Der FC Bayern sucht seine Form und scheitert im Pokal an Freiburg

Georg Trenner 04.04.2023

Falls Ihr es verpasst habt:

FC Bayern – SC Freiburg: die Aufstellungen

Bayerntrainer Thomas Tuchel änderte die Startelf im Vergleich zum Bundesligaspiel gegen Dortmund auf einer Position. Alphonso Davies erhielt eine Verschnaufpause, nachdem er erst unmittelbar vor dem Dortmund-Spiel von seiner Länderspielreise nach Curaçao und Kanada zurückgekehrt war. Für ihn startete João Cancelo als Linksverteidiger. Matthijs de Ligt, Dayot Upamecano und Benjamin Pavard komplettierten die Viererkette vor Yann Sommer. Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Thomas Müller spielten im Mittelfeldzentrum, während Kingsley Coman und Leroy Sané erneut die Flügelzange bildeten. Im Sturmzentrum konnte der unter der Woche leicht angeschlagene Eric Maxim Choupo-Moting auflaufen. 

Die Gäste vom SC Freiburg setzten auf ein 4-4-2 mit kompaktem Zentrum und den beiden Zielspielern Gregoritsch und Höler in der Spitze, die laut Trainer Christian Streich Kimmich in Schach halten sollten. 

Freiburg neutralisiert den FC Bayern in der ersten Halbzeit weitgehend 

Zu Beginn des Spiels ging der Freiburger Plan gegen den Ball auf. Ihr 4-4-2 Mittelfeldpressing neutralisierte das bayerische 4-1-4-1. Freiburg ließ Bayern bis an die Mittellinie kommen, presste dann aggressiv. Der FC Bayern hatte dadurch viel Ballbesitz, schaffte es aber nicht, durch die kompakten Freiburger Viererketten zu kombinieren oder zu dribbeln. 

Freiburgs Defensivverbund hielt bis zur 19. Minute. Zunächst hatte Cancelo mit einem Pass durch die Schnittstelle in der Freiburger Kette Sané gefunden, aber Freiburg konnte dessen Querpass zur Ecke klären. Den anschließenden Eckball vom Kimmich verwandelte Upamecano per Kopf. Diesmal durfte er das Tor behalten, das ihm gegen Dortmund noch abgesprochen wurde. 

Während Fußballdeutschland noch diskutierte, ob Upamecanos Körpereinsatz beim Kopfball ein strafbares Aufstützen war oder durch Eggesteins Passivität so wirkte, glich der SC Freiburg aus. Bayern schaffte es trotz mehrerer Chancen nicht, einen Freiburger Angriff zu stoppen. Zuerst klärte de Ligt in die Füße von Doan, dann von Upamecano über Coman unglücklich ins Zentrum, wo Höfler per Dropkick aus der Distanz ins lange Eck traf (27. Minute). 

Danach passierte fünfzehn Minuten lang nicht viel, bis sich Freiburg sogar mit mehreren Spielern in die Nähe des bayerischen Strafraums traute. In einer Umschaltstation trieb Upamecano den Ball im Stile Lucios in den Freiburger Strafraum und band Müller ein. Dessen für Choupo-Moting gedachte Vorlage lenkte Flekken gerade noch ab. Wahrscheinlich wäre es ohnehin Abseits gewesen. Die Aktion war der Auftakt für den Schlussspurt vor der Pause. Nach einer Flanke von Coman klärte Flekken vor Müllers Füße, parierte dann aber dessen Abschluss. So ging es mit 1:1 in die Kabinen.

FC Bayern mit Last-Minute-K.O. in der zweiten Halbzeit

Beide Teams gingen unverändert in die zweite Halbzeit. Das Spiel nahm mehr Fahrt auf, doch klare Torchancen blieben Mangelware. Der FC Bayern zeigte Ansätze, aber zu oft scheiterte ein letzter Pass oder es mangelte an der Feinabstimmung. 

Passend dazu brauchte es erneut eine Standardsituation für die erste größere Chance in der 60. Minute. Sildillia konnte ein Dribbling von Cancelo nur durch ein Foul stoppen. Pavard köpfte Kimmichs Freistoßflanke von oben auf die Latte. 

Kurz danach reagierte Tuchel und wechselte Jamals Musiala und Serge Gnabry für Coman und Choupo-Moting ein. Musiala ging auf die linke Seite, so dass Sané auf die rechte wechselte. Gnabry übernahm positionsgetreu im Sturm für Choupo-Moting. 

Die beiden sorgten für etwas Belebung und Bayern schnürte Freiburg in ihrem Sechzehnmeterraum ein. Für Zählbares reichte es nicht. 

Das sollte Sadio Mané ändern, der in der 79. Minute für Leon Goretzka kam. Manés Einwechslung löste eine kleine Rochade beim FC Bayern aus: Er ging in die Spitze, Gnabry schob nach links und Musiala ins Zentrum.

Als die Teams mit der Verlängerung rechneten, schlug Freiburg einen von zahlreichen Freistößen hoch und weit nach vorne. Der Ball landete bei Höfler und dessen Abschluss an Musialas Arm. Den fälligen Handelfmeter verwandelte Höler. 

Kurz danach war Schluss. Freiburg gewinnt mit 2:1 beim FC Bayern und zieht verdient ins Halbfinale des DFB-Pokals ein. Der FC Bayern verabschiedet sich aus dem ersten von drei Wettbewerben in der Saison 2022/23. 

Dinge, die auffielen

1. Tuchels findet System, aber sucht nach Dominanz 

Thomas Tuchel hatte sich auf seinen bisherigen Stationen einen Namen durch vielfältige und flexible Systeme und Formationen. Hier mit Dreierkette, dort mit Viererkette, hier eher defensivstabil, dort mit mutiger Offensiv, hier mit Umschaltelementen, dort mit Ballbesitzfokus. 

Entsprechend gespannt durfte man auf seinen Ansatz beim FC Bayern sein. Nach den ersten beiden Spielen manifestieren sich erste Muster und Unterschiede zu seinem Vorgänger Nagelsmann. 

Tuchel setzt auf eine Viererkette als Basis. Zwar spielten Davies gegen Dortmund und Cancelo gegen Freiburg etwas höher als Pavard auf der rechten Seiten, an der Grundformation änderte dies aber nichts. Vor der Viererkette spielt Kimmich defensiver als Leon Goretzka. Bayern versucht wieder vermehrt über die Flügel vors gegnerische Tor zu gelangen. Vom Nagelsmannschen Zentrumsfokus ist nicht mehr viel zu sehen.

Eine Folge der Veränderungen: Bayern dominiert nicht mehr so stark in Ballbesitz. Gegen den BVB hatten die Roten sogar weniger Ballbesitz als die Gäste, gegen Freiburg zwar deutlich mehr, aber überwiegend in ungefährlichen Situationen. 

Tuchels Plan, auf eine stabile Formation und Stabilität beim Personal zu setzen, ging gegen Freiburg nicht auf. Der auf dem Papier defensivere Ansatz brachte nur scheinbar mehr defensive Stabilität. 

2. Gewinner und Verlierer

Auch was personelle Entscheidungen angeht, sind nach 180 Minuten unter Tuchels Leitung erste Muster zu sehen und Gewinner und Verlierer zu erkennen. 

Gewinner: Leroy Sanés Krise beim FC Bayern war auch unter Nagelsmann nie so groß wie wahrgenommen. Unter dem Ex-Trainer absolvierte er in dieser Saison die siebtmeiste Spielzeit und stand in den letzten beiden Bundesligaspielen unter Nagelsmann ebenso in der Startelf wie im Hinspiel gegen Paris. 

Und doch hatte man den Eindruck, er würde in der entscheidenden Phase der Saison in der Hackordnung nach hinten rutschen. Das System mit Dreierkette und Schienenspielern, ein formstarker Kingsley Coman, ein nach Verletzung zurückkehrender Sadio Mané und die im Zentrum harmonierenden Triple-Ms Musiala-Müller-Moting, sprachen ebensowenig für ihn wie seine bescheidene Form im Jahr 2023. 

Den Abwärtstrend hat er unter Tuchel gestoppt. Gegen den SC Freiburg verdiente er sich seinen Startelfeinsatz mit einer guten Leistung. 

Verlierer: Sieht man von den Langzeitverletzten ab und von jenen Spielern, die recht klare Rollen in der zweiten Reihe haben, hat der FC Bayern 15 Spieler mit klaren Ansprüchen auf Startelfeinsätze im Kader. In zwei Spielen unter Tuchel durften zwölf davon von Beginn an auflaufen. Musiala ist einer der drei ohne Startelfeinsatz. Bei ihm ist die Situation in erster Linie durch seine Verletzung begründet. Tuchel äußerte unter der Woche, Musiala von Spiel zu Spiel behutsam mehr Minuten zu geben. 

Damit bleiben Serge Gnabry und Sadio Mané als Härtefälle. Gnabry stand trainerübergreifend seit März in einem von sechs Spielen in der Startelf, Mané in zwei von sechs. Während Gnabrys Status sich seit Anfang des Jahres schleichend in diese Richtung entwickelte, dürfte vor allem Mané überrascht von seiner Reservistenrolle sein. Dass er das Foul vor dem 1:2 verursachte, passt zu seiner unglücklichen Lage. 

3. Erster Freiburgsieg in München kommt denkbar ungelegen für den FC Bayern

In 23 Anläufen in der Bundesliga konnte der SC Freiburg bisher nicht beim FC Bayern gewinnen. Ausgerechnet beim ersten Aufeinandertreffen im DFB-Pokal in München gelang die Sensation. Sie kommt für den FC Bayern zur Unzeit. 

Der im Verlauf teilweise kuriose, aber in Summe verdiente und souveräne Sieg gegen Borussia Dortmund schien die Entscheidung für den Trainerwechsel zu stützen und dem Verein etwas Ruhe zu bringen. Ruhe für den Sportvorstand Hasan Salihamidžić, Ruhe für CEO Oliver Kahn. Und natürlich für Tuchel selbst. Diese Ruhe dürfte nach dem Pokalaus weggeblasen sein. 

Auf Thomas Tuchel wartet in den nächsten Tagen viel Arbeit, um die Ausgangslage in der Bundesliga zu behaupten und die Chance in der Champions League zu wahren.



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