Ausgecoacht – vom Suchen und Finden in Dortmund

Christopher Trenner 25.11.2013

Am Samstagabend kam es zum lang erwarteten Spitzenspiel der Bundesliga. Der FC Bayern trat bei der Mannschaft an, die sie in den letzten 2-3 Jahren doch einige Male ärgern konnte. Der letzte Sieg in Dortmund stammt aus der Saison 2009/2010. Damals gewann der FC Bayern 5:1 (Gomez, Schweinsteiger, Ribery und 2x Müller). Ansonsten gab es in Dortmund zuletzt wenig zu holen. Dennoch verbuchte der FC Bayern den größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte gegen die Borussia – und so wirkte die geschmuggelte Choreografie der Ultras, die eine Anspielung auf eine BVB Choreo war, bittersüß: „Immer noch auf der Suche?“

Über die Vorzeichen der diesjährigen Partie wurde an dieser Stelle schon ausführlich berichtet. Der FC Bayern spielte etwas überraschend mit der eingespielten Viererkette Alaba, Dante, Boateng und Rafinha. Vor dem Spiel konnte man vermuten, dass Lahm wieder als RV aufläuft, um Reus zu bremsen. Durch den Ausfall von Ribery & Schweinsteiger stellte sich das Mittelfeld im Prinzip von alleine auf. Einzig das Götze nicht in der Startelf stand war überraschend. Zunächst begann Lahm auf der alleinigen „6er“ Position. Kroos und Martinez fanden ihren Platz auf der 8. Robben kam zunächst über Links, Müller über Rechts und Mandzukic durfte die Abwehr aufreiben. Beim BVB spielte Friedrich und nicht der Busfahrer in der Abwehr. Als linker Außenverteidiger lief Jungspund Durm auf. Der Rest war beim BVB so weit bekannt.

Die Anfangsphase der Partie war zunächst von der Taktik beider Mannschaften geprägt. Während der BVB sehr kompakt stand, wollte es der FC Bayern vermeiden in Kontersituationen zu laufen, wie es noch beim Super-Cup passiert ist. So ließ Pep überwiegend lange Bälle aus der Abwehr raus spielen. Im Saisonschnitt spielten wir bisher keine 10% unserer Pässe als lange Bälle. In Dortmund waren es fast 20%. Der Plan ging über weite Teile auf, allerdings gelang es nicht, sich selbst große Torchancen zu erspielen. Die größte Chance in den ersten 30 Minuten hatte eigentlich Lewandowski. Erst durch einen Seitfallzieher von Mandzukic und einen typischen Einwurfvernascher von Müller sendete die Mannschaft erste Signale an den Gegner.

So blieb als Fazit der ersten Halbzeit ein ausgeglichenes Chancenverhältnis, das durch den Ballbesitz des FC Bayern geprägt war. Zudem gelang es durch die Achse Lahm & Martinez das schnelle Umschaltspiel der Dortmunder im Keim zu ersticken. Es bewahrheitete sich der alte Spielverlagerungssatz: „Je höher Lahm & Martinez stehen, desto weniger weit kommt der Gegner“. Beide gewannen viele zweite Bälle oder stellten die Mitte so geschickt zu, dass der im Mittelfeld und Sturm vollbesetzte BVB Bus über weite Teile des Spiels nicht ins Rollen kam.

In der zweiten Halbzeit ging das taktische Spiel weiter, wobei Pep Stück für Stück mehr Risiko einging. So schob er Lahm weiter nach vorne und Martinez rückte auf die 6. Als dies noch nicht den gewünschten Erfolg brachte, wechselte Pep Götze für Mandzukic ein (56.). Die Idee hinter die Maßnahme war noch mehr Hoheit im Mittelfeld zu gewinnen. Götze spielte „Sturmspitze“, ließ sich aber oft nach hinten fallen und diente als zusätzliche Anspielstation. Dieser Plan wurde durch die Einwechslung von Thiago auf die Spitze getrieben. Dieser kam für Boateng (64.) und brachte den FC Bayern auf die Siegerstraße. In dieser Phase spielten Martinez und Dante in der Innenverteidigung. Lahm spielte wieder auf der 6 – und Kroos, Thiago, Götze, Robben und Müller zirkulierten fluide durch das Angriffsdrittel. So fiel schlussendlich das 1:0 durch Götze (66.) – der BVB versuchte früh zu attackieren, aber kam nicht in den Zweikampf, weil besagte Spieler immer wieder Dreiecke bildeten und sich die Bälle gut zuschieben konnten. Nach gefühlt 10-15 Pässen konnte schlussendlich Müller relativ unbedrängt in den Rücken der Abwehr flanken. Normalerweise wäre Mandzukic in dieser Szene wohl auf den ersten oder zweiten Pfosten gegangen, aber Götze ließ sich stattdessen fallen und hatte den nötigen Raum an der Strafraumkante. Ein Stich ins Herz.

Anschließend drängte der BVB mehr und mehr auf den Ausgleich. Die größte Chance hatte sicherlich Mkhitaryan, der nach einer Flanke von Großkreutz zu viel Zeit hatte. Was nicht immer ein Vorteil ist, weil einem meist 2-3 Ideen kommen. Das der BVB mehr und mehr drauf schob, erwies sich in der 85. Minute als Vorteil. Dante gewann hart am Limit einen Zweikampf gegen Reus – der Ball gelang zu Thiago, der vor der Ballannahme noch einen Schulterblick riskierte und den durchstarteten Robben erspähte. Dieser verwandelte sicher zum 2:0. Ab dann war der BVB gebrochen und Müller gelang in der 87. Minute noch das 3:0 nach schöner Vorarbeit von Robben und Lahm. Selbst Manuel Gräfe hatte ein einsehen und verhinderte einen weiteren Bayern-Konter als er pünktlich und ohne Nachspielzeit abpfiff.

Was bleibt nach so einer Partie? Sicherlich wird sich der BVB die Frage stellen müssen, ob er nicht zu defensiv agiert hat. Man spielte sich zwar 3-4 Chancen heraus, allerdings waren diese auf individuelle Fehler des FC Bayern zurückzuführen. So rutschte in einer Szene Boateng aus oder in einer anderen hob Rafinha sehr naiv eine Abseitsstellung auf. Es war erneut gut zu sehen wie Pep Guardiola ein Spiel lesen kann. Nicht zum ersten Mal war es in dieser Saison der Fall, dass er zunächst eine falsche Grundausrichtung korrigieren konnte. Ob die häufigen Nullnummern zur Pause der fehlenden Gegnererfahrung geschuldet sind, wird wohl erst die Zeit zeigen. Natürlich hat Pep auch andere Möglichkeiten. Welche Mannschaft kann sich den Luxus leisten, einen Götze und Thiago von der Bank zu bringen, obwohl Leistungsträger wie Schweinsteiger & Ribery verletzt fehlen? Man erntet jetzt den Erfolg, den man in der Vergangenheit gesät hat. Zum Vergleich – beim letzten Auswärtssieg in Dortmund standen Altintop, Braafheid, Tymoschuk und Butt in der Startelf. Von der Bank kamen Ribery & Müller – die sonstigen Alternativen waren Breno, Otto & Pranjic. Es ist offensichtlich, dass man vier Jahre später andere Möglichkeiten hat. Es sind bestimmte taktische Ideen möglich, die (ohne den genannten Spielern zu nahe zu treten) vorher nicht möglich gewesen wären.

De facto steht der beste Start in der Bundesligageschichte. 35 Punkte nach 13 Spielen (11 Siege – 2 Unentschieden) – zudem erwarten den FC Bayern ‚Pflichtaufgaben‘ in den kommenden Wochen. Zunächst kommt Braunschweig, dann geht es nach Bremen und zum Jahresabschluss spielt Hamburg in der Arena auf. Klingt nach jeder Menge Tradition – allerdings stehen alle drei Gegner in der unteren Tabellenhälfte. So könnte man mit „nur“ 16 Spielen den Punktewert der vorherigen Hinserie (42 Punkte 13-1-1) bereits übertreffen. Was macht die Konkurrenz? Leverkusen spielt zu Hause gegen Nürnberg und der BVB muss zum Taktikguru Tuchel nach Mainz. In der übernächsten Woche kommt es dann zum direkten Aufeinandertreffen der Verfolger. Sicher kein Nachteil für den FC Bayern in Sachen Meisterschaft.

Borussia Dortmund – FC Bayern 0:3 (0:0)
Borussia Dortmund Weidenfeller – Großkreutz, Sokratis, M. Friedrich, Durm – Sven Bender (79. Piszczek), Sahin – Blaszczykowski (71. Hofmann), Mkhitaryan (71. Aubameyang), Reus – Lewandowski
Bank Langerak (Tor) , K. Günter , Kehl , Schieber
FC Bayern Neuer – Rafinha (79. Van Buyten), Boateng (64. Thiago), Dante, Alaba – Lahm – Müller, Javi Martínez, Kroos, Robben – Mandzukic (56. Götze)
Bank Starke, Kirchhoff, Weiser, Hojbjerg
Tore 0:1 Götze (66.), 0:2 Robben (85.), 0:3 Müller (87.)
Karten Großkreutz, Mkhitaryan / Boateng, Rafinha, Mandzukic