklappt, wie es geplant war. Die Spieler scheinen sich im Hotel wohl zu fühlen, die Organisation des Spiel- und Trainingsbetriebs läuft reibungslos. Man hat den Eindruck, dass da wirklich eine große Basketball-WG am Oberwiesenfeld einquartiert ist. Auch bei den Fans scheint das Turnier gut anzukommen. Es herrscht ein bisschen WM-Stimmung, wenn die Teams alle zwei Tage spielen und man über direkte Duelle und Ergebnisse diskutieren kann.

Hat es die BBL verpasst mit einer Anpassung der Übertragungsrechte für dieses Turnier den Basketball in Deutschland, aber auch international stärker ins Rampenlicht zu rücken?

Die Übertragungsrechte liegen bei Magenta Sport, die das Turnier exzellent produzieren. Ausgewählte Spiele laufen zudem auf Sport1. Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob Live-Spiele im öffentlich-rechtlichen Fernseher “besser” gewesen wären. Die Telekom bezahlt ja schließlich für die TV-Rechte, wodurch auch wieder die Vereine der Liga profitieren. Ich glaube mittlerweile nicht, dass “Free-TV” das Allheilmittel für den Basketball ist. Basketball ist eine Nischensportart – ich sage bewusst nicht Randsportart. Wer sich für Basketball interessiert, wird bei Magenta hervorragend bedient. Was ich eher kritisch sehe: Das Hygiene-Konzept der BBL sieht nur wenige Journalisten in der Halle vor. Hier hätte man sicher noch mehr für die Berichterstattung, vor allem in den Printmedien herausholen können. Aber das Konzept ist eben so abgesegnet worden, wie es aktuell ist. Was das internationale Interesse angeht: Der europäische Basketball schaut definitiv auf die BBL. Allein in der letzten Woche habe ich Anfragen aus Spanien, Griechenland, Israel und sogar Chile erhalten.

Kommen wir zum Sport und zum FC Bayern. Die Münchner sind ins Turnier als Favorit und Tabellenführer gestartet, mussten aber zwei empfindliche Niederlagen gegen die noch ungeschlagenen Ulmer sowie Oldenburg hinnehmen. Genauso viele Niederlagen hatte es für die Bayern vorher in der gesamten Saison gegeben. Ist die Mannschaft noch nicht im Turnier angekommen? Mental und physisch?

Ich habe den Eindruck, dass es bei den Bayern momentan eher mentale Probleme bzw. Probleme in Sachen Teamchemie gibt. Die Spieler erscheinen körperlich fit und ihr individuelle Klasse ist sowieso unbestritten. Was aber auffällt ist, dass der Support von der Bank und die Kommunikation untereinander bei anderen Mannschaften deutlich positiver wirkt. Sportlich konnte man in der Vorrunde nicht überzeugen, in der K.-o.-Phase starten aber alle Teams quasi wieder bei Null. Eine Chance für die Bayern, wie ich meine.

Klar ist: Die Bayern wirken angeschlagen und sind sicher nicht mehr unantastbar. Robert Heusel, über die Münchner Hauptrunde

Die beiden wohl stärksten Münchner Nihad Đedović (Verletzung) und Greg Monroe (private Gründe) fehlen den Bayern im Turnier. Wie hat sich das Spiel der Roten daraufhin geändert? Laut Statistik legt die Mannschaft im Finalturnier drei Assists mehr pro Spiel auf als noch in der Hauptrunde.

Đedović und Monroe fehlen erheblich. Đedović  ist so etwas wie der Klebstoff des Teams, der alles zusammenhält. Er kann Akzente setzen sowohl offensiv als auch defensiv. Mit ihm fehlt der beste Verteidiger auf den kleinen Positionen. Monroe war Topscorer, oft die erste Option im Angriff. Dass sich das Team erst neu finden muss, ist gewissermaßen verständlich. Ich habe den Eindruck, dass Coach Oliver Kostić seine “Playoff-Rotation” noch nicht gefunden hat. Vor allem im Spielaufbau wechseln sich derzeit Maodo Lo,TJ Bray, Žan Šiško und Neuzugang Ismet Akpinar ab. So richtig seinen Rhythmus hat aber noch keiner der vier gefunden. Hier liegt meiner Meinung nach ein Schlüssel für eine Steigerung in der K.-o.-Phase: Kostić muss eine konstant funktionierende Rotation finden! Einbrüche wie zuletzt in den letzten 13 Minuten gegen Oldenburg als man satte 41 Punkte kassierte, wird man sich nicht mehr leisten können.

Blicken wir noch voraus. In unserem letzten Gespräch hattest du noch gesagt, dass du “mit Ausnahme von ALBA Berlin keine Mannschaft in der Liga [siehst], die den Bayern in einer Playoff-Serie gefährlich werden könnte.” Müssen die Münchner ihre Ziele nach dieser Vorrunde zurückschrauben? Wie könnten sich die auf Hin- und Rückspiel verkürzten Serien auswirken?

Ziele werden beim FC Bayern sicher nicht zurückgeschraubt. Man möchte Deutscher Meister werden und seinen Titel verteidigen. Der Modus mit Hin- und Rückspiel ist für alle neu. Jeder Punkt zählt, man kann sich keine Ruhepause gönnen. Für die Bayern wird es darauf ankommen, ihr Spiel konstant über 40 Minuten durchzuziehen. Damit hatten sie im bisherigen Turnierverlauf ihre Probleme. Gelingt dies, hat man immer noch gute Karten! Kann man sich im Vergleich zur Gruppenphase nicht steigern, kann das Turnier auch schnell beendet sein. Klar ist: Die Bayern wirken angeschlagen und sind sicher nicht mehr unantastbar. 

Abschließend bitte ich dich noch um deinen Tipp. Welche beiden Teams stehen sich im Finale Ende Juni gegenüber und wer wird am Ende deutscher Meister?

Auch wenn Ludwigsburg und vor allem Ulm bislang toll aufgespielt haben, tippe ich auf ein Finale zwischen Bayern und Alba Berlin. Noch kann ich mir nicht vorstellen, dass der FCBB in den Playoffs so auftritt wie in der Vorrunde. Ich glaube an eine Steigerung und ein knappes Weiterkommen gegen Ludwigsburg (Mi. 20.30 und Fr. 16.30 Uhr). Ob Ulm oder Frankfurt in einem möglichen Halbfinale die Bayern über zwei Spiele wirklich schlagen können, wage ich noch zu bezweifeln. Wenn ich auf den Meister wetten müsste: Berlin! Die machen auf mich den stabilsten Eindruck bislang und haben ihre komplette Mannschaft beisammen halten können.