AUGSBURG, GERMANY - OCTOBER 19: Felix Uduokhai of FC Augsburg celebrates at full time during the Bundesliga match between FC Augsburg and FC Bayern Muenchen at WWK-Arena on October 19, 2019 in Augsburg, Germany. (Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Erneut 2 Gegentore. Bayern verliert 2:2 in Augsburg!

Daniel Trenner 19.10.2019

Falls Ihr es verpasst habt:

Die Aufstellung

Nachdem die Länderspielpause größtenteils mit Diskussionen über auf der Bank sitzenden Spielern verbracht wurde, beorderte Niko Kovač nur Javi Martínez in die Startelf. Der Baske verdrängte Joshua Kimmich zurück auf die Rechtsverteidigerposition. Thomas Müller blieb abermals nur die Ersatzbank.
Nach überstandener Verletzung ersetzte Lucas Hernández David Alaba wieder als Linksverteidiger.

1. Halbzeit

Im Derby zweier Traditionsmannschaften erschuf Augsburg gleich eine neue Tradition: Wie schon in der Rückrunde der letzten Saison traf Augsburg direkt in der 1. Minute. Nach einem Einwurf konnte Rani Khedira gegen eine noch ungeordnete bayerische Defensive den Ball auf Marco Richter legen, der aus halbrechter Position frei vor Neuer direkt treffen konnte. Auch direkt nach dem Tor blieb Augsburg am Drücker.
Kurz vor der 10. Minute blieb Niklas Süle in einem Zweikampf mit Florian Niederlechner liegen, abermals kam Richter zu einem erfolgversprechenden Abschluss, verzog jedoch. Überraschenderweise brachte Kovač den verletzt geglaubten David Alaba für den deutschen Nationalverteidiger. Hernández rutschte auf die Position des linken Innenverteidigers.
Gleich mit der ersten guten Torchance glichen die Bayern aus. Javi Martínez spielte einen weiten Ball auf den völlig blanken Serge Gnabry, dem die Augsburger genug Zeit für Ballannahme und präziser Flanke boten. Robert Lewandowski verlängerte die nicht einfache Flanke in die lange Torwartecke.
In der Folge entwickelte sich ein hektisches Hin und Her ohne große Torgefahr. Lange Passstafetten gab es selten. Kurz vor der Halbzeitpause zog Bayern wieder an. Erst schoss Gnabry einen sehenswerten Volley an den linken Pfosten, dann schaffte Thiago gleich doppelt den Ball aus kürzester Entfernung nicht am teilweise bereits geschlagenen Torwart Koubek vorbei zu schieben. So ging es mit 1:1 in die Pause.

2. Halbzeit

Scheinbar ohne Wechsel kamen die Teams aus der Kabine. Es schien jedoch, dass Gnabry durch Arjen Robben ersetzt wurde, denn wie er kurz vor der 50. Minute bei seinem Tor von der rechten Seite in die Mitte zog und mit links zur Führung abschloss, glich fast einer Patentverletzung.
Kurz darauf dribbelte er an seinen Gegenspielern abermals vorbei, spielte von der Grundlinie zu Coutinho, der aus kürzester Entfernung Koubek nicht bezwingen konnte.
Bayern kontrollierte das Spiel jetzt besser ohne jedoch zu klaren Tormöglichkeiten zu kommen. Erst in der 79. Minute konnte Lewandowski mit dem Kopf zu Coman im Strafraum querlegen, der jedoch abermals am in der 2. Halbzeit wie ausgewechselt wirkenden Koubek scheiterte.
Erst ab der 80. Minute zog Kovač weitere Wechseloptionen. Thomas Müller kam für den blassen Coutinho und Serge Gnabry wich für Leon Goretzka, der sein Comeback nach überstandener Verletzung feierte.
Bayern schien sich mit einem 2:1-Sieg zu begnügen und wurde kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit bestraft als Manuel Neuer Max’ Schuss stark parierte, nur um in der Nachspielzeit doch noch den Ausgleich zu kassieren. Cordova setzte sich gegen Hernández durch, spielte in die Mitte, wo Finnbogason völlig allein stand und nur einschieben brauchte.

Dinge, die auffielen:

Hektisches U des Todes

Das Spiel schnell in die Breite ziehen, den Ball auf Außen geben und dann in die Mitte flanken. So sah das Spiel des FC Bayern aus. Von der mit Philippe Coutinho viel gelobten neuen Gefahr durch die Mitte war nicht viel zu sehen. Stattdessen auf Gnabry, Alaba, Kimmich und Coman gespielt, die dann schnell in die Mitte zu spielen hatten. Gibt der Gegner den Spielern so viel Raum wie es vor dem 1:1 der Fall war, kann das sogar funktionieren, doch erhärtet sich der Verdacht, dass der FC Bayern des Herbstes 2019 ganz ähnlich ist wie im Herbst 2018, nur mit Robert Lewandowski in Überform.

Dazu gesellte sich in Augsburg eine brachiale Hektik. Oft wird Spielern des FC Bayern vorgeworfen, sie verlangsamen das Spiel zu sehr und mehr Vertikalität wäre angebracht, doch wird zu viel vertikal und zu wenig horizontal gespielt, kann das auch zu Problemen führen. Von echter Spielkontrolle war gegen Augsburg wenig zu sehen, fast nie beruhigte jemand das Spiel, versuchte einen ruhigen Spielaufbau um so den FC Augsburg zu sezieren, müde zu spielen und zu Fehlern zu zwingen. Zwar kamen letztere trotzdem, waren aber in aller Regel unerzwungen.

Javi Martínez im Mittelfeld

Javi Martínez musste sich lange bemühen, ehe Niko Kovač ihn endlich von der Leine ließ. Das war zwar Balsam für die bayerische Fanseele, doch zeigte sich über weite Strecken wieso der Spanier nur noch so selten spielt. Im Passspiel nur dann gut, wenn Augsburg ihm viel Zeit und Raum gab und sogar in der Defensive -seiner Paradedisziplin- wurde er oft überspielt und konnte seinem Team auch in den stärksten Augsburger Phasen kaum helfen.

Matthäus, Schweinsteiger, viele große Spieler rückten mit zunehmender Karrieredauer immer weiter nach hinten. Gründe dafür sind vielschichtig, doch ein Abfall in Spiel- und Reaktionsgeschwindigkeit sind meist Teil davon.
Auch bei Publikumsliebling Martínez wirkt es oft als sei das Spiel zu schnell. Übermütig entscheidet sich der Baske zu einem vorschnellen Bodentackling, wo er früher noch im richtigen Moment im Stehen den Ball erobert und weitergeleitet hätte.
Ob im weiteren Verlauf der Saison Javi Martínez als Innenverteidiger dem FC Bayern mehr helfen kann, wird das Trainerteam entscheiden müssen, heute kam die Vermutung auf, dass es dem Spiel gut getan hätte, käme statt Alaba ein Mittelfeldspieler für den verletzten Niklas Süle, sodass Martínez in die Innenverteidigung hätte rücken können.

Heroische Einzelleistungen reichen nicht

Über individuelle Leistungsspitzen konnte sich der FC Bayern gegen den FC Augsburg nicht beklagen. Wie vor dem Ausgleichstor Gnabry den Ball verarbeitete, Lewandowski genau sah und perfekt flankte, war schon stark, wie der Pole dann diese nicht einfache Flanke verwertete, war fast besser. Abermals erschaudert man bei der Frage, wo der FC Bayern der Saison 2019/20 ohne Robert Lewandowski wäre.
Noch individuell brillanter war Serge Gnabry bei seinem Führungstor. Daheim in der Niederlande war Arjen Robben bestimmt stolz auf den ihn kopierenden Deutschen. Geschmeidig nach innen ziehen und dann mit dem linken Fuß abschließen, eine großartige Leistung. Eine großartige Einzelleistung wohlgemerkt.
Denn als der Schiedsrichter abpfiff stand es 2:2 und auch wenn man über Chancenwucher hadern kann, dürften die meisten zustimmen, dass dies für diese Leistung gar nicht so unverdient war.
Denn abgesehen von dieser individuellen Brillanz vor den Toren und einigen wenigen Torchancen, sowie dem guten Manuel Neuer im Tor, war es absolut keine gute Mannschaftsleistung. Dutzende Fehler im Aufbau, im Offensivdrittel, in der Verteidigung, im Positionsspiel.
Es hat den Eindruck, dass sich der FC Bayern von einer großen Einzelleistung zur nächsten versucht zu ziehen. Das kann funktionieren. Hätte es gegen Augsburg ja auch beinahe. Doch klappt es nicht, muss man das Zusammenspiel der Mannschaft hinterfragen.
Oft wird Fußball von Teams, die ihr Heil in individueller Brillanz suchen, abschätzig als Hero-Ball deklariert. Der hat zwar manchmal auch Erfolg, doch ist der Begriff eindeutig negativ konnotiert. Negativ, weil der Fokus auf Individualität eigentlich immer irgendwann gegen eine Wand stößt und praktisch nie dauerhaft zu Erfolg führen kann.