FC Bayern: Alternative Miasanrot-Awards Saison 2023/24

Daniel Trenner 05.06.2024

Von Daniel und Justin

SpielerIn der Saison, Team, Defensivmann, alles seriöse und verdiente Preise für die besten ihrer Zunft. Doch was machen wir mit Sonderfällen? Menschen, die ihren ganz eigenen Award verdienen? Dafür gibt es die Alternativen Awards!

Transfer der Saison: João Palhinha

Einen ganzen Sommer über verlangte Thomas Tuchel wieder und immer wieder eine Holding Six. Einen primär defensiv denkenden Mittelfeldspieler. Die Bayern allerdings hatten primär das Ziel Mittelstürmer ausgerufen und nach dem Transfer Harry Kanes dachten sie nicht mehr daran, noch viel Geld für einen Sechser auszugeben.

Bis in den letzten 48 bis 72 Stunden doch noch ein Umdenken einsetzte. Wohl auch durch den Input des offiziell noch gar nicht operierenden Christoph Freund, war man nun drauf und dran, João Palhinha vom FC Fulham zu verpflichten.

Locker 20 Millionen überbezahlt, hielt der Portugiese von nun an das Mittelfeld zusammen. Im Passspiel offenbarte er zwar immer wieder Unzulänglichkeiten, doch dem Publikum war das ob seiner Grätschen egal. Ob Palhinha das Ende von Bayerns jahrelanger Mittelfeldsuche darstellt, scheint fraglich, doch ersteinmal scheint das Leck gestopft. Bedauerlich nur, dass dem jungen Talent Pavlović damit Spielzeit genommen wurde. Bis auf ein paar Minuten am Ende der Saison, sprang leider nicht mehr viel heraus.

Erfüllte Tuchels Traum der Holding Six. Beinahe zumindest.
(Foto: Jan Kruger/Getty Images)

Okay, okay, okay. Der letzte Absatz ist natürlich erstunken und erlogen. Wie jeder weiß, spielte Palhinha keine einzige Sekunde für den FC Bayern. Der FC Fulham konnte in der Kürze der Zeit keinen Ersatz finden und somit musste sich der traurige Palhinha mit einem Fotoshooting in München begnügen. Die einzigen Beweise Palhinhas im Bayern-Shirt sind nun tief in den Servern der bayerischen Marketing-Abteilung vergraben.

Eine solche Odyssey hatte es für den FC Bayern noch nicht gegeben und einmal mehr der Beweis, wieso gut geführte Vereine ihre Transfer-Tätigkeiten vor dem ominösen Deadline-Day absolvieren.

Thomas Tuchel sagte rund um den Transfer Palhinha, dass es ansonsten “Pavlović aus unserer U23 machen müsse”. So kam es dann auch. Palhinha hätte Pavlovićs Entwicklung verhindert, so ist es im Endeffekt schwer, dem Portugiesen echte Tränen nachzuweinen.

KEINEN ARTIKEL MEHR VERPASSEN – JETZT UNSEREN WHATSAPP-KANAL ABONNIEREN!

Absage der Saison: Ralf Rangnick

Ja, in gewisser Weise beging die Absage der Saison der FC Fulham, als man kurz vor 18 Uhr am 31. August 2023 das grüne Licht für Palhinha zurücknahm. Doch hat da niemand gejubelt. Das war bei unserem Sieger, Ralf Rangnick, schon eher der Fall.

Aber erstmal der Reihe nach: Nachdem man sich bei den logischen Trainerkandidaten Alonso und Nagelsmann erwartbare Körbe einholte, war sich der FC Bayern verblüffenderweise bezüglich Ralf Rangnicks auf einmal einig.

Ralf Rangnick.
Der moderne Architekt des deutschen Konterfußballs.
Der immer gegen den Ball arbeiten möchte und dessen Teams mit dem Ball immer, ja wirklich immer, Probleme bekommen.

Waren die Reporter nur erstaunt, waren die Fans regelrecht erzürnt. Wobei “die Fans” tatsächlich auch einmal “die Fans” sind. Denn aus dem einen oder anderen Grund, mochte Rangnick wirklich niemand.

Den Kurvengängern war Ralf Rangnick der Inbegriff des Investorenfußballs. Zu sehr war er mit den verhassten Projekten in Sinsheim und Leipzig verknüpft. Zu oft hat er die deutsche Fankultur brüskiert (“Nur der BVB und Schalke haben mehr Auswärtsfahrer als RB [Leipzig]!”).

Die ruhigeren Fans außerhalb Münchens hätten ihm diese Dinge sogar noch durchgehen lassen. Sie allerdings sahen das sportliche Desaster bereits kommen: Ein ballbesitzfremdelndes Alphatier? Wie um alles in der Welt sollte das denn gutgehen, wo Uli Hoeneß ja schon gegen einen bereits entlassenen Thomas Tuchel noch nachtritt?

Der sehr analytische Ralf Rangnick hat sein unvermeidliches Scheitern womöglich ebenfalls kommen gesehen und so sagte er am 2. Mai dem FC Bayern ab und bewahrte diesen vor einem erneuten teuren Trainermissverständnis. Reporter rund um den FC Bayern mochten noch so sehr ein “Desaster” beim FC Bayern gesehen haben, doch bei der Personalie Ralf Rangnick, kann der FC Bayern sehr froh sein, verschont worden zu sein.

In gewisser Weise ist Ralf Rangnick mit seiner Absage das geworden, was ihm als Trainer in München nie zu Ehren gewesen wäre: Eine Vereinslegende.

Schweizer Trainer-Messer der Saison: René Marić 

René Marić hat bewegende Monate hinter sich. Der einstige Spielverlagerungs-Blogger kam Mitte November zum FC Bayern in der geschaffenen Position des “Teamleiter Trainerentwicklung & Spielidee”. In diesen Posten konnte er sich kaum einmal einarbeiten, denn nach zweieinhalb Monaten war er diesen auch wieder los. Fortan wurde er als U19-Trainer gebraucht.

Wahrscheinlich war bei Marić die Rückkehr zum Campus angedacht, doch diese kommt so schnell nicht zustande. Grätscht der FC Sunderland nicht doch noch dazwischen, wird Marić nächste Saison Co-Trainer von Vincent Kompany der A-Mannschaft.

Glückwunsch an den Teilzeitarbeiter und schweizer Trainer-Messer der Saison!

Cameo der Saison: Sacha Boey

Zwei Münchener im Duell. Im entscheidenden Zweikampf ließ Boey den späteren Double-Sieger nur leider ziehen.
(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Erinnert sich eigentlich noch irgendjemand an Sacha Boey? Wem ist überhaupt noch bewusst, dass dieser Spieler beim FC Bayern unter Vertrag steht? Dass der FC Bayern im Winter tatsächlich runde 30 Millionen Euro Galatasaray überwiesen hatte? 

Sacha Boey hat in der Rückrunde ganze 109 Minuten lang Fußball gespielt. Den Rest der Zeit war er meistens verletzt. Die einzigen 90 Minuten Allianz Arena absolvierte er im Trikot Galatasarays in der Champions League.

Und doch schaffte er es, in diesen kurzen 109 Minuten einen Fehler zu begehen, der so schnell nicht aus dem kollektiven Gedächtnis herausfallen wird.

Am 21. Spieltag hatte sich Thomas Tuchel zum Spitzenspiel bei Bayer Leverkusen etwas ganz besonderes ausgedacht. Um den offensivstarken Frimpong zu kontern, stellte er extra Boey auf links auf. Dumm nur, dass Frimpong gar nicht erst auf dem Aufstellungsbogen stand.

Boey startete nun also im sprichwörtlichen Luftloch und ließ sein Spiel auch genauso weitergehen. Bei der Ecke zur 0:1-Führung Leverkusens übersah er in seinem Rücken einfach komplett ausgerechnet Bayern-Leihgabe Stanišić, dessen Kaderposition er ja nun innehatte, ließ den jungen Kroaten einfach durchsprinten. 

Die Häme war groß und wiedergutmachen konnte Boey diesen Fehler nicht mehr, denn kurz darauf verletzte er sich und damit war seine Saison praktisch auch wieder gelaufen. Hoffentlich wird’s nächstes Jahr besser, Sacha!

Das Transfer-Komitee der Saison

Gefühlt hatten die Männer des FC Bayern München im Sommer des vergangenen Jahres ungefähr sechs bis zehn Entscheider, was die Kaderplanung anbelangte. Kein Wunder, dass man nach dem Top-Transfer von Harry Kane nicht so wirklich vorwärts kam. Einigkeit gab es ganz offenkundig selten, die Kompromisslösungen waren tendenziell überschaubar. Nicht nur, dass viele Köche den Brei verderben, sie lähmen sich auch noch gegenseitig. Insbesondere dann, wenn verschiedene Generationen an Entscheidern an ganz unterschiedlichen Baustellen arbeiten. Das war nichts.

Ein Blick zur Frauenabteilung lohnt allerdings. Denn die macht auf dem Transfermarkt und in der strategischen Planung seit vielen Jahren einiges richtig. Vielleicht schaut man mal im Büro von Bianca Rech vorbei und holt sich Tipps, wie Transfer-Komitee und Kaderplanung gehen.

Didi-Man der Saison: Thomas Tuchel

Dietmar Hamann und Thomas Tuchel haben sich vor laufenden Kameras teilweise derart im Fernduell abgerackert, dass man minütlich während Sky-Übertragungen auf eine Ankündigung des „Kampf des Jahrhunderts“ gewartet hat: Tuchel vs. Didi. Sagen wir es so: Beide Seiten haben sich in der Auseinandersetzung nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Tuchel arbeitete sich beim Hinspiel in Dortmund derart an der gesamten Sky-Crew ab, dass er gar nicht mehr zur Ruhe kam. Pressekonferenz, Interviews, wenn ihm Norbert Dickel das Stadionmikrofon unter die Nase gehalten hätte, wäre er wohl auch dort nochmal auf die TV-Experten Hamann und Lothar Matthäus losgegangen. Einen klaren Gewinner gab es nicht, dafür Verlierer auf beiden Seiten. Wer der Didi-Man der Saison ist, müsste aber klar sein.

Aufschlag der Saison: Die Fans des FC Bayern

Wenn Uli Hoeneß es verargumentiert bekommen würde, würde er wohl auch jetzt behaupten, dass die Tennisbälle der Fans des FC Bayern Schuld an der schwierigen Saison waren. Zumindest argumentierte er, dass das Spiel in Bochum deshalb verloren gegangen sei. Die Münchner Kurve konterte geschickt: Nach der Niederlage in Heidenheim gab es eine Grußbotschaft an Uli: „Wir entschuldigen uns für die Tennisbälle in Heidenheim!“ Ass, Spiel, Satz und Sieg.

Pressesprecher der Saison: Thomas Müller

Das vielleicht erfolgreiste Duo der Saison: Thomas Müller und Patrick Wasserziehr.
Foto: Lars Baron/Getty Images

Zu den ungeschriebenen Gesetzen im Fußball gehört, nicht über Kollegen zu urteilen. Nicht mit der Presse zu sprechen, wenn man selbst gar nicht auf dem Feld stand.

Doch Gesetze gelten nur für Normalsterbliche und so einer ist Thomas Müller ganz sicher nicht. Ob Müller von Beginn an startete, von der Bank kam oder auf dieser gar 90 Minuten saß, wie selbstverständlich zog es ihn nach Schlusspfiff vor die Kameras. Bemerkenswert dabei war jedoch nicht einfach das Richten von Leistungen, mit denen er selbst des Öfteren überhaupt nichts auf dem Feld zu tun hatte, sondern seine analytische Qualität.

Den kernigen Boulevardspruch hat Müller zwar nicht verlernt, doch wenn er dann mal anfing zu reden, sprach da nicht bloß der Fußballer Thomas Müller. Den letzten, vollen Schritt zum Trainer Müller mag der Spieler Müller noch nicht vollzogen haben, doch oratorisch hat er mehr als den halben Weg dorthin bereits hinter sich.

Zu Interviews gehören ja immer zwei Parteien, oft ikonische Antworten folgen auf spitzfindige Reporteranfragen, doch aus Thomas Müller musste man nichts herauskitzeln. Patrick Wasserziehr stellte eine ganz gewöhnliche Frage und Müller antwortete einfach mit einer dreiminütigen Eloge über Passschärfen, Positionierungen und dem richtigen Anlaufverhalten. Für den deutschen Fußball ist diese inhaltliche Analyse von Spielenden etwas ganz Neues.

Überhaupt ging Thomas Müller diese Saison durch eine Transformation. Dass er auch mal wie gegen Arsenal 180 Minuten auf der Bank sitzt, ist mittlerweile ganz selbstverständlich.

Wir befinden uns in der zweiten Hälfte des Karriereherbstes des Thomas Müller. Nur bleibt zu hoffen, dass er den Weg zum Chef-Trainer auch wirklich findet und nicht auf halber Strecke als TV-Experte oder Sportchef verendet. Was für eine bittere Verschwendung offensichtlichem Trainertalents das nur wäre!

Peinlichkeit der Saison: Das Anbiedern bei Jérôme Boateng

Unvergessen bleibt leider auch das Anbiedern des FC Bayern München bei Jérôme Boateng. Als Thomas Tuchel in der Hinrunde die Innenverteidiger ausgingen, liebäugelten die Münchner mit einer Rückkehr des Champions-League-Siegers von 2013 und 2020. Es schien beinahe, als würden sie bewusst Gerüchte streuen, um zu prüfen, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert.

Überraschung: Natürlich blieb nicht unbemerkt, dass Boateng sich seit Jahren vor Gericht verantworten muss. Der Vorwurf: Gewalt gegen seine Ex-Verlobte. 2022 wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, in dritter Instanz wurde das Verfahren neu aufgerollt. Ein rechtskräftiges Urteil gibt es bis heute nicht. Wie sich der FC Bayern damals verhalten hat, war unangenehm verharmlosend. Unseren Kommentar lest ihr hier.

♥ Artikel teilen

Jetzt teilen!

Jetzt teilen!