Alabas Trendwende steht bevor
Didi Hamann sagt bekanntlich jedes Wochenende sehr viel. Er spricht über die Bundesliga, er spricht über den FC Bayern, manchmal spricht er sogar über Taktik. Häufig kritisiert er, vielleicht, weil das mehr Spaß macht als zu loben. Am Sonntagnachmittag, nach dem 2:2 gegen Hertha BSC, nutzte er seine Bühne, das flauschige Sky-Sofa in Unterföhring, um über David Alaba zu sprechen – in seinem gewohnt offensiven, allwissenden und unsympathischen Ton.
Was Hamann da sagte („katastrophal gespielt“; „Schatten des Spielers, der er vor fünf oder sechs Jahren war“; „Form ist erschreckend“) ist inhaltlich nicht allzu wertvoll, aber es erregt Aufmerksamkeit. In Österreich griffen fast alle Medien die Aussagen dankbar auf. Alaba-Titel funktionieren immer, erst Recht negative.
Sonderfall Alaba
Es mag sein, dass David Alaba gegen die Hertha nicht gut gespielt hat. Er hat genauso enttäuscht wie die meisten anderen in der Bayern-Mannschaft. Aber ist er wirklich der wunde Punkt in einem kaputten System? Ist er denn tatsächlich für die Krise verantwortlich und sollte man ihn in der Analyse deshalb besonders herausheben?
Nein. David Alaba ist beim FC Bayern ein Sonderfall. Er ist außerordentlich talentiert, hat alles, was er braucht, um einer der besten Linksverteidiger der Welt zu sein. Und gleichzeitig ist Alaba ein ganz normaler Mensch, der nachlässt, wenn er nicht genug gefordert wird. Das muss man deshalb betonen, weil die prägenden Figuren der letzten acht Jahr beim FC Bayern das häufig nicht waren.
Arjen Robben, Philipp Lahm, Manuel Neuer, Xabi Alonso oder Bastian Schweinsteiger waren bzw. sind auch deshalb so herausragend gut gewesen, weil sie ihre eigene Leistung, völlig unabhängig von ihrem Trainer, reflektiert haben. Weil sie selbst Lösungen parat hatten, wenn etwas nicht funktionierte. Das ist großartig, aber diese Eigenschaft kann man nicht bei jedem Fußballspieler erwarten.
Ancelottis Fehler
Dass David Alaba diese unheimliche Fähigkeit zur Selbstkritik bzw. zur radikalen Analyse vielleicht nicht hat, zeigte sich erst seit Sommer 2016. Bis dahin wurde er in seiner Karriere von Louis van Gaal, Jupp Heynckes und Pep Guardiola massiv gefordert und gefördert. Sogar in seinem halben Jahr in Hoffenheim hatte er in Marco Pezzaiuoli einen Trainer, der gezielt mit ihm arbeitete. Carlo Ancelotti hingegen überließ die Spieler weitgehend sich selbst.
Im Fall Alaba tat er dies zu einem äußerst kritischen Zeitpunkt. Der Österreicher hatte bei der EM gerade seine schwerste Niederlage einstecken müssen, war in der Saison 2015/16 zum ersten Mal länger verletzt gewesen und konnte alles brauchen, nur keinen Trainer der ihn mit seinen Problemen alleine ließ. Die Alaba-Entwicklung der letzten 14 Monate ist in großen Teilen auf Carlo Ancelotti zurückzuführen.
Dass Alaba nicht auf demselben Niveau wie Philipp Lahm reflektiert, darf nämlich eigentlich kein Problem sein. Er hat, wie gesagt, das fußballerische Zeug zur Weltklasse. Und, wie Insider aus der Ära Pep berichten, hat er auch das Feuer für taktische Entwicklungen, für Laufwege und anspruchsvolle Positionswechsel. Alaba ist offen und lässt sich fördern wie sonst nur wenige im Bayern-Kader. Bildlich gesprochen: sobald er einen Trainer hat, der ihm die Hand hinhält, wird er sie auch nehmen.
Ob Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann oder sonst wer: Der FC Bayern braucht einen Trainer, der sich intensiver mit der fußballerischen Ausrichtung der Spieler beschäftigt. Nur dann werden die Protagonisten der letzten Jahre wieder zu ihrer herausragenden Form finden. Das gilt insbesondere für David Alaba. Es steht eine Trendwende bevor, für den Verein genauso wie für seinen Linksverteidiger.
Mehr zu Alaba? Im Herbst erscheint von unserem Autor Felix die Biografie über den Österreicher.