Amateure vor Aufstiegsspielen
Fünf Jahre nach Lukas Raeders Fehlgriff im Rückspiel gegen Fortuna Köln ist der Aufstieg für die Amateure des FC Bayern wieder in greifbarer Nähe. Damals verlor das Team das Hinspiel mit 0:1 und führte im Rückspiel bis zur 94. Minute mit 2:0. Die dann folgende Szene schmerzt viele Fans der Bayern Amateure bis heute. Es war das Paradebeispiel dafür, wie eine hervorragende Saison in einer einzigen Szene komplett zerstört wird. Und auch dafür, wie ungerecht diese Aufstiegsregelung ist, für die der DFB keine sinnvolle Lösung findet.
Wie die Rückrunde lief
Dass die Reserve des Rekordmeisters die Aufstiegsspiele zur dritten Liga erreichen würde, war bereits zum Stichtag der Lizenzabgabe am 1. März nahezu sicher. Der Tabellenzweite VfB Eichstätt stellte mangels nötiger Infrastruktur und Finanzen gar nicht erst einen Lizenzantrag für die dritte Liga. Und angesichts des komfortablen Vorsprungs der Amateure verzichteten dann auch bis auf den FC Memmingen alle weiteren bayrischen Regionalligisten auf die aufwändige Teilnahme am Lizenzierungsverfahren. Lediglich der FC Memmingen machte sich die Mühe. Dies jedoch nur aus dem Grund, für die künftige sportliche Entwicklung des Vereins zu erfahren, wo der DFB noch Lücken sieht.
Somit war es für die Mannschaft von Trainer Holger Seitz in den letzten Saisonspielen lediglich eine Frage der Ehre. Die Blöße, nur als Zweiter in die Relegationsspiele zu gehen, wollte man sich nicht geben. Das gelang schlussendlich auch recht souverän, auch wenn sich die kleinen Bayern gerade gegen Teams am Tabellenende immer wieder schwer taten. So setzte es Niederlagen gegen Augsburg und Bayreuth. Gegen den mittlerweile in der Abstiegsrelegation stehenden TSV Rosenheim kamen die Amateure nicht über ein 1:1 zu Hause hinaus.
Insgesamt holte man von den 14 Saisonspielen nach der Winterpause neun Siege, zwei Unentschieden und drei Niederlagen. Vor allem die starken Auswärtsauftritte bei den Topteams in Schweinfurt (1:1) und Memmingen (3:0) machen dabei große Hoffnung. Skeptischer beäugen sollte hingegen die Chancenverwertung. Viel zu oft fehlte vor dem Tor die Cleverness und manchmal auch einfach die Konzentration. Letztere sollte aber in den Spielen gegen Wolfsburg da sein. Und das wird auch wichtig, da der Gegner sicher nicht so viele Chancen erlauben wird wie es die Ligarivalen getan haben.
Sieg im Premier League International Cup
Bereits seit einigen Jahren spielen die zwölf besten zweiten Mannschaften der englischen Premier League gegen die Reserven von zwölf eingeladenen Mannschaften aus Europa ein Turnier aus. Erstmals nahm der FC Bayern in der vergangenen Saison dort teil, nachdem er in den Jahren zuvor stets absagte. Das damalige Trainerteam um Tim Walter und Tobi Schweinsteiger sah darin eine gute Gelegenheit, die lange Winterpause von drei Monaten mit Testspielen unter Wettbewerbscharakter zu füllen.
Während die Amateure im vergangenen Jahr noch in der Vorrunde scheiterten, verlief die zweite Teilnahme deutlich erfolgreicher. Die Gruppe mit Brighton & Hove Albion (2:0), FC Everton (4:1) und Benfica Lissabon (0:1) überstand man als Tabellenerster. Anschließend wurde Leicester City im Elfmeterschießen bezwungen. Im Halbfinale folgte ein 3:1 gegen den FC Reading, im Endspiel ein 2:0 gegen Dinamo Zagreb.
Gerade im Hinblick auf die Aufstiegsspiele könnte sich diese Teilnahme nun als echter Glücksfall erweisen. Jungen Nachwuchsspielern, wie es sie zum großen Teil in beiden Mannschaften gibt, fehlt oft die Erfahrung von Spielen, in denen es um alles geht. Die Bayern Amateure haben in den letzten vier Monaten vier K.o.-Spiele für sich entscheiden können. Vier Partien, in denen es um alles oder nichts ging und in denen man am Ende als Sieger vom Platz ging. Das sorgt für Selbstvertrauen und für einen Erfahrungsvorsprung gegenüber dem Gegner.
Unser Gegner: VfL Wolfsburg
Während der FC Bayern zum zweiten Mal um den Aufstieg in die dritte Liga spielt, ist es für die Wölfe bereits die dritte Teilnahme. 2016 unterlag man dem SSV Jahn Regensburg in der Summe knapp mit 1:2, 2014 der SG Sonnenhof Großaspach mit 0:1. Die Saison in der Regionalliga Nord schloss das Team aus der Autostadt als souveräner Tabellenerster mit 77 Punkten und 86:28 Toren ab. Lange Zeit war der VfL unangefochtener Spitzenreiter, musste sich nach einer kleinen Schwächephase Ende März nochmal ein wenig strecken, um den VfB Lübeck auf Distanz zu halten. Der Vorsprung betrug am Ende noch drei Punkte.
Der Kader der Wolfsburger U23 ist ein wenig erfahrener als der des FC Bayern. Viele Stammkräfte spielen bereits ihre zweite oder dritte Saison im Herrenbereich, während es im Münchner Team eher die erste oder zweite Spielzeit ist. Die erfahrenen Stützen im Team sind Innenverteidiger Julian Klamt (29) und Michele Rizzi (31). Goalgetter Daniel Hanslik (19 Treffer) wird in der kommenden Saison bei Zweitligist Holstein Kiel auflaufen. Ein Auge sollte man sicherlich auf den gebürtigen Oberbayern Julian Justvan haben, der einige Jahre für den TSV 1860 in der Jugend auflief.
Holger Seitz reiste zuletzt sogar persönlich nach Wolfsburg, um den Gegner unter die Lupe zu nehmen. Er sah eine für eine Profireserve erstaunlich physisch starke Mannschaft, die vor dem Tor mit Effektivität glänzt. Die es aber auch über ein ausgeprägtes Positionsspiel dem Gegner sehr schwer macht, an den Ball zu kommen. Gleichwohl stellt sich natürlich ein jedes Jahr die Frage, wie gut die einzelnen Staffeln der Regionalliga einzuschätzen sind. Fakt ist zumindest, dass sich in letzten vier Jahren der Vertreter der Regionalliga Bayern stets in den Aufstiegsspielen durchsetzen konnte.
Unser Team
Wen Holger Seitz ins Rennen schickt, dürfte zu großen Teilen relativ klar sein. Zwar ist Christian Früchtl nach sieben Wochen Verletzungspause auf den letzten Drücker fit geworden. Sein Einsatz erscheint jedoch eher unwahrscheinlich angesichts seines nahezu gleichwertigen Vertreters Ron-Thorben Hofmann, der voll im Saft steht.
Die Viererkette bilden Mert Yilmaz, Lukas Mai, Maxime Awoudja und Derrick Köhn. Über weite Teile der Saison kokettierte Seitz zwar immer wieder speziell im Hinblick auf die Aufstiegsspiele mit einer Dreierkette. Die Ausfälle der defensiven Mittelfeldspieler Welzmüller und Will dürften ihm da jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Das macht den Einsatz von Kapitän Feldhahn im defensiven Mittelfeld statt in der Abwehr nämlich nahezu alternativlos. Als zweiter Spieler im zentralen Mittelfeld ist Meritan Shabani gesetzt. Er spielte keine sonderlich gute Rückrunde, war aber in den wichtigen Spielen in seiner Karriere immer zu besonderen Leistungen fähig.
Die einzige Position, die ein wenig offen erscheint, ist die dritte zentrale Position. Die Entscheidung fällt zwischen Winterneuzugang Jannik Rochelt und Youngster Joshua Zirkzee. Während Ersterer mit dem Ball am Fuß die bessere Option ist, wäre der bullige Zirkzee besser dafür geeignet, lange Bälle aus der Abwehr zu verarbeiten und festzumachen, bis die Mitspieler nachrücken. An der Besetzung der beiden Flügel gibt es hingegen keine Zweifel: Woo-Yeong Jeong und der nach Wolfsburg mitgereiste Alphonso Davies werden dort beginnen. Letzterer ist physisch auf Regionalliganiveau kaum zu stoppen. Seine bisherigen Einsätze in der Regionalliga deckten jedoch auch noch einige Defizite in der Entscheidungsfindugn auf. Ob Davies auch beim Rückspiel am Tag nach dem Pokalfinale mitwirken kann, ist jedoch noch offen und hängt vom Kader der Profis beim Pokalfinale ab.
Fraglos ist zu guter Letzt auch der Einsatz von Otschi Wriedt im Sturmzentrum. Es werden wohl seine letzten beiden Spiele im Trikot des FC Bayern sein, bevor er nächste Saison mindestens zweitklassig aufläuft. Zwei Spiele, in denen er in den Herzen der Fans der Bayern Amateure endgültig zur Legende werden kann.
Pack mas!
Das Hinspiel wird am heutigen Mittwochabend um 19 Uhr im AOK Stadion in Wolfsburg angepfiffen, das Rückspiel am kommenden Sonntag um 16 Uhr in der Hermann-Gerland-Kampfbahn in München. Beide Spiele werden von FCBayernTV, Magenta Sport und dem bayrischen Rundfunk online live übertragen. Für das Rückspiel in München gibt es am Spieltag zudem noch ausreichend Tickets an der Tageskasse.
Für die Nachwuchsarbeit des FC Bayern hat der Aufstieg eine enorm hohe Priorität, wäre doch die dritte Liga das ideale Sprungbrett für kommende Toptalente wie Oliver Batista Meier, Torben Rhein oder Lasse Günther zu unseren Profis. Und er würde auch für ein schlagkräftiges Argument bei der Anwerbung von Toptalenten im Nachwuchsbereich aus dem In- und Ausland sorgen. Ein Argument, das so kein anderer Verein in Deutschland vorzuweisen hätte.
Fünf Jahre nach Lukas Raeder könnte es nun späte Gerechtigkeit geben. Vor zwei Wochen stieg Fortuna Köln ausgerechnet im selben Stadion beim Gastspiel beim TSV 1860 aus der dritten Liga ab. Drei Wochen später haben die Bayern Amateure nun die Chance, sich das zu holen, was schon vor fünf Jahren verdient gewesen wäre: Der Aufstieg in die dritte Liga. Auf gehts Buam, komplettiert nach Meisterschaft und Pokalsieg nun das kleine Triple!