Bayern gegen Arsenal im Re-Live: Entscheidender Rückschlag fürs Triple?

Justin Trenner 17.03.2020

Am vergangenen Wochenende ersetzten wir die abgesagte Partie des FC Bayern München gegen Union Berlin mit dem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf aus der Saison 2012/13. Wir stellten fest: So richtig souverän war das nicht. Dabei stand mit dem Rückspiel gegen den Arsenal FC die Entscheidung um den Einzug ins Viertelfinale der UEFA Champions League an. Das Hinspiel hatten die Bayern mit 3:1 in London gewonnen.

Wir haben uns auch deshalb für diese beiden Spiele als Ersatzanalysen in der fußballfreien Zeit entschieden, weil es durchaus Parallelen zur Situation der Bayern vor den Maßnahmen gegen das Coronavirus gibt. Ein deutlicher Auswärtssieg im Hinspiel gegen einen Hauptstadtklub aus England, das etwas zähe und behäbige Auftreten in der Liga und das überschwängliche Lob, das beiden Mannschaften jeweils für die positiven Ergebnisse entgegenkam. Doch das Rückspiel gegen Arsenal sollte den FC Bayern zurück auf den Boden holen.

Falls Ihr es verpasst habt:

Jupp Heynckes nahm gegenüber der Aufstellung gegen Düsseldorf nur Veränderungen vor, zu denen er gezwungen wurde. Für Bastian Schweinsteiger (Gelb-Sperre) rückte Javi Martínez zurück in die Startelf, Arjen Robben war nach seiner Wadenverhärtung wieder fit und ersetzte Franck Ribéry (Bänderdehnung) und schließlicht kehrte auch Dante zurück. Jérôme Boateng, der gegen Düsseldorf sein erstes Bundesliga-Tor erzielte, war rotgesperrt.

Auf der anderen Seite hatte auch Arsène Wenger einige Personalprobleme: Lukas Podolski (Sprunggelenk), Jack Wilshere (Fußverletzung) und Bacary Sagna (Kniebeschwerden) fehlten verletzt. Im Tor bekam Wojciech Szczęsny eine Pause und Łukasz Fabiański spielte von Anfang an.

Beide Teams begannen in einer 4-2-3-1-Grundordnung – die der Bayern seht ihr wie schon im vergangenen Rückblick in unserer grafisch hochwertig aufbereiteten Taktiktafel.

Erste Halbzeit

Eigentlich schien nach dem Hinspiel alles klar. Doch dass es das nicht war, machte Arsenal in der Anfangsphase mehr als deutlich. Die Wenger-Elf kontrollierte in den ersten Minuten nicht nur das Geschehen, sondern erzielte darüber hinaus auch den frühen Führungstreffer durch Olivier Giroud. Nach einem langen Ball von Dante wechselte der Ballbesitz und Arsenal zog direkt das Tempo an. Mit zwei Pässen war das gesamte Mittelfeld der Münchner überspielt. Über Rosicky und Walcott kam der Ball dann in die Mitte, wo Giroud nur noch vollstrecken musste (3.).

Bayerns erster Abschluss war hingegen ein ungefährlicher Versuch von Toni Kroos aus der Distanz (5.). Es schien jedoch der Auftakt einer druckvollen Bayern-Phase zu sein. Ohne die ganz große Gefahr zu erzeugen, tauchte die Mannschaft von Jupp Heynckes nun häufiger in Arsenals Hälfte auf. Die Gäste beschränkten sich in dieser Phase aufs Umschalten nach Ballgewinnen und Standards.

Höhepunkte gab es so gut wie gar nicht. Das lag daran, dass Arsenal in dieser Phase das letzte Risiko scheute und den Bayern die Ideen für Durchbrüche in der Offensive fehlten. Gerade im Spielaufbau blieb ihnen oft nur der lange Ball nach vorn. Und so ging es letztendlich mit einem 0:1-Rückstand in die Pause, der zwar angesichts der Überlegenheit der Bayern gegen den Spielverlauf sprach, letztendlich aufgrund der eigenen Ideenlosigkeit aber auch nicht unverdient war. Wenngleich Arsenal selbst bis auf den Führungstreffer noch weniger auf den Platz brachte.

Zweite Halbzeit

Dass Heynckes zur Pause nicht wechselte, war etwas verwunderlich. Spielaufbau und Qualität der herausgespielten Chancen konnten ihm eigentlich nicht gefallen. Doch der Trainer sollte zunächst recht behalten. Insbesondere ab der 50. Minute kamen die Bayern in ihre stärkste Phase. Mehrere gute Angriffe blieben jedoch ohne eine wirklich hochwertige Chance.

Kroos, Robben und auch Gustavo suchten lieber die Distanzschüsse als den Pass in die Tiefe. Mehrfach wurde es dadurch eng für Arsenal, nie aber so richtig bedrohlich. Erst als Robben zunehmend auf Müllers rechte Seite ging, wurde das Spiel auch konsequenter im Angriffsdrittel. Ein erster Höhepunkt war die Großchance von Robben in der 68. Minute, nachdem er selbst den Außenverteidiger aus der Kette zog, auf Lahm ablegte und in die Tiefe startete. Lahm spielte Müller an, dessen Hacke(!) legte den Ball genau in Robbens Lauf. Aus leicht spitzem Winkel scheiterte der Niederländer aber am starken Fabiański.

Wie labil die Bayern an diesem Abend waren, zeigte sich dann aber, als Wenger das Risiko in der Schlussphase erhöhte. Mit Gervinho und Alex Oxlade-Chamberlain kamen zwei Offensivkräfte für Theo Walcott und Aaron Ramsey (72.). Heynckes wechselte seinerseits Mario Gómez für Mario Mandžukić ein. Plötzlich kam richtig Leben in die Allianz Arena. Gervinho verfehlte knapp die 2:0-Führung (79.) und Fabiański rettete seiner Mannschaft gegen Müller abermals die Hoffnung aufs Viertelfinale (82.). Zwischendrin kam beim Gastgeber Anatolij Tymoschtschuk (81.).

In der 85. Minute ging dann das große Schwimmen los. Nach einer Ecke setzte sich Laurent Koscielny gegen Martínez durch und brachte Arsenal so wichtigen zweiten Treffer. Einer fehlte noch, um das Viertelfinale zu erreichen. Interessanterweise verzichteten beide Trainer auf ihren letzten Wechsel, obwohl eine Verlängerung zunehmend unwahrscheinlich schien.

Bayern setzte sich nun auf die Uhr, versuchte mit Standards und Abschirmen des Balles an der Außenbahn die drei Minuten Nachspielzeit herumzubekommen. Bezeichnend für das gesamte Spiel war es, dass Robben den dritten Treffer in dieser Phase verschenkte, indem er aus spitzem Winkel den Abschluss statt den Querpass suchte.

Doch es klappte auch so. Gómez, Müller und Robben setzten sich an der rechten Eckfahne der Gäste fest und Schiedsrichter Pavel Kralovec pfiff die Partie ab. Selten, vielleicht nie hatte man das bayerische Publikum so über eine 0:2-Niederlage jubeln sehen. Ein 3:3 nach zwei Spielen reichte aufgrund eines Auswärtstors mehr schlussendlich aus, aber souverän war es nicht. Würde man nicht wissen, wie die Saison ausgeht, käme man nicht darauf, dass diese Mannschaft es bis ins Finale schaffen und den Pott sogar gewinnen würde.

Dinge, die auffielen:

1. Seltsame Raumaufteilung

Nicht mal drei Minuten waren vergangen, da zeigten sich bereits die Probleme, die den FC Bayern in diesem Spiel nahezu in allen Phasen verfolgen sollten:

Arsenal agierte nicht mal besonders zwingend oder druckvoll. Trotzdem schlugen die Bayern viele lange Bälle nach vorn.

Dante bekommt den Ball von Neuer, nachdem er sich breit aufgestellt hatte. Angelaufen von Rosicky sieht er schließlich aber nur noch den langen Schlag nach vorn als Option. Das liegt maßgeblich daran, dass das Mittelfeld die rote Zone nicht gut genug besetzt. Gustavo (einziger roter Punkt im markierten Bereich) versteckt sich im Deckungsschatten, während Kroos und Martínez zu hoch positioniert sind.

Auch im weiteren Spielverlauf passte die Abstimmung im Mittelfeld nur selten. Martínez und Gustavo konnten zwar den einen oder anderen Ballgewinn verbuchen, nicht aber das Spiel taktieren und diktieren. Stattdessen ließ sich Kroos aus seiner Zehnerposition immer wieder nach hinten fallen, um wenigstens ein bisschen Struktur ins Spiel zu bekommen. Nur hatte das wiederum zur Folge, dass auch Robben und Müller sich mehrfach dazu gezwungen sahen, in die Mitte einzurücken, wodurch dem Spiel Breite fehlte. Wenn die Bayern mal gut nach vorn kamen, dann durch erfolgreiche lange Bälle (selten) oder einzelne kluge Dribblings durch die erste Pressinglinie des Gegners. Insbesondere Lahm tat sich in der Unordnung der Bayern noch als Lichtblick hervor, was die Strukturierung des Spiels anging. Sonst bleibt für diese Grundordnung nur die Bezeichnung „wild“. Es war ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr Bastian Schweinsteiger der Mannschaft damals fehlte, wenn er nicht verfügbar oder nicht in Form war.

2. Kroostinho, Alleinikow und schwache Läufe

Auch weiter vorn, das wurde in Punkt 1 bereits angedeutet, sah es für die Bayern nicht gut aus. Durch ein eher zögerliches und mutloses Arsenal hatte der Deutsche Rekordmeister zwar häufig den Ball, leider aber selten eine Idee, was damit anzufangen wäre. Stürmer Mandžukić und später auch Gómez hingen komplett in der Luft, weil um sie herum keiner in der Lage war, die entsprechenden Räume zu nutzen oder sie entsprechend zu bedienen.

Flanken versandeten, gute Kontergelegenheiten wurden zu hastig und unbedacht abgeschlossen, aber letztendlich gab es auch kaum einen Spieler, der in der Lage war, Arsenals enge Viererkette zu öffnen. Robben und Müller zogen in die Mitte, aber die Räume auf den Außenbahnen blieben meist unbesetzt oder ungenutzt. Gelang es dann doch mal, mit mehreren Spielern Läufe in die Tiefe anzutreten, scheiterte es entweder an den meist sinnlosen Distanzschüssen von CouKroostinho oder Arjen „Alleinikow“ Robben. Als Kollektiv war das eine bemerkenswert dünne Leistung der Bayern.

3. Überladungen rechts in der zweiten Halbzeit

Der zweite Durchgang war zunächst aus Sicht der Bayern klar besser als der erste. Vor allem lag das an einer deutlich aktiveren Offensive. Müller, Robben und Mandžukić rotierten und liefen gefühlt mehr, mindestens aber effizienter. Gerade Überladungen auf der rechten Seite mit Müller und Robben erwiesen sich dabei als sinnvoll. Das Dreieck der beiden mit Lahm sollte ja auch in der Zukunft noch (weiter) für Furore sorgen.

4. Der Wendepunkt?

Wer sich die Partie aus heutiger Perspektive nochmal ansieht, wird merken, dass es nicht so schlecht war, wie viele es in Erinnerung haben. Arsenal macht aus wenigen, dafür aber klaren Chancen zwei Tore, während die Bayern viele Abschlüsse herausspielten, aber wenig Qualität. Jedoch war es eben auch nicht so gut, dass man zu diesem Zeitpunkt vom Champions-League-Titel hätte träumen können.

All die Lorbeeren, die die Mannschaft für die bis dato großartige Saison erhalten hatte, schienen mit diesem seltsamen Abend zu verpuffen. Ein mediokres Arsenal war in der Lage, diese so hochgelobte Mannschaft nicht nur ins Schwanken, sondern beinahe sogar zu Fall zu bringen. Das nervöse Zeitspiel der Bayern am Ende sprach Bände.

Hoeneß fand damals nach dem Spiel mehr als deutliche Worte:

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Rückblickend betrachtet kann dieser Rückschlag aber als wichtiger Wendepunkt innerhalb der Saison betrachtet werden. Es deutete sich in den Vorwochen an, dass die Bayern fast schon zu selbstsicher agierten. Doch mit der harten Reaktion von Hoeneß und auch Sammer schien sich intern einiges zu bewegen. Die Niederlage gegen Arsenal sollte die letzte der Saison bleiben.