Adventskalender: Unsere Wunschtransfers – Türchen 8

Katrin Trenner 08.12.2020

Was hat den Spieler ausgezeichnet?

Bevor ich eine langjährige, immer noch anhaltende Beziehung mit dem FC Bayern einging, hieß meine erste große Liebe im Fußball Paolo Maldini. Mein großer Respekt für herausragende Verteidiger hat seine Wurzeln in meiner Bewunderung für Maldini. Wegen ihm entschloss ich mich dazu, selbst Fußball in der Mädchenmannschaft zu spielen. Während meine Karriere als linke Außenverteidigerin allerdings ein schnelles Ende fand, reifte Maldini zum Inbegriff des kompletten Verteidigers.

Der Sohn von Cesare Maldini, der selbst unzertrennbar mit dem AC Mailand verbunden ist, hat nicht nur eine, sondern gleich zwei der erfolgreichsten Ären der Rossoneri maßgeblich geprägt: In jungen Jahren an der Seite von Franco Baresi und Alessandro Costacurta, als Teil der „Unsterblichen“, und später in den 2000er Jahren als einer der „Unbesiegbaren“, gemeinsam in einer Abwehrkette mit Alessandro Nesta, Jaap Stam und Cafu.

Maldini war flexibel einsetzbar, tatsächlich spielte er während seiner Karriere auf allen vier Positionen der Abwehrkette. Als junger Spieler machte er links außen von sich reden, später wusste er in der Rolle als Innenverteidiger zu gefallen. Er vereinte Kampfgeist und Athletik, war stark im Dribbling und großartig in der Manndeckung. Nur selten musste er „dreckig“ spielen, denn seine Tacklings waren klinisch sauber und präzise. Maldini selbst sagte einmal, „wenn ich in ein Tackling gehen muss, habe ich vorher schon einen Fehler gemacht.“ Vor allem aber hatte Maldini eine beeindruckende Präsenz auf dem Platz. Er war – wie heißt es doch so schön – ein Führungsspieler, das Herz der Mannschaft.

Maldini verkörperte eine perfekte Mischung aus robuster Eleganz und charmanter Arroganz. Dies stellte er nicht nur Woche für Woche und Jahr für Jahr beim AC Mailand unter Beweis – er kam sage und schreibe auf insgesamt 902 Einsätze für die Rossoneri – sondern auch in der italienischen Nationalmannschaft, für die er insgesamt 126 Mal auf dem Platz stand. Im Mai 2009 beendete Maldini offiziell seine beeindruckende Karriere als Fußballer, und ich vergoss gemeinsam mit dem Rest der Fußballwelt bittere Tränen. Einen Spieler wie Maldini gab es nicht zweimal.

Die Situation bei den Bayern

Die Bayern durchliefen Anfang der 90er Jahre eine turbulente Phase. Die Saison 1991/92 beendete der Verein auf einem skandalösen zehnten Platz, mit negativem Torverhältnis (59:61) und negativer Punktebilanz (36:40). Im DFB-Pokal blamierte man sich zuhause gegen den Zweitligisten FC Homburg, und im Europapokal verlor die Mannschaft 2:6 gegen den FC Kopenhagen – einige Tage nach der Entlassung von Trainer Jupp Heynckes. Es gab viele, sehr viele Baustellen im Team, die behoben werden mussten.

1992 kamen mit Lothar Matthäus und Mehmet Scholl zwei Spieler nach München, die den Verein über die nächsten Jahre nachhaltig prägen sollten, und ein Maldini hätte es ihnen sicher gleichgetan. Aufgrund seiner stets konstanten Leistungen wäre ein Stammplatz garantiert gewesen; gerade in den frühen 90er Jahren hätte Maldini direkte Konkurrenten auf seiner Position locker ausstechen können. Doch auch in späteren Jahren hätten die anderen Abwehrspieler von seiner Erfahrung, seinem Stellungsspiel und seiner Übersicht auf dem Feld profitieren und lernen können. Natürlich funktionierte die viel gelobte Abwehrkette des AC Mailand auch deswegen so gut, weil die einzelnen Spieler untereinander hervorragend harmonierten. Hätte Maldini ohne Baresi oder später Nesta auch so viel Durchschlagkraft gehabt? Ich behaupte mal, dass er trotzdem zum Weltklassespieler geworden wäre.

Was wäre, wenn …

Hätten die Bayern ihn zur Saison 1992/93 verpflichtet, wäre Maldini zu dem Zeitpunkt 24 Jahre alt gewesen – und hätte den Münchnern noch 16 Jahre lang als Abwehrchef dienen können. Sogar ein paar gemeinsame Jahre mit Philipp Lahm wären möglich gewesen. In der Saison 1991/92 hatte es der AC Mailand geschafft, ohne eine einzige Niederlage die Meisterschaft zu gewinnen. Nach einem Wechsel an die Isar wäre Maldini schnell zum unumstrittenen Abwehrchef der Bayern avanciert und hätte sich so die schmerzhaften Niederlagen mit dem AC Mailand in den Champions-League-Finals 1993 gegen Olympique Marseille und 1995 gegen Ajax Amsterdam erspart.

Ginge es nach unserer Autorin hätten die beiden auch im gleichen Team spielen können: Claudio Pizarro und Paolo Maldini.
(Foto: Andreas Rentz/Bongarts/Getty Images)

Mehr noch – er wäre nicht mehr Teil des legendären AC Mailand unter Ancelotti gewesen, das von 2003 bis 2007 dreimal im Finale der Champions League stand (und hätte so dem Liverpool-Trauma von 2005 entgehen können). Stattdessen hätte er den Münchnern in der Königsklasse dabei geholfen, Bayern-Albtraum Pippo Inzaghi in Schach zu halten und das wiederholte frühe Ausscheiden in der Champions League zu verhindern.

Wäre Maldini allerdings hauptsächlich als Linksverteidiger eingesetzt worden, hätte Christian Ziege (der später tatsächlich selbst zum AC Mailand wechselte) den Durchbruch bei den Bayern wahrscheinlich nicht geschafft; auch der Transfer von Bixente Lizarazu wäre wohl nicht zustande gekommen. Maldini hätte vielleicht eher in der Innenverteidigung Platz gefunden, aber da eine Viererkette Anfang der 90er Jahre noch undenkbar war, hätte das höchstens in einem 3-5-2 bzw. 5-3-2 sein können. 

Maldini war nicht nur auf dem Platz eine wahre Größe, sondern galt auch darüber hinaus stets als perfekter Gentleman. Natürlich gehört seine unerschütterliche Treue zum AC Mailand auch zu den Eigenschaften, die ihn als Spieler und Mensch ausgezeichnet haben. Von daher ist dieses Türchen in unserem Adventskalender nichts weiter als ein Traum – nichtsdestotrotz ein wunderschöner.

Im nächsten Türchen versteckt sich wieder ein Offensivspieler. Der Youngster hätte im Frühjahr 2016 Guardiolas Arsenal im Halbfinale gegen Atlético mit seiner Firepower ergänzen und vielleicht sogar ins Finale schießen können.